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Anticholinerge Nebenwirkungen

Am besten vermeiden, möglichst lindern

Sehstörungen, trockener Mund, Probleme beim Wasserlassen: Das können unerwünschte Effekte einer anticholinergen Medikation sein. Wie können Apotheker solche Nebenwirkungen erkennen und welche Optionen gibt es dann?
AutorKontaktDavid Czock
AutorKontaktLaura K. Lepenies
AutorKontaktHanna M. Seidling
Datum 06.08.2023  08:00 Uhr

Internationalen Studien zufolge nehmen drei von vier Patienten zwischen 75 und 90 Jahren regelmäßig Arzneimittel mit anticholinergen Wirkungen ein und bis zu 70 Prozent berichten von anticholinergen Nebenwirkungen (1). Geriatrische Patienten sind eine vulnerable Patientengruppe, sodass bei typischen Symptomen wie Gedächtnisstörungen, Gangunsicherheit oder Mundtrockenheit geprüft werden sollte, ob es sich um Nebenwirkungen einer anticholinergen Therapie handeln könnte, insbesondere wenn solche Symptome neu aufgetreten sind (2). Dies ist hochrelevant, da die anticholinerge Medikation potenziell bei mehr als der Hälfte der Patienten abgesetzt oder umgestellt werden könnte (3).

In den letzten Jahren wurde in Drug-Safety-Mails der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft wiederholt dringend zur Vorsicht bei der Einnahme von anticholinerg wirksamen Arzneistoffen aufgerufen. Beispielsweise wurde für das Antipsychotikum Clozapin eine Hemmung der Darmbewegung – vermutlich aufgrund seiner anticholinergen Aktivität – beschrieben, was zu einem lebensbedrohlichen Darmverschluss führen kann. Auch apothekenpflichtige Arzneimittel sind betroffen. 2021 wurde ein erhöhtes Risiko für Gleichgewichtsstörungen, Stürze und Verwirrtheitszustände unter Einnahme von Antihistaminika der ersten Generation, zum Beispiel von Doxylamin und Diphenhydramin, festgestellt, da diese die Blut-Hirn-Schranke (BHS) überwinden und somit ins Zentralnervensystem (ZNS) gelangen können.

Patientenindividuell beurteilen

Wie hoch das Risiko für anticholinerge Nebenwirkungen im Einzelfall wirklich ist, hängt von verschiedenen Einflussfaktoren ab und muss für jeden Patienten individuell beurteilt werden. Grundsätzlich sind hierbei patienten- und arzneistoffspezifische Faktoren zu berücksichtigen, die die Pharmakokinetik und -dynamik eines Arzneistoffs beeinflussen können (4).

Die Pharmakokinetik eines Arzneistoffs wird unter anderem durch dessen chemische Eigenschaften, die beispielsweise die ZNS-Gängigkeit betreffen, sowie Darreichungsform und Dosis beeinflusst. Gleichzeitig können patientenbezogene Faktoren wie eine eingeschränkte Leber- oder Nierenfunktion, aber auch die Adhärenz die Arzneistoffkonzentrationen verändern.

Zur Pharmakodynamik: Arzneistoffe haben unterschiedliche Affinitäten zu muskarinergen Rezeptoren und daher variiert ihre anticholinerge Aktivität (Kasten). Zudem nimmt im Alter die Anzahl an muskarinergen Rezeptoren im Gehirn ab, sodass bei gleichbleibender Dosis ein prozentual größerer Anteil an Rezeptoren gehemmt wird und somit das Risiko für zentrale anticholinerge Nebenwirkungen steigt (5). Es zeigte sich auch, dass das Sturzrisiko unter Anticholinergika für hospitalisierte Frauen im Gegensatz zu Männern signifikant erhöht ist (6), was möglicherweise mit der geringeren Muskelmasse bei Frauen zu erklären ist (7).

Grundsätzlich gilt, dass das Alter eines Patienten oft mit Multimorbidität und Polypharmazie einhergeht, sodass pharmakodynamische und pharmakokinetische Interaktionen beachtet werden sollten (8).

