Alles hängt am Fixum |
Jennifer Evans |
26.09.2023 12:15 Uhr |
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening und ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz haben die Ergebnisse des aktuellen Apothekenklima-Indexes präsentiert. In diesem Jahr gehen viele Inhaberinnen und Inhaber davon aus, dass sich die Lage für die Branche deutlich verschlechtern wird. / Foto: ABDA
Ein seit zehn Jahren eingefrorenes Apothekenhonorar, Personalmangel und keine Planungssicherheit – das sind nur einige der Gründe, warum die Apothekeninhaberinnen und -inhaber die Zukunft für ihren Berufsstand deutlich negativer bewerten als noch im Vorjahr. So erwarten knapp 31 Prozent von ihnen eine etwas schlechtere und 52 Prozent sogar eine deutlich schlechtere Entwicklung für ihre Branche. Für die eigene Apotheke sieht der Trend ähnlich aus.
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening stellte am heutigen Dienstag die Ergebnisse des Apothekenklima-Indexes bei einer Pressekonferenz zum Auftakt des Deutschen Apothekertags (DAT) in Düsseldorf vor. Die repräsentative Bevölkerungsumfrage hat sich Overwiening zufolge »als wichtiger Seismograph« für das Stimmungsbild der Apotheken etabliert.
Dieses Mal kommt die Auswertung passend zur Halbzeit der Ampel-Koalition. Für die aktuelle Erhebung hatte das Marktforschungsinstitut IQVIA zwischen Mitte Juli und Ende August deutschlandweit rund 500 Apothekeninhaberinnen und -inhaber online befragt.
Demnach wünschen sich neun von zehn Apothekerinnen und Apotheker in den nächsten zwei bis drei Jahren bessere und vor allem stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen von der Politik. Nach Angaben von Overwiening belegt diese Forderung nicht nur einen »Spitzenwert unter allen Prioritäten«, sondern auch »einen neuen Höchstwert« im Mehrjahresvergleich.
Auch mit Blick auf die weiteren Forderungen seien die Ergebnisse eindeutig und unterstützen demnach den derzeitigen Kurs der ABDA, verschiedene Probleme »parallel anzugehen«, so Overwiening. Mehr als 80 Prozent der Befragten gaben nämlich an, dass die Erhöhung des Festzuschlags für sie oberste Priorität habe und befürworten den Ergebnissen zufolge auch weitere Protestaktionen, um dieses Ziel zu erreichen. Die ABDA wertet das als Rückendeckung für weitere Aktionen in diesem Bereich.
Es überrascht kaum, dass laut Umfrage nach wie vor auch Nachwuchssorgen ein Dauerbrenner in den deutschen Apotheken sind. Allerdings planen mit 60 Prozent nun weniger Inhaberinnen und Inhaber in den kommenden zwei bis drei Jahren neue Mitarbeiter einzustellen. Im Vorjahr hatten noch mehr als 71 Prozent von ihnen vor, ihr Team aufzustocken.
Gleichzeitig wollen gut 14 Prozent sogar pharmazeutisches Personal entlassen. Auch das sei ein »neuer Höchstwert«, bedauerte die ABDA-Präsidentin. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 hatten lediglich 5,4 Prozent davon gesprochen, Mitarbeiter zu entlassen. In den Augen von Overwiening lässt das nur einen Schluss zu: »Der betriebswirtschaftliche Kostendruck ist massiv gestiegen.« Denn eigentlich sei klar, dass die Apotheken mehr Personal benötigten, weil die Arbeitsmenge permanent zunehme. Allerdings könnten sich angesichts des Kostendrucks viele Betriebe dieses Personal offenbar nicht mehr leisten, hob sie hervor. »Eine traurige und bedenkliche Entwicklung«.
Noch dazu rechneten inzwischen rund 40 Prozent damit, dass sich niemand auf eine offene Stelle bewerbe. Bei pharmazeutisch-technischen Assistentinnen und Assistenten erwarten gut 27 Prozent keine Bewerbungen und bei den pharmazeutisch-kaufmännischen Angestellten sind gut 28 Prozent sicher, auf eine Stellenausschreibung keine Rückmeldung zu erhalten.
Was sorgt aber für den meisten Stress und Ärger im Apothekenalltag? Auch darin waren sich viele Apothekeninhaberinnen und -inhaber einig: Bürokratie, Lieferengpässe, Retaxationen. Aus Sicht der Meinungsforscher sind damit honorarbezogene Themen ganz oben angekommen. Für Motivation dagegen sorgt laut Umfrage vor allem der persönliche Kontakt zu den Patientinnen und Patienten sowie die Arbeit im Apothekenteam. Das zeige, wie bedeutsam das menschliche Miteinander für den Beruf sei, so Overwiening.
Durch Erleichterungen der Austauschregeln bei Lieferengpässen, Entlastung bei der Präqualifizierung sowie bei ungerechtfertigten Retaxationen, die mit dem Arzneimittel-Lieferengpass-Bekämpfungs- und Versorgungsverbesserungs-Gesetz (ALBVVG) kamen, sehen gut 80 Prozent der Befragten immerhin einen Schritt in die richtige Richtung.
Um den Druck weiter zu erhöhen und auf die Dringlichkeit der Probleme des Berufsstands hinzuweisen, habe die ABDA Anfang September sechs Fragen an Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) geschickt, betonte Overwiening in diesem Zusammenhang noch einmal. Antworten erhofft sie sich, wenn der Minister am morgigen Mittwochnachmittag beim DAT live zuschaltet ist. Die persönliche Teilnahme bei der Eröffnungsveranstaltung hatte er jedoch in diesem Jahr erneut abgesagt. »Wertschätzung sieht anders aus«, bemerkte Overwiening. Ebenfalls habe er zuletzt sechs Terminvorschläge für ein Treffen mit der Standesvertretung in Berlin ausgeschlagen.
Die wichtigste Frage an Lauterbach dreht sich natürlich um die Erhöhung des Apothekenhonorars. Die Apothekerschaft fordert 12 Euro pro verordnetem Medikament, wie die ADBA-Präsidentin bei dieser Gelegenheit noch einmal wiederholte. Das entspreche 2,7 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich. Derzeit erhielten die Apotheken »aus den Töpfen der Krankenkassen 5,76 Milliarden Euro«, 2 Prozent der Gesamtausgaben. Da allein die Inflationsrate der vergangenen zehn Jahre bei 38 Prozent liege, sei sogar eine Honorarsteigerung um 3 Euro pro Packung nachvollziehbar, rechnete sie vor.
Eine verantwortungsvolle Gesundheitspolitik nimmt nach Auffassung von Overwiening die Anliegen der Apotheken ernst. »Wir werden morgen ganz genau zuhören«, sagte sie in Richtung Karl Lauterbach.