Abhängigkeit von China bei Antibiotika birgt Risiken |
Am Montag ist Europäischer Antibiotika-Tag. Aus diesem Anlass weist der Verband Pro Generika darauf hin, dass die Abhängigkeit von Herstellern insbesondere aus China die Versorgung in Deutschland gefährden kann. / © Getty Images/Onfokus
Anlässlich des Europäischen Antibiotika-Tags am kommenden Montag hat der Verband Pro Generika eine Übersicht veröffentlicht. Sie zeigt den Sitz sämtlicher Fabriken, die Antibiotika-Wirkstoffe für den europäischen Markt produzieren.
Demnach haben die meisten Hersteller ihren Sitz in China (110) und Indien (62). Nur noch ein Fünftel der Herstellungsstätten (54) sitzt in Europa, die meisten davon in Italien. In Mexiko gibt es demnach vier Fabriken, die Antibiotika-Wirkstoffe herstellen. In den USA, in Brasilien und Russland ist jeweils lediglich eine Herstellungsstätte ansässig.
Die daraus resultierende Abhängigkeit insbesondere von China könne gefährlich werden, warnt Pro Generika in einer Pressemitteilung. Komme es etwa zu einem chinesischen Angriff auf Taiwan oder zum Handelskonflikt mit China, könnten Lieferungen wegfallen. Europa stünde dann ohne lebenswichtige Medikamente da.
Beispielsweise sei China der mit Abstand größte Lieferant des Wirkstoffs Doxycyclin. Dieser wirkt gegen Borreliose und Lungenentzündung und ist schon jetzt immer wieder knapp.
Die massive Abhängigkeit von China erhöht laut Pro Generika das Risiko von Engpässen. Das zeige ein Beispiel aus der Vergangenheit: Als 2016 eine chinesische Fabrik für das Reserveantibiotikum PipTaz – das gegen Blutvergiftung und Lungenentzündung wirkt - explodierte, fielen 70 Prozent der Lieferungen weg. Das habe auch in Deutschland Patienten in Gefahr gebracht, zudem seien evidenzbasierte Behandlungsoptionen für Ärzte eingeschränkt gewesen.
Der Verband warnt weiterhin, dass insbesondere Engpässe bei Antibiotika für Kinder medizinische Folgen hätten. So wurden im Winter 2022 Kinder zur intravenösen Behandlung ins Krankenhaus geschickt, weil ein Antibiotikum für die ambulante Versorgung nicht verfügbar war.
Antibiotika-Säfte für Kinder seien nach Angaben des BfArM bereits seit 2023 knapp. In der Erkältungssaison mussten Kinderärzte deshalb immer wieder zum medizinisch zweitbesten Antibiotikum greifen. Antibiotika seien aber untereinander nicht gut austauschbar. Ein Mittel zweiter Wahl könne zu Resistenzen führen und die Wirksamkeit weiterer Antibiotika beeinträchtigen.
Als Grund, warum nur wenige Hersteller in Europa Antibiotika-Wirkstoffe produzieren, nennt Pro Generika mangelnde Wirtschaftlichkeit. Die Herstellung von Antibiotika sei so aufwendig, dass sie sich oft nicht mehr lohne. Für eine Packung Doxycyclin etwa erhalte der Hersteller 42 Cent und müsse darauf nochmal Rabatte gewähren.
In der Folge reduzierten Hersteller Kapazitäten oder stiegen ganz aus. Bei Doxycyclin sei die Zahl europäischer Hersteller im vergangenen Jahr von vier auf zwei gefallen. Es waren einmal 20 Anbieter im Markt.
Dennoch gebe es noch Werke in Europa, die Antibiotika-Wirkstoffe für europäische Patienten herstellen – zum Beispiel im österreichischen Kundl oder im portugiesischen Labesfal. Pro Generika fordert, diese zu stärken und auszubauen oder gar neue zu errichten. »Dafür braucht es Anreize für die Unternehmen und politischen Willen. Ersteres fehlt komplett – und das zweite ist schwer erkennbar«, kritisiert der Verband.
Seit Ende Juli 2023 ist das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) in Kraft, das Engpässen vorbeugen soll. Dieses schreibt vor, dass in einem Rabattvertrag die Hälfte des Wirkstoffs von einem Hersteller mit europäischer Quelle kommen muss. Das gilt unter anderem für Antibiotika.
Nach einem Jahr ALBVVG zieht Pro Generika jedoch keine positive Bilanz. Die Effekte des Gesetzes seien »allenfalls marginal«. Weder führe es dazu, dass neue Generika-Werke in Europa entstünden, noch dass bislang viele Zuschläge an europäische Wirkstoffhersteller vergeben werden konnten. Am strukturellen Problem, wonach sich die Arzneimittelhersteller zurückziehen, wenn die Produktion für sie wirtschaftlich nicht mehr machbar ist, habe sich nichts geändert, kritisiert der Verband.