Was ist die anticholinerge Last?

Die Gesamtexposition mit anticholinergen Substanzen wird oft als anticholinerge Last (anticholinergic burden, ACB) umschrieben.

In Studien wurde bisher kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der anticholinergen Last und klinisch relevanten Endpunkten identifiziert. Trotzdem scheint eine höhere anticholinerge Last mit einem höheren Risiko für anticholinerge unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) assoziiert zu sein (11). Somit ist die Bestimmung der ACB geeignet, um das anticholinerge Nebenwirkungsrisiko für einen Patienten einzuschätzen – auch wenn im Detail keine abschließenden Daten vorliegen, die vorhersagen, welche UAW wie ausgeprägt bei welcher anticholinergen Last in welchem Patienten auftreten.

Hilfsmittel zur Bestimmung der anticholinergen Last

Grundsätzlich setzt die Bestimmung der anticholinergen Last Informationen zu zwei Aspekten voraus: Welche Arzneimittel in der Medikation eines Patienten haben überhaupt eine anticholinerge Wirkung und wie hoch ist deren Bindungsaffinität, das heißt, wie ausgeprägt ist die jeweilige anticholinerge Aktivität?

Es gibt inzwischen eine Vielzahl an international publizierten Listen, Formeln und Skalen, die bei der Erkennung helfen sollen. Bei der Erstellung solcher Instrumente wurden zunächst Substanzen mit anticholinerger Wirkung identifiziert und gelistet und diese dann anhand ihrer anticholinergen Aktivität in definierten Skalen eingestuft.

Bei der Nutzung solcher Listen ist zu beachten, dass die enthaltenen Informationen nicht deckungsgleich sind. Dies liegt vor allem daran, dass die Autoren unterschiedliche Kriterien für die Festlegung von anticholinergen Wirkstoffen wählten oder die anticholinerge Aktivität auf unterschiedliche Art einschätzten (12). Während einige Autoren hierfür die Exposition berücksichtigten, indem sie die Applikationsform, die ZNS-Gängigkeit oder das Interaktionspotenzial einbezogen, wurde beim sogenannten Drug Burden Index auch die eingesetzte Dosierung berücksichtigt (13).

Derzeit gibt es mindestens 13 unterschiedliche Instrumente (4). Diese unterscheiden sich aus den genannten Gründen in der Anzahl identifizierter und gelisteter Wirkstoffe, aber auch in der Bewertung der anticholinergen Aktivität.

Die anticholinerge »Belastung« eines Patienten wird durch Summieren der jeweiligen Punktzahlen der Arzneistoffe bestimmt. Die meisten Skalen vergeben 0 bis 3 Punkte für jeden Wirkstoff. Es wird grundsätzlich empfohlen, ab einem Score von 3 eine »Entlastung« von diesen Substanzen zu erwägen (4). Allerdings kann keine konkrete Angabe gemacht werden, inwieweit sich das Risiko für UAW daraufhin verändert, da die anticholinerge Last nur einen Risikofaktor für das Auftreten von Nebenwirkungen darstellt.

Empfehlungen für Deutschland

Welche Listen und Skalen für Deutschland am besten geeignet sind, ist (noch) nicht abschließend entschieden – auch weil noch kein Instrument explizit für den Gebrauch in öffentlichen Apotheken validiert wurde und es keine Vergleichsstudien gibt, in denen mehrere Listen gegeneinander getestet wurden. Grundsätzlich erscheint es sinnvoll, eine Liste anzuwenden, die für den deutschen Arzneimittelmarkt entwickelt oder angepasst wurde.

Vor diesem Hintergrund gibt es speziell für anticholinerge Wirkstoffe die »Münchner Liste«, die »Heidelberger Liste« und die Zusammenstellung des Cofrail-Konsortiums (Tabelle 1). Die Münchner Liste teilt den Wirkstoffen ACB-Scores von 1,2 und 3 (schwache, mittelstarke und starke Anticholinergika) zu. Die Heidelberger Liste unterscheidet dagegen nur zwischen »schwachen« und »starken« Anticholinergika.

