Ambitioniert, aber gescheitert |
Lukas Brockfeld |
07.05.2025 14:30 Uhr |
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (links) und Bundeskanzler Olaf Scholz hatten gemeinsam viel vor. / © Imago/photothek
Zerstritten, vorzeitig gescheitert und abgewählt – die ehemalige Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hat einen schlechten Ruf. Doch wie sieht die Bilanz der alten Bundesregierung nach 3,5 Jahren wirklich aus? Die Politikwissenschaftler Robert Vehrkamp und Theres Matthieß haben sich die Umsetzung der Pläne aus dem Koalitionsvertrag einmal genauer angesehen.
Die Ampel startete 2021 mit insgesamt 453 Versprechen. Das waren etwa 50 Prozent mehr konkrete Vorhaben als der Koalitionsvertrag von 2018 und fast zweieinhalb Mal so viele wie der Koalitionsvertrag 2013. SPD, Grüne und FDP konnten laut der Auswertung 52 Prozent ihrer Regierungsvorhaben vollständig umsetzen. Weitere 7 Prozent wurden teilweise erfüllt. Immerhin 22 Prozent der Pläne wurden angefangen aber nicht zu Ende gebracht.
In absoluten Zahlen konnte die Ampel so mehr Versprechen erfüllen als ihre Vorgängerregierungen. Die Prozentzahlen sehen allerdings schlechter aus. Die beiden von Angela Merkel geführten großen Koalitionen konnten jeweils knapp 80 Prozent ihrer Vorhaben umsetzen. Viele Vorhaben der Regierung Scholz konnten aufgrund des vorzeitigen Scheiterns der Koalition nicht zu Ende gebracht werden.
Auffällig ist auch, dass die Ampel 174 ihrer insgesamt 453 Versprechen (38 Prozent) bereits in der Halbzeit der Regierung umgesetzt hat. 117 weitere Vorhaben befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Prozess der Erfüllung. Somit waren zur Halbzeit fast zwei Drittel des umfangreichen Koalitionsvertrags bereits umgesetzt oder zumindest auf den Weg gebracht. In der durch den Koalitionsbruch deutlich verkürzten zweiten Halbzeit konnten jedoch nur weitere 62 Vorhaben ganz oder teilweise umgesetzt werden.
Robert Vehrkamp und Theres Matthieß kommen in ihrer Analyse zu dem Schluss, dass die Ampel »erfolgreich gescheitert« sei. SPD, Grüne und FDP seien als selbsternannte »Fortschrittkoalition« mit großen Ansprüchen gestartet, hätten ihre hohen Ziele allerdings verfehlt. Mit einer Umsetzungsquote von knapp über 50 Prozent läge die Ampel deutlich hinter den beiden großen Koalitionen, die von 2013 bis 2021 regierten. Mit dem Koalitionsbruch seien außerdem fast 100 Regierungsvorhaben verendet, die unter normalen Umständen voraussichtlich hätten erledigt werden können.
Im Bereich der Apotheken fällt die Bilanz der Ampel ebenfalls dünn aus. Im Koalitionsvertrag wurde den Apotheken nur ein kurzer Absatz gewidmet.
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Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plante ein umfangreiches Apotheken-Reformgesetz (ApoRG), das deutlich über den Koalitionsvertrag hinausging. Das Gesetz stieß vor allem aufgrund der geplanten »Apotheken ohne Apotheker« auf den heftigen Widerstand der Apothekerschaft. Noch vor dem Ende der Koalition musste das Vorhaben aufgrund fehlender Unterstützung der FDP auf Eis gelegt werden. Mit dem Platzen der Ampel ist es endgültig Geschichte.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) war in der vergangenen Legislaturperiode allerdings alles andere als untätig. So konnte beispielsweise eine Teillegalisierung von Cannabis und eine umfangreiche Krankenhausreform umgesetzt werden. Selbst nach dem Ende der Ampel beschlossen SPD, Grüne und FDP im Januar 2025 gemeinsam eine Entbudgetierung für Hausärzte. Lauterbach selbst war mit der Bilanz zufrieden. »In der Gesundheitspolitik haben wir sehr gut zusammengearbeitet. Ich möchte mich daher bei allen Partnern für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Wir waren ein gutes Team«, sagte der Minister unmittelbar nach dem Platzen der Koalition.