Ärzte für erleichterten Arzneimittel-Austausch |
Ist ein Arzneimittel nicht lieferbar, sollen Apotheken flexibel reagieren können und Alternativ-Präparate abgegeben dürfen – ohne permanente Rücksprache mit dem Arzt, so die Forderung der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz. / Foto: Getty Images/alvarez
Die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz fordert nach der Genehmigung für die Einfuhr von nicht zugelassenen Antibiotika-Säften aus dem Ausland weitere Schritte für eine bessere Medikamentenversorgung von Kindern. Die Maßnahme sei zwar eine Notlösung, könne aber helfen, den aktuellen Versorgungsengpass etwas abzufedern, sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Die Landesärztekammer habe aber wegen des Mangels an fieber- und schmerzsenkenden Medikamenten und Antibiotika für Kinder mit Blick auf den kommenden Winter weiter Sorge.
»Wir müssen die Produktion von versorgungsrelevanten Medikamenten wieder nach Europa und auch nach Deutschland zurückverlegen«, forderte die Sprecherin der Landesärztekammer. Nötig sei es auch, gerade bei Medikamenten für Kinder Fest- und Rabattverträge zumindest zu lockern und der Industrie auch zu erlauben, Festpreise anzuheben. »Zugleich fordern wir aber auch, dass Apotheker nicht wie derzeit vorgeschrieben, bei jeder Verordnung beim ausstellenden Arzt nachfragen müssen, ob sie ein Ausweichmedikament abgeben dürfen», erklärte die Sprecherin. »Diese permanente Rückfragepflicht bindet viel zu viel Zeit in Apotheken und Praxen.«
Das für den Arzneimittelverkehr zuständige Landesamt für Jugend und Soziales hatte jüngst in einer Allgemeinverfügung den Großhandlungen und Apotheken im Land grünes Licht gegeben, um Antibiotika-haltige Säfte zu importieren. Möglich ist das, weil das Bundesgesundheitsministerium (BMG) offiziell einen Versorgungsmangel für diese Präparate festgestellt hatte. Dies ermöglicht den Ländern die Einfuhr von Produkten, die in Deutschland nicht zugelassen oder registriert sind.
Bei potenziell lebensbedrohlichen bakteriellen Infektionen und Erkrankungen - etwa Lungenentzündungen – werden Antibiotika auch Kindern verschrieben. Nach Angaben des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte sind diese Präparate derzeit bundesweit so knapp, dass auch für schwer erkrankte Kinder nicht ausreichend Antibiotika zur Verfügung stehen.
Die Apothekerschaft fordert seit Längerem, die im Zuge der Corona-Pandemie eingeführten erleichterten Austauschregeln bei nicht verfügbaren Arzneimitteln zu verstetigen, um die Arzneimittelversorgung auch in Engpass-Situationen besser und einfacher bewerkstelligen zu können. Mit dem geplanten Lieferengpass-Gesetz will das BMG den Austausch nicht verfügbarer Medikamente zwar erleichtern, knüpft dies aber an gewisse Dokumentationspflichten. So müssen Apotheken bei mindestens zwei Großhändlern nachgefragt haben, um die Nicht-Verfügbarkeit eines Rabattarzneimittels zu belegen und einen Austausch zu legitimieren.
Bis das Engpass-Gesetz voraussichtlich ab August in Kraft treten könnte, hat das BMG zunächst übergangsweise die Beibehaltung der flexiblen Austauschregeln verfügt. Das ist mit dem Gesetz zur Neustrukturierung der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) vorgesehen. Damit würden die am 7. April 2023 außer Kraft getretenen erleichterten Austauschmöglichkeiten von verschriebenen Arzneimitteln nach der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung bis zum 31. Juli 2023 verlängert. Doch das UPD-Gesetz ist nach wie vor nicht im Bundesanzeiger erschienen und somit noch in Kraft. Damit Apotheken trotz dieses gesetzlichen Vakuums beim Engpass-Management flexibel bleiben können, hat sich das BMG bei den Kassen für ein Retax-Verzicht eingesetzt.