Aidshilfe findet bundesweit Fentanyl in Heroin-Proben |
Fentanyl wirkt etwa hundertmal stärker als Heroin. Schon kleinste Beimischungen in gestrecktem Heroin können so den unwissenden Konsumierenden in Lebensgefahr bringen. / Foto: Getty Images/asiandelight
In Nordamerika haben stark wirksame synthetische Opioide Heroin schon fast vollständig verdrängt, berichtet die Deutsche Aidshilfe. Doch dort wüssten die Konsumenten jedoch immerhin in der Regel, was sie konsumieren. Denn Fentanyl, Nitazene und andere Substanzen wirken deutlich stärker als herkömmliches Heroin. »Während bei Heroin 200 Milligramm tödlich wirken, sind es bei Fentanyl schon 2 Milligramm«, erklärt die Aidshilfe. »Wenn Konsumierende nichts von der Beimengung wissen, sind sie daher in Lebensgefahr.«
In Deutschland starben im Jahr 2022 nachweislich 83 Menschen unter Einwirkung synthetischer Opioide (Vorjahr: 102), schreibt die Deutsche Aidshilfe. »Die wirkliche Zahl dürfte höher liegen, da bei drogenbedingten Todesfällen meist keine toxikologischen Gutachten erstellt werden.« Insgesamt waren es fast 2000 Menschen, die durch den Missbrauch illegaler Drogen starben, darunter Heroin, Morphin, Methadon oder der bewusste Konsum von Fentanyl.
Die Deutsche Aidshilfe hat nun im Modellprojekt RaFT in 17 Drogenkonsumräumen bundesweit Schnelltests auf Fentanyl angeboten. 70 Prozent der Konsumierenden nahmen das Angebot an, ihre Substanzen untersuchen zu lassen. Dafür reichen winzigste Mengen wie ein Abstrich vom Verpackungsmaterial. 1401 Heroin-Proben wurden getestet.
Das Ergebnis: In 3,6 Prozent der Fälle fand sich eine Fentanyl-Beimengung; der Großteil davon in Hamburg, Düsseldorf und Münster. Doch auch in Berlin, Frankfurt, Hannover und Wuppertal habe es einige wenige positive Testergebnisse gegeben. Es handelt sich allerdings um einen rein qualitativen Schnelltest, der keine Aussage über die Menge der Verunreinigung macht. Vergangenen Dezember seien in München sogar Heroin-Proben sichergestellt worden, die Carfentanyl enthielten, was noch einmal stärker wirkt.
»Synthetische Opioide sind in Deutschland angekommen«, stellt Winfried Holz von der Deutschen Aidshilfe fest. »Es ist nun höchste Wachsamkeit geboten. Internationale Erfahrungen zeigen: Viele Menschen könnten so ihr Leben verlieren. Die Bundesländer sowie die Kommunen müssen jetzt dafür sorgen, dass Drogenhilfeeinrichtungen und Konsumierende vorbereitet sind!«
»Das Bundesmodellprojekt spricht dafür, das Schnelltestangebot auszuweiten und flächendeckend zu implementieren«, sagt RaFT-Projektleiterin Maria Kuban. »Testangebote auf Beimengungen eröffnen in der Drogenhilfe nicht zuletzt die Möglichkeit, eine Beratung zum Thema anzubieten, sodass die Konsumierenden auf Basis von Fakten eine Entscheidung treffen können. Risiken lassen sich so reduzieren.«
Die Aidshilfe fordert auch die breitere Bereitstellung von Naloxon als Notfallmedikament bei Überdosierungen für potenzielle Ersthelfende wie Rettungsdienste, Mitarbeitende der Drogenhilfe und Polizei, aber auch für die Konsumierenden selbst. Das Bundesmodellprojekt NALtrain habe dafür bereits die Grundlagen gelegt. Naloxon sollte darüber hinaus auch in Drogenkonsumräumen zur Standardausrüstung gehören, genau wie Schnelltests auf Fentanyl-Beimischungen. Es brauche grundsätzlich mehr Drogenkonsumräume und dort längere Öffnungszeiten.
Die Konsumierenden sollten besser aufgeklärt werden und wissen, dass sie am besten erst nur eine kleine Menge konsumieren (Dosis-Splitting), um die Wirkkraft zu testen. Nach einer Beratung vor Ort sollten ihnen auch die Fentanyl-Schnelltests mitgegeben werden dürfen. Die rechtliche Situation erlaube diese Tests bereits. »Darüber hinaus brauchen wir Drug-Checking-Angebote auch für Menschen, die Drogen im Nachtleben konsumieren«, fordert die Aidshilfe. »Dafür müssen die Bundesländer die rechtlichen Voraussetzungen schaffen.« Bisher seien nur Berlin und Thüringen entsprechende Schritte gegangen.