ALBVVG verwaltet nur den Mangel |
Diskutierten über das Lieferengpass-Gesetz (von links): Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz von der Uni Frankfurt, DAV-Chef Hans-Peter Hubmann, Andrea Schmitz vom BAH, PZ-Chefredakteur Alexander Müller, Prof. Martin Hug vom Uniklinikum Freiburg und Ulrich Laut von der LAK Hessen. / Foto: PZ/Alois Mueller
Seit dem 27. Juli ist das Arzneimittel-Lieferengpass-Bekämpfungs- und Versorgungsverbesserungs-Gesetz (ALBVVG) in Kraft. Hält das Gesetz, was es verspricht? Wie sieht die Realität aus? Darüber diskutierten bei der Veranstaltung »PZ Nachgefragt« Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Ulrich Laut von der Landesapothekerkammer (LAK) Hessen, Professor Martin Hug vom Universitätsklinikum Freiburg, Andrea Schmitz vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und Professor Manfred Schubert Zsilavecz von der Universität Frankfurt am Main. PZ-Chefredakteur Alexander Müller moderierte die Diskussion.
Laut fasste zu Beginn der Veranstaltung wichtige Regelungen des Gesetzes zusammen, die die Apotheken betreffen. So erhalten die Teams in den Offizinen bei nicht verfügbaren Arzneimitteln mehr Austauschfreiheiten. Außerdem sieht das Gesetz den Ausschluss von Nullretaxationen, den Wegfall der Präqualifizierung bei apothekenüblichen Hilfsmitteln sowie Bevorratungspflichten vor. Zudem bekommen die Apothekenteams eine Engpass-Vergütung von 50 Cent pro Arzneimittelaustausch.
Laut kritisierte, dass das Gesetz sehr kompliziert sei. Dadurch werde beispielsweise das Ziel, bei nicht verfügbaren Arzneimitteln den Austausch zu erleichtern, konterkariert. Zudem trete fast jede Regelung zu einem anderen Zeitpunkt in Kraft. »Sie brauchen einen Juristen in der Apotheke, um das umzusetzen«, sagte er. Die Lieferengpass-Pauschale sei zwar dem Grunde nach eine gute Idee, aber viel zu gering. Aus Sicht des Juristen wird das Gesetz seinem Anspruch, Lieferengpässe zu verhindern, nicht gerecht. »Es ist kein Problemlösungs-, sondern ein Arzneimittel-Mangel-Verwaltungs-Versuchs-Gesetz«, brachte er es auf den Punkt.
Hubmann beklagte, dass die Apothekenteams die vereinfachten Austauschregeln derzeit nicht rechtssicher anwenden könnten. Grund dafür sei, dass sich der DAV mit dem GKV-Spitzenverband wegen unterschiedlicher Rechtsauffassungen noch nicht über die Auslegung der gelockerten Regeln einigen konnte. Der Kassenverband lege die Regeln sehr eng aus. Der DAV habe deshalb kürzlich einen Brief ans Bundesgesundheitsministerium geschrieben und um Rechtsauskunft gebeten. Aus diesem Grund sei es für die Teams zurzeit schwierig, Arzneimittel schnell zu beschaffen, da sie dann Retaxationen befürchten müssten. Hubmann kritisierte die »Blockadehaltung« des GKV-Spitzenverbandes. Auch zum Wegfall der Präqualifizierung werde es noch Verhandlungen mit dem Kassenverband geben. »Ich hoffe, dass wir nicht ins Schiedsverfahren müssen«, sagte Hubmann.
Die Situation im Krankenhaus schilderte Hug, Direktor der Klinikumsapotheke des Uniklinikums Freiburg. Auch bei den Krankenhausapothekern habe das neue Gesetz die Versorgung nicht verbessert. Hug kritisierte die erhöhten Bevorratungsverpflichtungen. Es sei sehr schwierig, bei den Pharmaherstellern genügend Medikamente zu bekommen. Zudem fehlten diese dann an anderer Stelle. Wichtiger sei, das Frühwarnsystem weiter zu verbessern. »Wir brauchen eine frühere Ankündigung, dass es bei bestimmten Produkten einen Engpass geben wird«, forderte Hug.
Kritisch äußerte sich auch Schmitz. Durch die Pflicht, Arzneimittel länger zu bevorraten, verschlimmere das Gesetz das Engpass-Problem sogar noch. »Das ist kontraproduktiv«, sagte sie. Zudem koste die Bevorratung viel Geld. Ob die Hersteller im kommenden Winter genügend Medikamente liefern könnten, sei unklar: »Das ist wie ein Blick in die Kristallkugel«. Die BAH-Expertin hält es nicht für realistisch, Generika wieder in größerem Stil in Europa herzustellen. Es gebe zu viele Probleme, die das verhinderten. Wegen bürokratischer Auflagen werde der Aufbau von Produktionsstätten Jahre dauern und die Suche nach Standorten sei ebenfalls schwierig.
»Der Generikamarkt ist kaputt gespart worden. Die Preise sind zu niedrig«, beschrieb Schubert-Zsilavecz die Problematik. Er warnte davor, bei patentgeschützten Arzneimitteln die »gleichen Fehler« zu machen. Dann bestehe das Risiko, dass auch diese Arzneimittel nicht mehr verfügbar seien. Er forderte einen globalen Ansatz, um das Problem der Lieferengpässe in den Griff zu bekommen. Generell müsse man sich von der »Vorstellung verabschieden, dass es möglich sein wird, alles zurückzuholen«, so Schubert-Zsilavecz.