ALBVVG: Apotheker fordern Machtwort des BMG |
Alexander Müller |
20.09.2023 09:00 Uhr |
Der Deutsche Apothekerverband (DAV) wünscht sich bei den neuen Austauschregeln ein Machtwort aus dem Bundesgesundheitsministerium. / Foto: picture alliance / CHROMORANGE
Seit Inkrafttreten des ALBVVG am 27. Juli 2023 haben die Apotheken bei der Abgabe mehr Freiheiten, wenn ein Arzneimittel nicht verfügbar ist. Laut Gesetz dürfen sie in diesem Fall ohne Rücksprache mit dem Arzt von der Verordnung abweichen, solange die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird. Zulässig ist demnach eine Abweichung von der Packungsgröße und -anzahl und der Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen sowie die Abgabe von Teilmengen.
Doch in Gesprächen mit dem GKV-Spitzenverband habe sich bedauerlicherweise gezeigt, dass dieser die Neuregelungen in entscheidenden Punkten anders interpretiere, beklagt der DAV in einem Brief ab das BMG, der der PZ vorliegt. Aufgrund der unterschiedlichen Auslegung müssten die Apotheken jetzt befürchten, von den Krankenkassen retaxiert zu werden. »Dies steht den mit dem Gesetz angestrebten Erleichterungen und Rechtssicherheit schaffenden Regelungen entgegen«, kritisiert der DAV, der sich daher ausnahmsweise eine »Auslegungshilfe« vom BMG erbittet.
In der folgenden Auflistung wird deutlich, dass nicht kleine Detailfrage betroffen sind, sondern Kassen- und Apothekerverband quasi in allen wesentlichen Aspekten der Neuregelung entgegengesetzter Auffassung sind – von den Vorgaben zur Austauschpflicht, über den zeitlichen Beginn des Retaxationsausschlusses, bis hin zum Bezugspunkt der Zuschlagsregelung für die 50 Cent Lieferengpass-Pauschale und die Berechnung von Teilmengen.
Der erste Satz im neu gefassten § 129 Absatz 2a SGB V lautet: »Abweichend von Absatz 1 Satz 1 bis 5 und 8 und dem Rahmenvertrag nach Absatz 2 können Apotheken bei Nichtverfügbarkeit eines nach Maßgabe des Rahmenvertrags nach Absatz 2 abzugebenden Arzneimittels dieses gegen ein verfügbares wirkstoffgleiches Arzneimittel austauschen.«
Nach der Auffassung des DAV muss die Apotheke demnach zunächst immer prüfen, welches Arzneimittel laut Rahmenvertrag abgegeben müsste. Ist dieses nicht verfügbar, ist sie in der Abgabe frei. Auch bei mehreren Rabattarzneimitteln habe die Apotheke lediglich eines dieser Arzneimittel auf Verfügbarkeit hin zu prüfen. Das entspreche dem Wortlaut der Neuregelung und ist aus Sicht der DAV auch der eigentliche Sinn der Erleichterung.
Der GKV-Spitzenverband vertrete jedoch die Auffassung, dass weiterhin alle Stufen der Abgabereihenfolge des Rahmenvertrags durchlaufen werden müssten. Die Apotheke muss demnach zunächst die Verfügbarkeit sämtlicher Rabattarzneimittel durch Abfragen bei zwei Großhändlern prüfen und auf der zweiten Prüfstufe auch noch die vier preisgünstigsten Arzneimittel. »Dies hieße, dass die Neuregelung im Ergebnis keinerlei Änderung an der bisherigen Rechtslage laut Rahmenvertrag bewirken würde«, so die Kritik des DAV.
Der GKV-Spitzenverband bleibe jedoch trotz mehrfacher Gespräche bei seiner Position und beharre auf die Abgabereihenfolge des Rahmenvertrags. Der DAV hält das für »verfehlte Rechtsmeinung« und bittet das BMG, »die aus unserer Sicht klare Bedeutung des Regelungsinhalts zu bestätigen, wie es der Wortlaut und vor allem der Sinn und Zweck der Vorschrift in sich tragen«.
In § 129 Absatz 4d werden Retaxationen unter den neu geregelten Abgabebedingungen ausgeschlossen. Im Wortlaut unterscheide der Gesetzgeber dabei zwischen »Beanstandung« und »Retaxation«. Aus Sicht des DAV kann das nur bedeuten, dass auch alle noch laufenden Retax-Verfahren erfasst sind, unabhängig vom Zeitpunkt der Arzneimittelabgabe oder dem Beginn des Beanstandungsverfahrens. Der GKV-Spitzenverband wolle dagegen nur Fälle erfasst wissen, die nach dem Inkrafttreten der Neuregelung angefallen sind.
Der DAV sieht daher die Gefahr, dass eine Vielzahl potenzieller Retaxationen aus dem Anwendungsbereich fallen könnten und bittet auch in diesem Punkt um eine Auslegung des BMG.
Laut ALBVVG erhalten Apotheken im Fall des Austauschs eines nicht verfügbaren Arzneimittels einen Zuschlag in Höhe von 50 Cent plus Umsatzsteuer. Hier streiten DAV und GKV-Spitzenverband über die Anwendung von mehreren Arzneimitteln in einer Verordnungszeile. Die Apothekerseite verweist auf den Wortlaut und verlangt für den Austausch »eines verordneten Arzneimittels« den Zuschlag pro ausgetauschter Packung. Der GKV-Spitzenverband sieht demgegenüber nur die Gewährung eines einzigen Zuschlags je Verordnungszelle als rechtmäßig an.
Die um einen Satz erweiterte Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sieht vor, dass die Apotheken auch bei der Abgabe von Teilmengen aus einer größeren Packung die kleinste im Markt befindliche Packung abrechnen müssen. Dies könne aber zu der absurden Konstellation führen, dass die berechnungsfähige Menge geringer sein kann als die verordnete und abgegebene Menge. Beispiel: Verordnet sind 50 Stück, die kleinste im Handel befindliche Packung sind 20 Stück, verfügbar ist nur die Packung mit 100 Stück. Nach dem Wortlaut müsste die Apotheke der 100er-Packung die verordnete Menge von 50 Stück entnehmen, dürfte aber nur 20 Stück berechnen. Das könne so nicht gewollt sein, betont der DAV und bittet auch hier das BMG um eine Klarstellung.