ABDA warnt Abgeordnete vor Lauterbach-Plänen |
Alexander Müller |
22.12.2023 14:30 Uhr |
Die ABDA hat die Mitglieder des Gesundheitsausschuss des Bundestags über die Folgen der geplanten Apothekenreform des BMG informiert. / Foto: Getty Images/ Hans-Peter Merten
Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) hatte der ABDA-Spitze am Mittwoch die Eckpunkte seiner Apothekenreform vorgestellt. Laut Aussagen des BMG soll die Reform im Laufe des Jahres 2024 in Bundesrat und Bundestag beraten werden. Über das Papier und mögliche wirtschaftliche Auswirkungen hatte die PZ ausführlich berichtet. Am gestrigen Donnerstag hat sich der Geschäftsführende Vorstand der ABDA mit den Reformplänen befasst, heute folgte der Gesamtvorstand mit den Spitzen aller 34 Kammern und Verbände.
»Beide Gremien sind nach einer ersten, vorläufigen Analyse der Eckpunkte zu einer Apothekenreform zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Pläne unzureichend sind und einzelne Vorschläge die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gefährden«, heißt es in dem Schreiben an die Bundestagsabgeordneten. Auch das BMG soll zeitnah eine Reaktion bekommen.
Ein zentraler Kritikpunkt der ABDA betrifft die »Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker«. Das BMG sieht vor, dass PTA vorübergehend vertreten dürfen, wenn der Apothekenleiter oder die Apothekenleiterin digital zugeschaltet werden kann. Doch aus Sicht der ABDA kann eben keine andere Berufsgruppe die pharmazeutische Expertise der Apothekerinnen und Apotheker ersetzen. »Hinzu kommen auch Haftungsfragen, die entstehen, wenn bei Beratungen keine approbierte Fachkraft zur Verfügung steht«, heißt es in der Stellungnahme.
Und schließlich befürchtet die ABDA, dass Apotheken, die wirtschaftlich unter Druck stehen, vielen angestellten Approbierten kündigen müssten, um unter dem bestehenden Kostendruck Geld zu sparen. »Das Ergebnis wäre eine deutliche Verschlechterung der Versorgung«, warnt die Standesvertretung. Dabei habe Lauterbach wiederholt Leistungskürzungen für die Bevölkerung ausgeschlossen. »Wenn die Apotheken aus Finanzdruck aber ihre Leistungen einschränken oder gar schließen müssen, ist das de facto eine politisch initiierte Leistungskürzung für die Bürgerinnen und Bürger«, so die ABDA.
Ferner kritisiert die ABDA, dass es keine sofortige, finanzielle Unterstützung für die Apotheken gibt – bis auf die geringe Anhebung der Notdienstpauschale in Höhe von 7 Cent. Lauterbach habe Inflations- und Kostenausgleiche in fast allen anderen Bereichen des Gesundheitswesens vorgenommen. »Nur die Apotheken sollen kein Recht auf solche Kostenausgleiche haben«, schreibt die ABDA an die Abgeordneten.
In der Folge erinnert die ABDA daran, dass das Honorar sich aktuell auf dem Niveau von 2004 befinde. Die Inflation sei in diesem Zeitraum um 38 Prozent und die Kosten in den Apotheken um 60 Prozent gestiegen. »Die Folge ist eine Schließungswelle bei den Apotheken. Diese Entwicklung muss endlich mit einer sofort wirksamen Finanzhilfe gestoppt werden«, so die ABDA. Alle vom BMG vorgeschlagenen Honorar-Maßnahmen sollten aber frühestens 2025, teilweise erst 2026 und 2027 greifen. »Herr Lauterbach schiebt das Thema der chronischen Unterfinanzierung der Apotheken weit in die Zukunft, nimmt sich somit weiterhin aus der Verantwortung«, schreibt die ABDA und weiter: »Das BMG sieht dabei zu, wie die wohnortnahe Arzneimittelversorgung weiter ausgedünnt wird.«
Die Eckpunkte sehen vor, den variablen Zuschlag des Honorars von derzeit 3 Prozent schrittweise auf 2 Prozent abzusenken. Das Fixhonorar will das BMG im Gegenzug schrittweise erhöhen, sodass dies unter dem Strich kostenneutral ist. Die von Lauterbach in der Öffentlichkeit behauptete Stärkung kleiner Apotheken sei falsch, so die ABDA. Schließlich würden auch kleine Apotheken hochpreisige Arzneimittel abgeben. Zudem sei die Umstellung auf Grundlage der bislang bekannten Zahlen nach ABDA-Berechnungen finanziell nicht neutral, sondern bewirke sogar eine Kürzung der Vergütung.
Viele Apotheken würden unter diesen Umständen keine Hochpreiser mehr vorhalten können. Für Patientinnen und Patienten, die auf solche Arzneimittel und die entsprechende Beratung angewiesen sind, würde die Versorgung aus Sicht der ABDA dann deutlich schlechter werden. »Erneut stellt sich die Frage, warum das SPD-geführte BMG gezielt die Versorgung der Patientinnen und Patienten schwächen will.«
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening bezeichnete es als »Taschenspielertrick«, mit dem Lauterbach »die Schwächung der Apotheken vor Ort als Segen für die Versorgung darzustellen« versuche. Nach dieser sogenannten Reform würden alle Apotheken noch stärker von wirtschaftlichen Entwicklungen abgekoppelt sein als bisher.
Apotheken ohne Apothekerin oder Apotheker seien nicht hinnehmbar. »Hier wird aus einer sicheren Arzneimittelversorgung der Menschen ohne Not eine unsichere mit beliebiger Qualität«, so Overwiening. Positiv vermerkte die ABDA-Präsidentin, dass das BMG inzwischen von weiteren Plänen im Bereich der Filialapotheken Abstand genommen habe. In seinen ersten Eckpunkten hatte Lauterbach noch vorgesehen, dass Filialapotheken auch ohne Rezeptur und Labor betrieben und vom Notdienst ausgenommen werden können. Diese Punkte sind jetzt verschwunden.
Grundsätzlich zuversichtlich stimmt Overwiening auch, dass die Apotheken ihr Honorar künftig auf Basis der Inflation und der Lohnentwicklung direkt mit den Kassen aushandeln dürfen. »Aber das alles liegt viel zu weit in der Zukunft! Das BMG lässt nach wie vor für die Apotheken vor Ort nicht gelten, dass die Kostensteigerungen der vergangenen elf Jahre endlich ausgeglichen werden müssen«, kritisiert die ABDA-Präsidentin. Sie appellierte an Lauterbachs SPD-Parteikollegen, die anderen Regierungsfraktionen, aber auch an die Bevölkerung, »die Pläne des Ministeriums so nicht durchgehen zu lassen«.