AfD scheitert vorm Verfassungsgericht |
Das Verfassungsgericht entschied im Streit um den Vorsitz von Bundestagsausschüssen gegen die AfD. / Foto: IMAGO/U. J. Alexander
Schlappe für die AfD beim Bundesverfassungsgericht: Die Partei scheitert mit zwei Organklagen, ihr Recht auf Vorsitzposten in Bundestagsausschüssen feststellen zu lassen. Wahlen zur Bestimmung der Ausschussvorsitze und die Abwahl vom Vorsitz des Rechtsausschusses bewegten sich im Rahmen der dem Bundestag zustehenden Geschäftsordnungsautonomie, erklärte die Vorsitzende Richterin des Zweiten Senats, Doris König. Die Entscheidung des Senats erging einstimmig.
In der aktuellen Legislaturperiode hatten Kandidaten der AfD bei Wahlen zum Vorsitz von drei Bundestagsausschüssen die erforderliche Mehrheit verpasst. Die Fraktion hat daher keinen Ausschussvorsitz inne – obwohl ihr nach der Stärke ihrer Fraktion drei zustehen würden.
Die AfD sah ihre Rechte auf Gleichbehandlung als Fraktion, auf effektive Opposition und auf faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages verletzt und wandte sich mit einer Organklage an den Senat in Karlsruhe (Az. 2 BvE 10/21).
Bundestagsausschüsse werden in jeder Wahlperiode neu benannt und besetzt. Welche Fraktion welchem Ausschuss vorsitzt, wird eigentlich im Ältestenrat ausgehandelt. Gibt es – wie nach der Bundestagswahl im September 2021 – keine Einigung, wird aus der Stärke der Fraktionen eine Zugriffsreihenfolge berechnet. An die AfD waren in dieser Legislaturperiode so der Innen- und der Gesundheitsausschuss sowie der Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit gefallen. Weil es Widerspruch gab, wurde gewählt.
Entsprechend gab es am 15. Dezember 2021 in allen drei Ausschüssen geheime Wahlen – und alle drei AfD-Kandidaten verfehlten die erforderliche Mehrheit deutlich. Ein zweiter Anlauf am 12. Januar 2022 endete mit dem gleichen Ergebnis. Bisher leiten die stellvertretenden Vorsitzenden die betroffenen Ausschüsse.
Die Partei reagierte nicht nur mit einer Klage, sondern auch mit scharfem Protest. Im März sorgte Kay-Uwe Ziegler für einen Eklat im Gesundheitsausschuss. Der Bundestagsabgeordnete setzte sich auf den Platz des Ausschussvorsitzenden, tauschte das Namensschild und reklamierte den Vorsitz für sich. Trotz mehrfacher Aufforderungen weigerte sich Ziegler zunächst, den Platz zu verlassen.
Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Martin Sichert, verteidigte die Aktion und erklärte: »Wir verurteilen diese destruktive Haltung der anderen Fraktionen, da uns durch dieses Verhalten verunmöglicht wird, die uns gemäß Geschäftsordnung des Bundestags und Vereinbarungen im Ältestenrat zustehenden Ausschussvorsitze mit Leben zu füllen.« Für Ziegler wurde der Eklat teuer, er musste aufgrund »einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Hausordnung des Bundestages« ein Ordnungsgeld von 1000 Euro zahlen.
Die Fraktionen seien zwar gleich und entsprechend ihrer Stärke zu behandeln, betonte die Vorsitzende Richterin König bei der Urteilsverkündung. Die Mitwirkungsbefugnis erstrecke sich dabei auch auf die Bundestagsausschüsse – es müsse daher grundsätzlich jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein. Dieser Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gelte aber nicht für Gremien und Funktionen lediglich organisatorischer Art, erläuterte König. Ein solcher sei der Ausschussvorsitz.
Der stellvertretende Vorsitzende des Entwicklungsausschusses, Christoph Hoffmann, sagte nach dem Urteil, gerade in dem von ihm geleiteten Ausschuss wäre eine Besetzung mit einem Vorsitzenden aus der AfD »unseren Partnern im globalen Süden nur schwer erklärbar«. Die Entwicklungszusammenarbeit sei eine Art Visitenkarte Deutschlands. »Wenn diese Visitenkarte einen Politiker mit völkischen oder rassistischen Tendenzen ausweist, wäre das mehr als problematisch, ja schädlich für unser Land.«
Mit entschieden wurde am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auch über eine Klage der AfD gegen die Abwahl des damaligen Rechtsausschuss-Vorsitzenden, Stephan Brandner, im November 2019 (Az. 2 BvE 1/20). Nach mehreren Eklats hatten damals in der letzten Legislaturperiode alle Ausschussmitglieder mit Ausnahme der AfD-Abgeordneten für dessen Abberufung gestimmt – ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Bundestages.
Die Klage gegen die Abwahl hatte am Mittwoch ebenfalls keinen Erfolg. Dass der Ausschuss selbst für eine etwaige Abwahl zuständig war, sei vertretbar, urteilte der Senat. Sie sei zudem nicht willkürlich erfolgt. Vor dem Hintergrund einer Reihe von Vorfällen hätte die Mehrheit der Ausschussmitglieder das Vertrauen in den Vorsitzenden und seine Fähigkeiten verloren, sodass eine effektive Zusammenarbeit im Ausschuss aus ihrer Sicht nicht mehr möglich gewesen sei.
Brandner sprach nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe von einem »schwarzen Tag für den Parlamentarismus«. Die Rechte der Opposition würden dadurch massiv geschwächt. Die Mehrheit könne diktieren. Brandner sprach von einem Pyrrhussieg: »Mehrheiten können sich ändern.«
Vor dem Urteil hatte sich der AfD-Politiker im Foyer des Gerichts mit Zehntklässlern eines Gymnasiums aus dem rheinland-pfälzischen Germersheim unterhalten. Er gehe nicht von einem Erfolg aus, sagte er da bereits. Falls doch, würde er jedem Schüler ein Eis spendieren. Daraus wurde nichts.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, kündigte an, dass die Regierungsfraktionen eine Präzisierung der Geschäftsordnung des Bundestags vorschlagen würden. »Danach sollen künftig sowohl die Vorsitzenden von Ausschüssen, aber auch die Schriftführer im Präsidium des Deutschen Bundestages nach klaren Regeln abgewählt werden können.« Er sprach nach dem Urteil von einem guten Tag für den Parlamentarismus.
Alle vier Jahre wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Wir berichten mit Blick auf die Gesundheitspolitik und die Auswirkungen für die Apotheken.