Ärzte und Apotheker fordern gemeinsam Reformen |
In einer Kampagne rufen Ärzte und Apotheker Karl Lauterbach auf, die Rahmenbedingungen für beide Berufsgruppen zu verbessern. / Foto: Imago Images/Chris Emil Janßen
Als »schallende Ohrfeige für alle Apothekerinnen und Apotheker« hat die ABDA den Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes bezeichnet, mit dem die Bundesregierung das Defizit der Krankenkassen ausgleichen will. Die Kritik der ABDA entzündet sich dabei in erster Linie am Apothekenabschlag, der in den Jahren 2023 und 2024 auf 2 Euro erhöht werden soll. Die Apotheker, die während der Pandemie zahlreiche Sonderaufgaben übernommen haben, würden durch die rigiden Sparmaßnahmen bestraft, kritisierte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening.
Nun hat eine Apothekerin aus Niederbayern einen Brief an Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) verfasst, der der PZ vorliegt. Darin kritisiert sie, dass das Spargesetz Apotheker über Gebühr belaste; sinnvoll wäre hingegen eine strukturelle Reform des Kassensystems. Die Apotheker wären durch zusätzliche Aufgaben, die sie ohne entsprechende Bezahlung leisten müssten, ohnehin schon stark belastet, heißt es in dem Schreiben. Als Beispiele nennt die Verfasserin Rabattverträge, die die Apotheker den Patienten täglich erläutern müssten. Unterschiedliche Vertragswerke der verschiedenen Krankenkassen sowie Lieferengpässe bei Arzneimitteln verursachten ebenfalls einen hohen Mehraufwand, der die Apotheker an ihre Grenzen brächten.
Der Brief der Apothekerin schließt mit der Bitte an Lauterbach, »keine Gesetze als Schnellschuss ins Leben zu rufen, die die flächendeckende Versorgung gefährden, sondern eine Reform in Angriff zu nehmen, die langfristig das System stabilisiert.« Nötig sei eine Reform des Kassenwesens, eine angemessene Bezahlung für alle Leistungserbringer und eine Sicherstellung der Lieferketten. Die Apothekerin fordert Lauterbach zudem auf, Rahmenbedingungen zu schaffen, die dafür sorgten, dass sich junge Ärzte auf dem Land ansiedelten und dass Apotheken gegen die Konkurrenz aus dem Internet bestehen könnten. Den Brief in voller Länge finden Sie in der PZ-Ausgabe 32/2022 in der Rubrik »Forum«.
Das Schreiben der Apothekerin aus Niederbayern ist Teil einer Kampagne, zu der sich kürzlich Ärzte und Apotheker zusammengeschlossen haben. So haben die Interessengemeinschaft Medizin (IG Med) und der Verein Freie Apothekerschaft einen Brandbrief an den Bundesgesundheitsminister geschickt. Darin betonen sie, dass sich Ärzte und Apotheker zu einer »neuen Geschlossenheit der Gesundheitsberufe« zusammenfänden. In dem Brief sorgen sich die Verfasser um die medizinische Versorgung der Bevölkerung in Deutschland. Durch »falsche politische Weichenstellung der letzten 20 Jahre und insbesondere der letzten Monate« seien Praxen und Apotheken »regelrecht ausgeblutet«.
In dem Schreiben fordern die Vertreter der IG Med und der Freien Apothekerschaft Lauterbach auf, die Sozialgesetzgebung zu überarbeiten, um wieder Bedingungen zu schaffen, unter denen medizinische Versorgung gelingen könne. Die Verfasser empfinden es »als Ungerechtigkeit, wie wir von der Politik, den Sozialgerichten und den Krankenkassen behandelt werden«. Unter solchen Bedingungen vergehe ihnen die »Lust, weiter für die medizinische Versorgung verantwortlich zu sein und dafür auch noch eigenes Geld mitzubringen«, heißt es in dem Schreiben. Die Kritik der Verfasser entzündet sich dabei vor allem an den Nullretaxationen auf Apothekenseite sowie Regressen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen auf Ärzteseite. IG Med und Freie Apothekerschaft wollen diese Zustände nicht länger hinnehmen, betonen sie. Sie seien gesprächsbereit, wollen aber auch das Gesundheitswesen vor »politischem Unverstand und gesetzlich verordnetem Schaden bewahren«, heißt es in dem Brief.
In der 2018 gegründeten IG Med haben sich niedergelassene Ärzte aller Fachrichtungen zusammengeschlossen, um laut ihrer Website »gefährlichen Entwicklungen im Gesundheitssystem der letzten Jahre Einhalt zu gebieten und würdige Bedingungen für unsere Arbeit zu erkämpfen«. Die Kassenärztlichen Vereinigungen und Landesärztekammern sehen sie als »verlängerten Arm« der Politik an. Die Freie Apothekerschaft setzt sich für die Interessen selbstständiger Apotheker ein. »Die Kooperation mit den Ärzten von der IG Med ist sehr angenehm«, sagt Daniela Hänel, 1. Vorsitzende der Freien Apothekerschaft. Ziel sei es, das gegenseitige Verständnis und damit die Zusammenarbeit zu verbessern. Gemeinsam könnten sich beide Berufsgruppen besser Gehör verschaffen. »Die Kollegen sind sehr froh, dass wir etwas unternehmen und uns für eine Verbesserung der Situation der Ärzte und der Apotheker einsetzen«, betonte Hänel.