Aktionsbündnis: Lauterbach leugnet Notlage |
Die Verantwortung für die kontinuierliche Verfügbarkeit und Verteilung von Medikamenten liegt primär bei den Pharmaherstellern, erklärt das Aktionsbündnis Patientenversorgung. / Foto: imago/Westend61
Bereits Anfang der Woche beklagte Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR), bestehende Engpässe bei verschiedenen Arzneimitteln und kritisierte, dass ein Ende der Lieferprobleme nicht absehbar sei.
Nun warnt auch das Aktionsbündnis Patientenversorgung, bestehend aus dem Apothekerverband Nordrhein, dem Hausärztinnen- und Hausärzteverband Nordrhein, dem Verband medizinischer Fachberufe und dem Freien Verband Deutscher Zahnärzte, vor einer sich weiter verschärfenden Versorgungslücke.
Der Versorgungsnotstand sei bisher nur vermieden worden, weil Apotheken und Arztpraxen vor Ort in enger Abstimmung die Verfügbarkeit der benötigten Medikamente klären und die immer größer werdenden Versorgungslücken durch Alternativen schließen, heißt es in einer Pressemitteilung.
Allerdings müssten die Hersteller stärker in die gesamtgesellschaftliche Verantwortung genommen werden. Ihre Rolle sei entscheidend für die Gewährleistung einer zuverlässigen, sicheren und effektiven medizinischen Versorgung.
Die Verantwortung für die kontinuierliche Verfügbarkeit und Verteilung von Medikamenten liege primär bei den Pharmaherstellern. Sie müssten sicherstellen, dass ihre Produkte zuverlässig produziert und geliefert werden. »Apotheken, Hausarztpraxen und Zahnarztpraxen haben die Verpflichtung, die bestmögliche medizinische Versorgung für die Patienten zu gewährleisten. Sie können weder Lückenbüßer für Pharmahersteller, die Lieferverpflichtungen nicht nachkommen, noch für eine verfehlte Bundesgesundheitspolitik sein.«
»Nach wie vor sind über 500 verschreibungspflichtige Medikamente nicht vorrätig oder nur mit Verzug lieferbar. Antibiotika, Antidepressiva, Asthma-Mittel, Insulin, Herz- und Krebsmedikamente, Schmerzmittel – die Liste der nicht verfügbaren Wirkstoffe steigt«, heißt es in der Mitteilung.
Hauptgründe seien Produktionsausfälle und Lieferschwierigkeiten. Für Apotheken sowie Hausarzt- und Zahnarztpraxen bedeute dies Mehraufwand, der besonders in Zeiten hoher Infektionszahlen und vollen Wartezimmern eine zusätzliche Belastung für die Mitarbeitenden erbringt.
Sei das verschriebene Medikament eines bestimmten Herstellers nicht vorrätig, müsse mit den Patientinnen und Patienten eine neue Medikation besprochen werden. Die Umstellung auf Präparate mit ähnlichen Wirk-stoffen sei immer mit einer Beratung verbunden. Oft müssten Therapiepläne geändert werden, da die Wechselwirkungen der Medikamente weitere Umstellungen in der Medikation notwendig machen. Die Patienten würden zwar Verständnis zeigen, wenn ihr gewohntes Medikament nicht verfügbar sei. Problematisch seien jedoch Medikamente, für die es wenig Alternativen gebe.
»Die Lieferengpässe von Arzneimitteln sind eine bittere Realität in der täglichen Versorgung unserer Patienten. Die andauernden Beschwichtigungen aus dem Bundesgesundheitsministerium und auch von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach selber zeigen, wie fernab von der Versorgungswirklichkeit dort Gesundheitspolitik betrieben wird«, kritisiert das Bündnis.
Lauterbachs Aussage in der »Bild«-Zeitung vom gestrigen Mittwoch, die Lieferengpässen hätten sich im Vergleich zum Vorjahr halbiert, entspreche nicht den Tatsachen. »Alle am Versorgungsprozess Beteiligten wissen das und die Patienten erleben es tagtäglich millionenfach. Nur vom Bundesgesundheitsminister wird das geleugnet. Das ist unverantwortlich und ein Schlag ins Gesicht der betroffenen Patienten und der Heilberufe Ärztin/Arzt und Apothekerin/Apotheker«, stellt das Aktionsbündnis klar.
Neben der Wirkungslosigkeit der politischen Maßnahmen der Bundesregierung bestehe ein weiterer Grund für die Engpässe bei Medikamenten in der ausschließlich auf größtmöglichen Ertrag angelegten Forschung und Produktion der Hersteller und die Verlagerung der Herstellung ins Ausland. »Die Bereitstellung von ausreichend vielen Medikamenten, die nicht mehr patentiert sind und daher niedrige Preise haben, scheint zugunsten profitabler Arzneimittel vernachlässigt zu werden. Nur wirtschaftlich geprägte Interessen der Pharmahersteller gehen zulasten der Patientenversorgung.«