Ärzte zerpflücken Apothekenreform |
| Cornelia Dölger |
| 30.10.2025 16:04 Uhr |
Mit den Reformplänen drohe »eine Aushöhlung ärztlicher Kompetenzen, eine Schwächung der Patientensicherheit und eine weitere Zersplitterung des Gesundheitswesens«, meint die KBV. / © IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Die Reformpläne hätten sich zum Ziel gesetzt, die Apotheken zu stärken. Tatsächlich aber drohe »eine Aushöhlung ärztlicher Kompetenzen, eine Schwächung der Patientensicherheit und eine weitere Zersplitterung des Gesundheitswesens«, heißt es in dem Papier der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Die »unkoordiniert stattfindende Übernahme von originär ärztlichen Aufgaben durch Apotheker ohne entsprechende Ausbildung« konterkariere die geplante Patientensteuerung, gefährde die Patientensicherheit und belaste die Arztpraxen. Die Gesundheitsversorgung würde nicht verbessert.
So führe der geplante erleichterte Austausch von Rabattpräparaten zu Mehrkosten für die GKV, da nicht geregelt sei, »wie mit den entstehenden Mehrkosten bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Ärzte umzugehen ist«. Ärzte dürften nicht für eine unwirtschaftliche Abgabe in den Apotheken haftbar gemacht werden. Die bestehenden Vorgaben zur wirtschaftlichen Abgabe würden ausgehöhlt. Daher sei »eine verpflichtende Regelung einerseits zu einer entsprechenden Kennzeichnung dieser Rezepte in der Apotheke und andererseits zu einer entsprechenden Berücksichtigung in einer eventuellen Wirtschaftlichkeitsprüfung« aufzunehmen.
Die Pläne, Nullretaxationen bei Formfehlern abzuschaffen, wollen die Ärzte auf ihr Sujet erweitern. So solle den Kassen auch der Regress aufgrund von Formfehlern beim Ausstellen von Rezepten verwehrt werden.
Zu den pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL), die um Maßnahmen zur Prävention und Früherkennung erweitert werden sollen, kommentiert die KBV, dass die Erweiterung einen »Verstoß gegen den Arztvorbehalt für die Ausübung von Heilkunde« darstelle. Apotheker seien dafür nicht ausgebildet. »Dies lehnt die KBV ab.« Zudem blieben Fragen etwa zur vorgesehenen Verschreibung der pDL offen. Parameter sowie Qualitätskriterien für die pDL seien ebenso wenig definiert.
So bleibe offen, was mit »Messungen« zu Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus gemeint sei. Die KBV befürchtet: »Hier besteht die große Gefahr einer ungerechtfertigten Leistungsausweitung durch nicht evidenzbasiertes anlassloses Testen ohne Koordination mit der Arztpraxis.« Mehr Beratungs- und Kontrollaufwand in den Praxen seien die Folge. Dass die Bundesapothekerkammer (BAK) binnen zwei Monaten evidenzbasierte Standardarbeitsanweisungen entwickeln soll, sei »unrealistisch«.
Gegen die geplanten Impfungen mit Totimpfstoffen hegt die KBV »erhebliche verfassungsrechtliche, weitere rechtliche sowie fachliche Bedenken«. Zum einen sieht sie auch hier einen »Verstoß gegen den Arztvorbehalt«, zu dem der Gesetzgeber keine Ausnahmen bestimmen dürfe. Weil sich ärztliche und apothekerliche Berufsordnungen unterschieden, drohe mithin eine bundesweit uneinheitliche Versorgungsstruktur beim Impfen.
Zudem sei fraglich, ob mit dem Angebot tatsächlich die Impfraten gesteigert werden könnten, denn die geplante PTA-Vertretung schränke das Angebot wieder ein, da Impfen Approbierten vorbehalten sei, die mit der Neuregelung aber nicht ständig anwesend sein müssten. Durch das »flächendeckende, wohnortnahe Netz von 100.000 Arztpraxen« bestehe im Übrigen derzeit bereits ein ausreichender und niederschwelliger Zugang zu Impfberatungen und Impfungen.
Dass Ärzte im Rahmen der Heimversorgung Rezepte unmittelbar an die heimversorgenden Apotheken übermitteln dürfen, begrüßt die KBV. Damit würden »Medienbrüche und Zusatzaufwände« vermieden. Die Regelung greife aber nur im Fall von Heimversorgungsverträgen und lasse weitere Szenarien aus. Daher sei der mittelfristig geplante Zugriff der Pflegedienste und Pflegeheime auf den E-Rezept-Fachdienst am Ende die anzustrebende Lösung.
Rx-Abgabe ohne vorliegendes Rezept bei Dauertherapien von chronisch Kranken und bei unkomplizierten Akuterkrankungen – darin sehen die Ärzte »einen Bruch mit der ärztlichen Therapieverantwortung und dem Grundsatz des Arztvorbehalts«. Voraussetzung für die Abgabe müsse eine ärztliche Diagnose bleiben, die ohne Untersuchung und differenzialdiagnostische Abklärung nicht möglich sei. Man sehe hier mithin »erhebliche rechtliche sowie fachliche Bedenken«.
»Ohne Not« werde zudem die Trennung zwischen Verordnung und Abgabe aufgehoben, die juristisch gleich mehrfach abgesichert sei. Dies führe »zu doppelten Fehlanreizen«. Apotheker hätten dadurch »ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse, eine Verordnung zu ersetzen«. Zudem entstünde »ein Risiko der unsachgemäßen oder übermäßigen Abgabe, beispielsweise bei falsch gedeuteten Symptomen«.
»Völlig ungeklärt« bleibe auch die Frage nach der Wirtschaftlichkeitsverantwortung für verschreibungspflichtige Medikamente, die ohne ärztliche Verordnung abgegeben werden. Eine nachträgliche Rezeptierung dieser Arzneimittel und eine Übernahme der Wirtschaftlichkeitsverantwortung durch den behandelnden Arzt sei für die KBV »ausgeschlossen«. Sie fordert: »Dies müsste dringend klargestellt werden.«