»Alarmierender« Lieferengpass bei HIV-PrEP |
Annette Rößler |
07.12.2023 13:00 Uhr |
Zurzeit ist die Wirkstoffkombination Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil (Truvada® und Generika) nicht lieferbar. / Foto: Getty Images/YakubovAlim
Großhandel und Apotheken könnten zurzeit keine Vorräte mehr mit der Wirkstoffkombination anlegen, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Deutschen Aids-Gesellschaft (DAIG) und der Deutschen Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (DAGNÄ). Es werde berichtet, »dass dieser Zustand zumindest bis in den Januar 2024 anhalten dürfte«. Das sei alarmierend, denn Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil ist die einzige Wirkstoffkombination zur HIV-PrEP auf dem deutschen Markt. Schätzungsweise 39.000 Menschen nutzen diese zurzeit, um sich vor einer HIV-Infektion zu schützen.
Die beiden Verbände verweisen auf die Engpassliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Dort haben momentan drei Hersteller einen Lieferengpass gemeldet, nämlich Heumann, Hormosan und Ratiopharm (Zugriff am 7. Dezember 2023). Als Ursachen werden Produktionsprobleme beziehungsweise »Sonstiges« angegeben, als voraussichtliches Ende des Engpasses werden der 31. Dezember 2023, der 31. März 2024 und der 31. Januar 2024 genannt.
DAIG und DAGNÄ warnen vor einem möglichen Anstieg der HIV-Infektionszahlen, sollte die PrEP weiter nicht verfügbar sein, und weisen zudem darauf hin, dass Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil zusammen mit einem dritten Wirkstoff auch von vielen Patienten mit HIV-Infektion angewendet wird. Fielen zwei der drei Wirkstoffe weg, drohe eine Resistenzentwicklung. Alternativ müssten Patienten auf andere Wirkstoffe umgestellt werden, was teurer und unter Umständen mit mehr Nebenwirkungen verbunden sei.
Die beiden Verbände fordern von der Bundesregierung politische Reformen, um das strukturelle Problem der Nichtlieferfähigkeit von Medikamenten zu lösen.
Das BfArM kann derzeit anhand seiner Daten keine kritische Versorgungslage erkennen. »Insgesamt zeichnet sich ein stabiles Bild der Versorgung«, teilte die Behörde der PZ als Reaktion auf die Veröffentlichung dieses Artikels mit. In den vergangenen Wochen sei zwar eine Packungsgröße des Kombinationspräparats nur eingeschränkt verfügbar gewesen. Dies habe aber durch eine andere (kleinere) Packungsgröße vollständig kompensiert werden können. Anknüpfend an die Meldungen der Fachgesellschaften habe das BfArM mit allen Zulassungsinhabern der relevanten Wirkstoffkombination Kontakt aufgenommen und beobachte die weitere Entwicklung der Verfügbarkeit engmaschig.