| 12.12.2025 08:00 Uhr |
Reform notwendig: Wie kann die Gesetzliche Krankenversicherung in die schwarzen Zahlen kommen? Die ABDA hat Vorschläge geliefert. / © Imago/IlluPics
Vor dem Hintergrund eines stetig wachsenden Finanzdefizits der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) die sogenannte Finanzkommission Gesundheit einberufen. Die Kommission, bestehend aus zehn Expertinnen und Experten aus den Bereichen Ökonomie, Medizin, Sozialrecht, Ethik und Prävention, hat sich am 25. September 2025 konstituiert und soll bis März 2026 erste Vorschläge zur Stabilisierung der GKV erarbeiten.
Ein finales Reformkonzept der GKV-Finanzen soll bis Ende 2026 vorliegen. Ziel ist es, Maßnahmen zur Kostenersparnis vorzulegen und so die derzeit ungebremst steigenden Beitragssätze der Kassen ab 2027 dauerhaft zu stabilisieren.
Um zu schauen, was möglich ist, hat die Kommission die wesentlichen Akteure im Gesundheitswesen gefragt, wo sie ein Einsparpotenzial sehen. Dazu hatten sie einen Online-Fragebogen verschickt, der bis Ende November beantwortet werden sollte. Der Fragebogen bestand aus drei Teilen, in denen Vorschläge im eigenen Bereich (Teil A), in anderen Bereichen (Teil B) sowie offene Hinweise (Teil C) zusammengetragen wurden. Die ABDA hat nach eigenen Angaben Vorschläge zum Teil B beigesteuert und darüber nun ihre Mitgliedsorganisationen informiert.
Großes Einsparpotenzial sieht die ABDA durch eine stärkere Einbindung der Apotheken in Prävention und mehr apothekenbasierte Versorgung. Hier begrüßen die Bundesvereinigung Konzept »pharmacy first«.
Ein solches Modell, bei dem Patienten unter festgelegten Kriterien zuerst in der Apotheke versorgt würden, verhindere unnötige Mehrfachkontakte. Eine direkte Versorgung in der Apotheke spare somit Zeit und Wege (volkswirtschaftliche Relevanz) und stärke das Vertrauen in ein effizient funktionierendes Gesundheitssystem, so die ABDA.
Nach § 48a Arzneimittelgesetz (AMG) dürfen Apotheker verschreibungspflichte Arzneimittel zur Anschlussversorgung abgeben, zudem ist ihnen die Abgabe bestimmter Rx-Arzneimittel (§ 48b AMG) erlaubt. Dabei sollten klar definierte Indikationen (etwa unkomplizierte Harnwegsinfekte, Bindehautentzündung) sowie ein evidenzbasierter Rahmen zur Anwendung kommen. Die Abgabe von Arzneimitteln erfolge nach pharmazeutischer Beratung, Erfüllung festgelegter Kriterien (etwa positiver Schnelltest, Dauermedikation) und Handlungsempfehlungen.
Auch die Ausweitung pharmazeutischer Dienstleitungen (pDL) hält die ABDA für sinnvoll. Diese seien klinisch wirksam, kostensparend und überwiegend kosteneffektiv beziehungsweise häufig sogar dominant gegenüber der üblichen Versorgung
Darüber hinaus trage eine verbesserte Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) zur Effizienz und Kostendämpfung bei. Hier verweist die ABDA auf das Projekt ARMIN (Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen), dessen Kernelement ein auf Basis einer erweiterten Medikationsberatung in der Apotheke erstellter, AMTS-geprüfter Medikationsplan für die Patienten war.
Dienstleistungen, die auf die Verbesserung der AMTS abzielen, könnten zur Vermeidung von Klinikaufenthalten, zur Reduktion von Folgekosten durch Nebenwirkungen und Entlastungen von Ärzten und Notaufnahmen beitragen. Darüber hinaus könne eine verbesserte Adhärenz mögliche Komplikationen reduzieren und chronischen Spätfolgen vermeiden. AMTS-Analysen könnten Therapiedopplungen, Unverträglichkeiten oder ungeeignete Wirkstoffe (gerade für Ältere) aufdecken und so durch eine rationalisierte Therapie die Therapiekosten senken sowie Folgeschäden und deren Kosten vermeiden, heißt es.