Instrument, Autor Setting Inhalt und Bewertung
Münchner Liste (18)
Kiesel et al.
für den klinischen Alltag entwickelt
Zielgruppe: geriatrische Patienten
basiert auf 8 internationalen Skalen
listet 104 schwache, 18 moderate und 29 starke Anticholinergika
Liste des Cofrail-Konsortiums
Thürmann et al., Cofrail-Studiengruppe
entwickelt in der Cofrail-Studie
Zielgruppe: geriatrische Patienten mit Polymedikation und Risiko für PIM
Klassifizierung nach anticholinergen und/oder sedativen Effekten
Darstellung der minimalen Tagesdosis für jede Applikationsform umfasst 197 Wirkstoffe
Heidelberger Liste (4)
Mayer et al.
Zielgruppe: geriatrische Patienten basiert auf der Liste von Durán et al. (19)
Neubewertung listet 39 starke und 46 schwache Anticholinergika
Tabelle 1: Empfehlungen zu Anticholinergika, speziell angepasst an den deutschen Arzneimittelmarkt, PIM: potenziell inadäquate Medikation

Zudem schlägt die Münchner Liste konkrete Handlungsanweisungen vor. Dabei sollen die ACB-Werte der Medikation des Patienten summiert werden. Bei Wirkstoffen mit einem Punktwert von 3 oder der Einnahme mehrerer Substanzen und einem Gesamtscore über 2 sollte grundsätzlich ein Score unter 3 angestrebt werden. Dies bedeutet: den Arzneistoff entweder gegen einen anderen Wirkstoff mit geringerem oder ohne anticholinerges Potenzial austauschen oder (bei fehlender oder nicht mehr bestehender Indikation) vollständig absetzen. Ist beides nicht möglich, könnte eventuell die Dosis reduziert und/oder der Patient zumindest hinsichtlich anticholinerger Nebenwirkungen überwacht werden.

Da die Münchner Liste keine konkreten Alternativen benennt, könnte das Apothekenteam beispielsweise die Priscus-Liste 2.0 heranziehen, die neben den PIM (potenziell inadäquate Medikation) auch mögliche Alternativen vorschlägt. Weitere Hilfsmittel, die ebenfalls eher allgemein auf PIM abzielen, sind die FORTA-Kriterien oder die Liste mit START-/STOPP-Kriterien (Tabelle 2).

Instrument Inhalt und Anmerkungen
Priscus-Liste (veraltet)
(20)
enthält PIM und nennt Therapiealternativen
18 Wirkstoffklassen, 83 Wirkstoffe
Priscus-Liste 2.0
(21)
aktualisierte Version, nennt Therapiealternativen
177 Wirkstoffe
FORTA-Kriterien
(Fit-fOR-The-Aged)
(22)
Einteilung von Wirkstoffen in 4 Kategorien (nach Risiko), Sortierung nach Indikationen, nennt Therapieempfehlungen
296 Wirkstoffe
START-/STOPP-Kriterien
(23)
81 STOPP-Kriterien für die Identifizierung von Übertherapie
34 START-Kriterien für die Identifizierung einer unbehandelten Indikation
Tabelle 2: Weitere spezielle Empfehlungen/Listen für Deutschland (nicht spezifisch für Anticholinergika); PIM: potenziell inadäquate Medikation

Die Münchner und die Heidelberger Liste wurden anhand unterschiedlicher Grundlagen und für unterschiedliche Settings und Zielgruppen entwickelt. Während die Münchner Liste vorwiegend für den Einsatz in einer Klinik erstellt wurde, betrifft die Heidelberger Liste vorrangig geriatrische Reha-Patienten. Es kann daher vorkommen, dass manche Wirkstoffe in einer Liste aufgezählt werden, aber in der anderen fehlen oder die Bewertungen der anticholinergen Aktivität nicht deckungsgleich sind.

