Abnehmen programmiert Fettzellen um |
Theo Dingermann |
17.07.2025 18:00 Uhr |
Bei der Gewichtsreduktion schrumpfen Fettzellen nicht nur, sie verändern auch Signalwege und Stoffwechselwege deutlich. Das zeigt eine detaillierte molekulare Analyse von Forschenden aus London. / © Getty Images/Nanoclustering/Science Photo Library
Übergewicht betrifft mittlerweile weltweit mehr als eine Milliarde Menschen. Durch die zu große Masse an adipösem Gewebe werden Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bestimmte Krebsarten und vorzeitiger Tod maßgeblich getrieben. Zwar lassen sich durch Gewichtsreduktion die durch Übergewicht verursachten Begleiterkrankungen erheblich bessern. Allerdings sind die biologischen Grundlagen dieser klinischen Effekte im Detail nicht verstanden.
Forschende um Dr. Antonio M. A. Miranda vom Imperial College London haben nun untersucht, was beim Abnehmen auf molekularer Ebene mit dem Fettgewebe passiert. Sie stellen ihre Daten im Fachjournal »Nature« vor.
Ein Kernproblem, das die Forschenden entdeckten, bilden seneszente Zellen, also alte Zellen, die ihre eigentliche Funktion verloren haben, die aber dennoch sekretorisch aktiv bleiben. Seneszenz beobachteten die Forschenden in Stoffwechsel-, Vorläufer- und Gefäßzellen im Fettgewebe. Es gelang ihnen zu zeigen, dass Seneszenz durch Gewichtsverlust wirksam umgekehrt werden kann.
Ihre Daten erhielten die Forschenden durch eine kombinierte Analyse von Einzel-Zellkern-RNA-Sequenzierung und räumlicher Transkriptomik aus subkutanem Fettgewebe von 70 Probanden, die in die Studie eingeschlossen waren. 25 Probanden waren extrem adipös. Deren Gewebe wurde vor und nach chirurgisch induziertem Gewichtsverlust (mittlerer BMI-Verlust: 22 Prozent) analysiert. 24 Probanden waren schlank und dienten als Kontrollkohorte. Ergänzt wurden die molekularen Analysen durch Bildgebung, Immunhistochemie und funktionelle In-vitro-Validierungen.
Die Autoren konnten zeigen, dass Entzündungen, die während der Adipositas durch massives Einwandern von entzündungsfördenden Makrophagen in das Fettgewebe, auch bei einem Gewichtsverlust bestehen bleiben. Die Makrophagen exprimierten inflammatorische Marker, darunter den Toll-like Rezeptor 2 (TLR2), den Triggerrezeptor 1 (TREM1), ein Transmembranprotein der Immunglobulin (Ig)-Superfamilie, sowie lysosomale und lipidmetabolische Genprodukte.
Obwohl nach einem Gewichtsverlust die Gesamtzahl myeloider Zellen, zu denen auch die Makrophagen gehören, abnahm, blieben die inflammatorischen Subtypen von Lipid-assoziierten Makrophagen aktiv und metabolisch hochgradig reprogrammiert. Die Zellen sind epigenetisch auf Übergewicht fixiert und stellen somit einen Risikofaktor für eine Gewichtszunahme nach dem Abnehmen dar.
Adipozyten, die bei Adipositas aufgrund von Störungen im Stoffwechsel für Lipide und verzweigtkettige Aminosäure einen gestressten Phänotyp aufwiesen, erholten sich nach Gewichtsverlust deutlich und aktivierten die metabolischen Netzwerke, die diese Stoffwechselwege wieder normalisierten. Der Gewichtsverlust löste den Abbau und die Wiederverwertung von Lipiden aus. »Dieser Recyclingprozess könnte dafür verantwortlich sein, Energie zu verbrauchen und die schädliche Ansammlung von Lipiden in anderen Organen wie Leber und Bauchspeicheldrüse rückgängig zu machen«, heißt es in einer Mitteilung des Imperial College London. Weitere Studien seien allerdings notwendig, um zu klären, ob dieser Lipid-Recyclingprozess mit den positiven Gesundheitseffekten von Gewichtsreduktion – wie der Remission von Typ-2-Diabetes – im Zusammenhang steht.
Durch den Gewichtsverlust wurden Seneszenzmarker in verschiedenen Zelltypen systematisch herunterreguliert. Dies konnten die Forschenden auch durch räumlich-transkriptomische sowie histologische Analysen bestätigen.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass ein Gewichtsverlust signifikante Auswirkungen auf zelluläre Prozesse im Fettgewebe hat, von denen bekannt ist, dass sie die Stoffwechselgesundheit und Langlebigkeit beeinflussen. Allerdings persistiert als Folge von Übergewicht eine metabolische Prägung von Makrophagen, die eine potenzielle Achillesferse für einen nachhaltigen Gewichtsverlust darstellt.
Zudem unterstreichen die Daten die zentrale Rolle reversibler Zellstress- und Seneszenzprozesse in der Pathophysiologie einer Adipositas und während einer therapeutischen Remodellierung. Senolytika, die derzeit intensiv beforscht werden, könnten sich hier als hilfreich erweisen.
»Diese Studie liefert einen detaillierten Überblick darüber, was einige dieser gesundheitlichen Vorteile (von Abnehmen) auf Gewebe- und Zellebene tatsächlich bewirkt«, sagt Seniorautor Dr. William Scott. Die Forschenden hoffen, dass die neuen Erkenntnisse dazu dienen werden, bessere therapeutische Optionen für Diabetes und andere Adipositas-Folgeerkrankungen zu entwickeln.