Auch der Ausbau von Impfungen in Apotheken, wie im geplanten Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG) genannt, ist laut ABDA zielführend, da durch Impfungen mögliche Behandlungskosten oder Krankenhauseinweisungen gar nicht erst anfielen, längere Arbeitsausfälle vermieden werden könnten und Risikopatienten durch Impfungen vor schweren Erkrankungen geschützt würden. Zudem könnten die niedrigschwelligen Impfangebote die Impfquote steigern und so zu einer Herdenimmunität führen.
Und nicht zuletzt könnten verstärkte Präventionsmaßnahmen (Rauchentwöhnung, Ernährung, Bewegung) gesundheitsfördernd wirken. Präventionsleistungen könnten helfen, (chronische) Erkrankungen früher zu erkennen oder zu vermeiden, und dadurch Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte, (Arzneimittel-)therapien, Pflegekosten, Arbeitsausfälle einsparen.
Außer einem Einsparpotenzial durch verstärkte Apothekenleistungen nennt die ABDA aber auch grundlegende Punkte, die die Gesundheitsversorgung wirtschaftlicher machten. So fordert sie etwa eine Senkung der Umsatzsteuer auf Arzneimittel von derzeit 19 auf dann 7 Prozent. Dies würde der GKV rund 5,8 Milliarden Euro einsparen, was rund 0,3 Beitragssatzpunkten entspreche.
Die Rx-Arzneimittelkosten von PKV-Versicherten und Selbstzahlern würden sich um 1 Milliarde Euro reduzieren. Für den OTC-Markt ergibt sich laut ABDA-Statistik eine Reduzierung um 0,7 Milliarden Euro
Des Weiteren sieht die ABDA eine verstärkte Ambulantisierung der Versorgung als Mittel, die GKV zu entlasten.
Die Bundesvereinigung schlägt zudem die Einführung einer gesundheitsorientierten Verbrauchersteuer auf zuckerhaltige Getränke und zuckerhaltige verarbeitete Lebensmittel vor. Dies könne sowohl eine Lenkungswirkung haben als auch Einnahmen generieren.
Auch beim Vergaberecht bei Rabattvertragsausschreibungen sieht die ABDA Einsparpotenzial. Wenn neben dem Preis weitere versorgungsrelevante Aspekte bei der Vergabe Berücksichtigung finden müssten mit dem Ziel, die Versorgungssicherheit zu erhöhen, würde dies unterm Strich dauerhaft kostenstabilisierend für die GKV und administrativ entlastend für Ärzte und Apotheker wirken.
Weitere Einsparungsvorschläge betreffen schließlich den Bereich der GKV selbst. So sieht die ABDA die Notwendigkeit, versicherungsfremde Leistungen, die bislang über die Sozialbersicherung abgedeckt werden müssen, künftig über Steuerzuschüsse zu finanzieren. Je nach Szenario würden sich die bislang von den GKV-Versicherten zu tragenden Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen im Zeitraum der Jahre 2024 bis 2028 auf 8,1 Milliarden Euro bis 76,5 Milliarden Euro jährlich belaufen.
Ins Visier nimmt die ABDA auch die Satzungsleistungen der Kassen. Diese sollten sich nur auf medizinisch notwendige Leistungen beschränken. Kochkurse oder Zuschüsse für andere Präventions- und Sportkurse oder Ähnliches sollten von der Erstattung ausgeschlossen werden, da diese nicht unmittelbar zur Versorgung beitrügen.
Zudem sollte in der GKV auf Marketingmaßnahmen verzichtet werden. Bandenwerbung an Sportstätten, Sponsoring und Ähnliches dienten nicht dem gesetzlichen Versorgungsauftrag. Der Wettbewerb zwischen Kassen führe kaum zu einem echten Leistungswettbewerb, sondern umfasse überwiegend Marketing- und Haltemaßnahmen, die auf die Akquise und Bindung von gesunden Patienten abzielten. »Ein echter Wettbewerb findet über den Zusatzbeitrag statt«, so die ABDA.
Und zu guter Letzt sollten innerhalb der GKV auch die Verwaltungskosten gesenkt werden.