Opioid-Analgetika stellen solch einen Fall dar. Dies liegt unter anderem daran, dass die anticholinerge Aktivität oftmals nicht genau definiert werden kann und Opioid-Analgetika weitere Effekte wie sedierende oder serotonerge Eigenschaften haben können. Diese Effekte können zentrale anticholinerge Wirkungen verschleiern oder sogar verstärken. Tramadol wird beispielsweise in der Münchner Bewertung als mittelstarkes, in Heidelberg als schwaches Anticholinergikum eingeschätzt. Für Morphin und Fentanyl geben die Münchner Autoren einen ACB-Score von jeweils 1 an, die Heidelberger Liste schätzt deren anticholinerge Aktivität als unklar ein.

Gemeinsam haben diese beiden Instrumente, dass sie hinsichtlich verfügbarer Wirkstoffe und Darreichungsformen speziell an den deutschen Arzneimittelmarkt angepasst wurden und somit praxisnah einsetzbar sind. Beispielsweise ist Trospiumchlorid zur Behandlung der Drang- sowie Reflexinkontinenz in beiden deutschen Listen enthalten, nicht aber in internationalen Listen.

Die Cofrail-Liste klassifiziert die Wirkstoffe nach anticholinergen und/oder sedativen Effekten. Gleichzeitig listet sie die minimale Tagesdosis der jeweiligen Wirkstoffe, angepasst an verschiedene Applikationsformen, auf. Die Zusammenstellung umfasst 197 Wirkstoffe und ist ebenfalls an den deutschen Arzneimittelmarkt angepasst.

Was in der täglichen Praxis zu beachten ist

In der Regel sollte die Arzneimitteltherapie eines Patienten möglichst nebenwirkungsarm verlaufen. Mit Fokus auf anticholinergen Nebenwirkungen sollten folgende Aspekte unbedingt beachtet werden:

  • Der Zusammenhang zwischen dem Punktwert einer Substanz oder der Gesamtpunktzahl der Medikation und dem tatsächlichen UAW-Risiko ist nicht eindeutig belegbar, sodass derzeit auch keine evidenzbasierte Empfehlung zur Reduktion der anticholinergen Belastung gegeben werden kann, um eine spezifische UAW zu verhindern (4).
  • Wahrscheinlich gibt es eine patientenindividuelle maximale anticholinerge Belastung, ab der sich die Nebenwirkungen nicht mehr steigern (4, 14).
  • Die größte Chance auf eine Rückbildung von anticholinergen Nebenwirkungen besteht, wenn die anticholinerge Belastung auf 0 reduziert wird (4, 15).
  • Neben einer anticholinergen Arzneimitteltherapie gibt es zahlreiche weitere Faktoren, die die individuelle Wahrscheinlichkeit für UAW beeinflussen können (4).

Grundsätzlich könnte man postulieren, dass ein hoher Score bei fraglichen anticholinergen Symptomen dafürspricht, dass es sich wirklich um therapiebedingte Symptome handeln könnte. Hat der Patient hingegen keine anticholinergen Symptome, könnte bei Anwendung einer neuen anticholinergen Substanz möglicherweise ein höheres Risiko dafür bestehen.

Bei einem hohen Punktwert sollte das Apothekenteam den Patienten gezielt nach anticholinergen Symptomen befragen. Dieser »Abgleich« mit der klinischen Situation erscheint wichtig, um bei einer Änderung der Therapie auch Aussagen über eine Veränderung des Nebenwirkungsstatus treffen zu können.

Anticholinerge Nebenwirkungen können auch anhand validierter Tests oder Fragebögen erfasst werden. Tabelle 3 gibt einen Überblick über standardisierte Werkzeuge zum Erfassen sowie typische Anzeichen von anticholinerg bedingten UAW.

