Ärzte fordern besseren Zugang zur medikamentösen Therapie |
Sven Siebenand |
10.04.2025 16:20 Uhr |
10 bis 30 Prozent der Schwangeren erleiden eine Fehlgeburt. Eine neue Leitlinie legt die Grundlage einer besseren Versorgung für Frauen, die früh im Schwangerschaftsverlauf von einer Fehlgeburt betroffen sind. / © Adobe Stock/Parilov
Fehlgeburten sind leider häufig. 10 bis 30 Prozent der Schwangerschaften sind betroffen. Eine Sonderform der Fehlgeburt, die sogenannte verhaltene Fehlgeburt (missed Abortion) liegt vor, wenn der Embryo oder Fetus im frühen Schwangerschaftsverlauf im Mutterleib keine Lebenszeichen im Ultraschall zeigt, ohne dass es zu einer sofortigen Blutung oder Ausstoßung kommt. Die Schwangerschaftsanzeichen bleiben äußerlich zunächst bestehen. Oft bemerken betroffene Frauen zunächst keine Symptome und die Diagnose wird erst bei einer Ultraschalluntersuchung gestellt.
Mit der neuen S2k-Leitlinie zum frühen Schwangerschaftsverlust im ersten Trimenon wurde eine Grundlage zur Versorgungsverbesserung für Frauen geschaffen, die von einer Fehlgeburt betroffen sind. Obwohl die Leitlinie ausdrücklich drei gleichwertige Therapieoptionen empfehle (Abwarten, medikamentöse Behandlung und chirurgischer Eingriff), werde nach wie vor überwiegend die operative Methode durchgeführt, heißt es in einer Pressemitteilung der Landesärztekammer Hessen.
Wie würde die medikamentöse Therapie aussehen? Hier lohnt ein Blick in die Leitlinie: Bei nachgewiesenem Frühabort (vor der zwölften Schwangerschaftswoche) ist zur medikamentösen Abortinduktion die Kombination von 200 mg Mifepriston oral gefolgt von 600 bis 800 µg Misoprostol vaginal nach 24 Stunden Mittel der Wahl, heißt es dort. Mifepriston verdrängt Progesteron vom Rezeptor und hebt dessen biologische Wirkungen auf. Der Prostaglandin-Rezeptoragonist Misoprostol bewirkt, dass sich der Muttermund öffnet und die Gebärmutter kontrahiert.
Wesentliche Unterschiede für die Erfolgswahrscheinlichkeit bezüglich einer vaginalen, buccalen, sublingualen oder oralen Gabe von Misoprostol gibt laut der Leitlinie nicht, allerdings wird aufgrund des verhältnismäßig günstigeren Nebenwirkungsprofils die vaginale Applikation empfohlen. Eine zweite Misoprostol-Gabe sollte frühestens drei Stunden nach der Erstapplikation erfolgen, wenn die erste zu keinem oder zu keinem ausreichenden Gewebeabgang geführt hat.
Nicht nur die Landesärztekammer Hessen, sondern auch der Bundesverband der Frauenärzte (BVF) fordern den Abbau von Versorgungsschwierigkeiten bei der medikamentösen Behandlung von Fehlgeburten. Der Verband teilt zum einen mit, dass die Kombination aus Mifepriston und Misoprostol zur Therapie der verhaltenen Fehlgeburt in dieser Indikation nicht offiziell zugelassen ist, sodass es sich um einen Off-Label-Use handelt.
Weiter wird kritisiert, dass geeignete Misoprostol-Präparate nur unter erschwerten Bedingungen nach Deutschland eingeführt werden können, was den Zugang beschränkt. Zum Hintergrund: Alle in Deutschland gelisteten Präparate mit Misoprostol sind Tabletten. Angusta® mit 25 µg ist für die Geburtseinleitung vorgesehen, MisoOne© mit 400 µg für den Einsatz zum Schwangerschaftsabbruch und in Arthrotec© forte sind pro Tablette neben 200 µg Misoprostol als Magenschutz zum eigentlichen Hauptwirkstoff Diclofenac 75 mg enthalten.
Darüber hinaus kritisieren die Frauenärzte, dass auch der Zugang zu Mifepriston stark erschwert ist, da es ausschließlich über einen speziellen Vertriebsweg erhältlich ist und nur von zuvor registrierten Ärzten und Einrichtungen bezogen werden kann.
BVF-Präsident Dr. Klaus Doubek fasst den Status quo und die Forderungen folgendermaßen zusammen: »Mit Blick auf die Therapiefreiheit von Patientinnen, die von dem schwerwiegenden Ereignis einer Fehlgeburt betroffen sind, sowie der Unterstützung von Frauenärztinnen und Frauenärzten, die diese Versorgungsleistung erbringen möchten, müssen die notwendigen Medikamente in allen relevanten Dosierungen ohne Einschränkungen in Deutschland zugänglich sein.«
Zudem müsse die komplexe Versorgungsleistung über die Regelversorgung abgedeckt sein, um finanzielle Belastungen von Patientinnen fernzuhalten und die Arbeit der versorgenden Frauenärztinnen und Frauenärzte über standardisierte Abrechnungsprozesse zu vereinfachen.
Die Landesärztekammer Hessen fordert insbesondere die Pharmaindustrie nachdrücklich auf, geeignet dosierte und in Deutschland regulär zugelassene Präparate für die medikamentöse Behandlung von Fehlgeburten bereitzustellen. Die bestehende Versorgungslücke durch Off-Label-Use und Importlösungen sei für ein hochentwickeltes Gesundheitssystem nicht akzeptabel.