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Tinnitus

Abschalten und mal nicht ganz Ohr sein

Es heißt, der Ton macht die Musik. Im Falle von Ohrgeräuschen bringt er aber auch Leid mit sich. Bei rund drei Millionen Deutschen ist der Tinnitus dauerhaft belastend und behandlungs­bedürftig. Im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung erklärt Professor Dr. Gerhard Hesse, Chefarzt der Tinnitus-Klinik in Bad Arolsen, warum die Geräusche im Ohr pharmakotherapeutisch schlecht zu kupieren sind.
AutorKontaktElke Wolf
Datum 21.02.2020  17:00 Uhr

Mental getriggert

Zusätzlicher Stress, Überlastung, aber auch Depressionen und Ängste können die Wahrnehmung des Ohrgeräusches auslösen. Wenn die Ohrgeräusche plötzlich da sind, spielen Gefühle eine entscheidende Rolle. »Tinnitus nimmt zwar im Ohr seinen Anfang, verselbstständigt sich aber durch die Verarbeitung im Hirn und wird mental getriggert.« Je negativer die Emotionen und je intensiver die Ängste, desto mehr verstärken sich Tinnitus-Wahrnehmung und Tinnitus-Leidensdruck, macht Hesse deutlich.

Durchblutungsstörungen galten lange Zeit als Hauptursache für Tinnitus. Doch Haarzellen knicken vor allem aufgrund mechanisch-traumatischer Belastung wie Lärm oder entzündlicher, degenerativer Prozesse durch Alterung oder Stress bedingt ein. Intakte Haarzellen des Innenohres. / Foto: Science Photo Library/Bredberg, Dr. Goran
Beschädigte Haarzellen des Innenohres. / Foto: Science Photo Library/Bredberg, Dr. Goran

»Der Tinnitus stellt sich meist erst dann ein, wenn sich die Hörfähigkeit wieder etwas verbessert hat. Der Fokus ist in dieser Phase total auf das Ohr gerichtet, die Gedanken kreisen nur noch ums Ohr. Man horcht laufend in sich hinein, was und wie man hört. Und das ist nicht gut.« Hesse berichtet von älteren Untersuchungen zur Bedeutung der Spontanaktivität: Fast alle Menschen, die noch nie Ohrgeräusche hatten und eine Stunde in einer schalldichten Kammer verbrachten, bekamen dadurch Ohrgeräusche. »Das ist die Spontan­aktivität. Wenn man wieder abgelenkt ist und die Geräusche nicht weiter fokussiert, verschwinden sie wieder. Die Fokussierung und die Ablenkung ge­lingen dem einen gut, dem anderen weniger.«

Kein Not-, sondern Eilfall

Durchblutungsstörungen sehen Wissenschaftler heute nicht mehr als Hauptursache der Ohrgeräusche. »Die Haarzellen werden nicht durchblutet, sondern mit Endolymphe versorgt. Sie knicken vor allem aufgrund mechanisch-traumatischer Belastung wie Lärm oder entzündlicher, degenerativer Prozesse durch Alterung oder Stress bedingt ein«, erklärt der HNO-Arzt. Deshalb ist im Akutfall die Gabe von Glucocorticoiden sinnvoll. Dabei orientieren sich die HNO-Ärzte an der Therapie des akuten Hörsturzes. Die S1-Leit­linie Hörsturz schlägt eine orale Hochdosis-Cortisol-Gabe (etwa je 250 mg Prednisolon über drei Tage) vor.

Hesse: »Glucocorticoide sind dann indiziert, wenn der Hörsturz oder die Hörverminderung messbar ist – auch wenn der Patient subjektiv gar nichts merkt. Ergibt ein Hörtest Einbußen, deuten wir das als Äquivalent eines Hörsturzes und initiieren die Therapie mit hoch dosiertem Cortisol mit all seinen Nebenwirkungen.« Prinzipiell sei auch die intravenöse Gabe möglich. Diese mit Hydroxyethylstärke (HES) zur Erhöhung des Blutvolumens zu kombinieren, wird wegen der Nebenwirkungen wie heftigem, lang anhaltendem Juckreiz heute nicht mehr empfohlen. Andere Medikamente wie hoch dosierte Ginkgo-biloba-Extrakte sind wissenschaftlich nicht ausreichend belegt und erhalten daher von den Leitlinienautoren ebenfalls keine Empfehlung. Auch für die Sauerstoffüberdruckbehandlung gebe es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege, so Hesse.

Das früher häufig in der Hörsturztherapie eingesetzte Pentoxifyllin (wie Trental®) wird aufgrund mangelnder Datenlage in der Leitlinie nicht mehr berücksichtigt. Dennoch besteht nach wie vor die Zulassung für »durchblutungsbedingte Innenohr-Funktionsstörungen«, wie ein Blick in den Beipackzettel zeigt. Und auch der Ginkgo-biloba-Spezialextrakt EGb 761® (Tebonin®) verfügt über eine Zulassung für die »adjuvante Therapie bei Tinnitus vaskulärer und involutiver Genese«. Hesse hält die genannte Indikation für schwammig. »Eine Durchblutungsstörung und Involution spiegelt nicht unbedingt die Entstehung von Ohrgeräuschen wider.«

Hesse hält es in jedem Fall für sinnvoll, sich nach einem Hörsturz oder Hörgeräuschen Ruhe zu gönnen. »Wir schreiben die Patienten krank, um sie beruflich und familiär zu entlasten. Es ist zweifelsohne wichtig, den Patienten aufgrund der Belastungssituation aus seinem Umfeld zu holen.« Beginnt die Behandlung frühzeitig, also wenige Tage nach Auftreten, kann in den meisten Fällen das Gehör wieder völlig hergestellt werden. Die Hörgeräusche haben eine hohe Tendenz zur Spontanheilung. Hesse betont, dass auch der Apotheker seine betroffenen Kunden zeitig an einen HNO-Arzt verweisen sollte. »Es ist wichtig, dass das in den ersten paar Tagen passiert. Wir sprechen in der Leitlinie deshalb auch von keinem Not-, sondern von einem Eilfall.«

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