Anticholinerge Nebenwirkungen Erfassen der Nebenwirkungen: standardisierte Werkzeuge Erfassen der Nebenwirkungen: Warnzeichen in der Offizin
zentrale Nebenwirkungen
Konzentrationsschwierigkeiten Trail Making Test (24)
Digit Symbol Substitution Test (25)
zunehmende Verwirrtheit
vermindertes Denkvermögen
Gangstörungen
Agitiertheit
Aggressivität
Halluzinationen
akute Wesensveränderungen
Vergesslichkeit California Verbal Learning Test (26)
Rey Complex Figure Test (27)
zunehmende Verwirrtheit
vermindertes Denkvermögen
Gangstörungen
Agitiertheit
Aggressivität
Halluzinationen
akute Wesensveränderungen
Kognitionsstörungen Short Blessed Test (28)
Global Deterioration Scale (29)
zunehmende Verwirrtheit
vermindertes Denkvermögen
Gangstörungen
Agitiertheit
Aggressivität
Halluzinationen
akute Wesensveränderungen
Delir Confusion Assessment Method (30) zunehmende Verwirrtheit
vermindertes Denkvermögen
Gangstörungen
Agitiertheit
Aggressivität
Halluzinationen
akute Wesensveränderungen
periphere Nebenwirkungen
Mundtrockenheit Spucktests zur Bestimmung der Speichelflussrate (31)
Schwammtechnik
Kau- und Schluckbeschwerden
Schleimhautverletzungen
Zahnschäden
Unterernährung
Mydriasis, Sehstörungen klinische Beurteilung Akkommodationsstörungen, verschwommenes Sehen
trockene Augen
Gangunsicherheit
Miktionsstörungen klinische Einschätzung, Memorial Symptom Assessment Scale (32) Harnverhalt
rezidivierende Harnwegsinfektionen
verminderte Magensäureproduktion klinische Einschätzung, Memorial Symptom Assessment Scale (32) Obstipation
vermindertes Schwitzen klinische Einschätzung, Memorial Symptom Assessment Scale (32) trockene Haut
Hyperthermie
Kreislaufprobleme
Tabelle 3: Überblick über wichtige anticholinerge Nebenwirkungen sowie standardisierte Werkzeuge zum Erfassen

Vier Handlungsmöglichkeiten

Bei wahrscheinlich anticholinerg bedingten UAW kann das Apothekenteam in der Regel vier Handlungsmöglichkeiten mit dem verschreibenden Hausarzt besprechen:

  • absetzen,
  • ersetzen,
  • Dosis anpassen und
  • Monitoring.

Das Absetzen oder Ersetzen von Anticholinergika erfordert selbstverständlich eine kritische Überprüfung der Indikation. Ein abruptes Absetzen ist zudem in vielen Fällen nicht zu empfehlen, da Entzugssymptome und Rebound-Effekte auftreten können, zum Beispiel Unruhe und Schlafstörungen nach Absetzen von Trizyklika wie Amitriptylin. Die geplante schrittweise Dosisreduktion bis zum Absetzen des Wirkstoffs wird auch als »Deprescribing« bezeichnet: ein geplantes Ausschleichen eines nicht (mehr) indizierten oder riskanten Arzneimittels unter professioneller Überwachung. Deprescribing von anticholinergen Wirkstoffen ist komplex, da Ausschleichschemata patientenindividuell erstellt und der Absetzversuch engmaschig pharmazeutisch-medizinisch gesichert werden sollte. Dieser Schritt liegt natürlich in der Therapiehoheit des Arztes; allerdings kann eine verstärkte interprofessionelle Zusammenarbeit im Alltag vorteilhaft sein.

Muss die Therapie bestehen bleiben, sollten möglichst risikoärmere Wirkstoffe bevorzugt werden. Idealerweise gibt es Wirkstoffe ohne anticholinerges Potenzial, aber auch schwächere Anticholinergika kommen in Betracht.

Alternativ oder zusätzlich kann der Arzt eine Dosisreduktion erwägen. Werden weiterhin Wirkstoffe mit einer hohen anticholinergen Last eingenommen, sollten die Patienten gegebenenfalls auf potenzielle Nebenwirkungen aufmerksam gemacht und dafür sensibilisiert werden. Eventuell ist es sinnvoll, Angehörige oder Pflegende einzubeziehen und auf ein Monitoring von möglichen Nebenwirkungen hinzuweisen (4).

In der Selbstmedikation zu beachten

Natürlich gibt es auch apothekenpflichtige Wirkstoffe mit anticholinergen Eigenschaften, sodass sich auch hier anticholinerge Effekte summieren können (Fallbeispiel).

Grundsätzlich sollte das Apothekenteam, insbesondere bei älteren Patienten, immer Arzneimittel mit einem geringen anticholinergen Potenzial empfehlen. Bei einer Allergie sind dies Antihistaminika der zweiten Generation. Bei gastrointestinalen Beschwerden und leichten Schlafstörungen sollten pflanzliche Präparate bevorzugt werden (16). Auch wenn der spasmolytische Wirkstoff Butylscopolamin aufgrund seiner chemischen Eigenschaften die Blut-Hirn-Schranke vermutlich nicht passieren kann und daher eher keine zentrale anticholinerge Wirkung auslöst, können periphere anticholinerge UAW auftreten (17).

Der Enkephalinase-Hemmer Racecadotril ist eine mögliche Alternative bei akuter Diarrhö für Patienten, die bezüglich anticholinerger Effekte gefährdet sind. Loperamid gilt aufgrund seiner Wirkweise als Agonist an peripheren Opioid-Rezeptoren und kann darüber anticholinerge Nebenwirkungen anderer Arzneimittel verstärken, zum Beispiel Harnretention. Tabelle 4 gibt einen Überblick über Wirkstoffe aus dem OTC-Bereich mit anticholinergen Eigenschaften und stellt Alternativen dar.

Indikation Anticholinergika stark Anticholinergika schwach Mögliche Alternativen
Allergie Clemastin, Dimetinden, Triprolidin Azelastin, Cetirizin, Ketotifen, Loratadin
Schnupfen Chlorphenamin, Doxylamin (Kombinationsarzneimittel) Oxymetazolin, Xylometazolin
gastrointestinale Beschwerden Dimenhydrinat, Diphenhydramin pflanzliche Präparate
leichte Schlafstörungen Diphenhydramin, Doxylamin pflanzliche Präparate
leichte Krämpfe im Magen-Darm-Trakt, Reizdarmsyndrom Butylscopolamin pflanzliche Präparate
akute Diarrhö Loperamid Racecadotril
Tabelle 4: OTC-Anticholinergika sowie Alternativen (16, 33)

AMTS als Kernkompetenz

Ziel der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) ist es, arzneimittelbezogene Probleme zu vermeiden, zu erkennen und zu lösen und damit den Medikationsprozess so risikoarm wie möglich zu gestalten. Der richtige Umgang mit anticholinergen Wirkstoffen ist hier ein Aspekt von vielen. Die Prävalenz der Anticholinergika-Einnahme unterstreicht die Wichtigkeit, sodass man ein Prozedere in der Offizin hierfür etablieren sollte.

Grundsätzlich wird ein Monitoring typischer Nebenwirkungen insbesondere für vulnerable Patientengruppen empfohlen. Der Apotheker kann beraten und aufklären, um bei Bedarf Patienten und/oder An- und Zugehörige zu sensibilisieren. Die Überprüfung der diagnoseabhängigen Indikation und Einleitung von weiterführenden Maßnahmen liegen zweifelsfrei beim behandelnden Arzt. Die Rollenverteilung von Apotheker und Arzt ist also klar definiert, sodass beide Berufsgruppen sich im AMTS-Prozess effektiv unterstützen und gemeinsam agieren können. Aus früheren Studien ist bekannt: Von interprofessioneller Zusammenarbeit profitieren besonders Patienten mit kritischer oder falsch eingestellter Medikation.

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