ABDA fordert Rückruf der Apothekenreform |
Alexander Müller |
19.06.2024 16:00 Uhr |
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening und die ABDA-Spitze fordern die Regierung auf, den Entwurf zum Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) zurückzuziehen, / Foto: ABDA/Erik Hinz
Normalerweise befassen sich Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren mit einzelnen Aspekten einer Reform und liefern Korrekturvorschläge. Doch der aktuelle Entwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) enthält so viele aus Sicht der Apothekerschaft untragbare Punkte, dass es gleich einleitend heißt: »Der Referentenentwurf wird in der vorliegenden Fassung abgelehnt.«
Die in der vergangenen Woche bekannt gewordenen Pläne des BMG zerstören aus Sicht der ABDA das derzeitige Apothekensystem. »Die inhabergeführte Apotheke wird finanziell und strukturell ruiniert, Arbeitsplätze für approbierte Apothekerinnen und Apotheker werden massenhaft vernichtet und das Feld für die Zulassung des Fremdbesitzes an Arzneimittelvertriebsstellen bereitet«, heißt es in der Stellungnahme.
Die Arzneimittelversorgung werde faktisch negiert und durch reine Logistik und Handel ersetzt. »Dies führt zu einer gravierenden Verschlechterung der Arzneimitteltherapie- und der Patientensicherheit und belastet dadurch absehbar die Sozialsysteme mit Folgekosten«, warnt die ABDA. Offenbar solle ein grundlegender Systemwandel herbeigeführt werden. Die geplante Umverteilung werde mittelfristig »auch die letzte vollständig ausgestattete Apotheke unrentabel machen«, heißt es weiter.
Besonders kritisch wird die geplante Vertretungsregelung gesehen: »Durch die Zulassung von Betriebsstätten, die ohne vor Ort anwesende Apothekerin oder anwesenden Apotheker betrieben werden, wird der Begriff ›Apotheke‹ des ihn ausmachen den Wesenskerns beraubt, die Apothekenpflicht faktisch abgeschafft und der Weg zur Zulassung des Fremdbesitzes geebnet«, so die klare Einschätzung der ABDA.
Während den Apotheken mit der Reform sogar neue Aufgaben zugeteilt werden sollen, werde der ökonomische Druck zwangsläufig dazu führen, dass nur noch ein Mindestmaß an Approbierten in den Apotheken tätig sein werde. Ein Paradoxon aus Sicht der ABDA.
Die Möglichkeit, zusätzlich zu den heute maximal vier Betriebsstätten einer Apotheke zwei »Zweigapotheken« betreiben zu dürfen und Entfernungen zwischen den Betriebsstätten von circa drei Stunden PKW-Fahrzeit zuzulassen, machten bei minimaler Anwesenheitspflicht aus der eigenverantwortlichen Leitung einer Apotheke durch einen freien Heilberuf faktisch eine Fiktion, heißt es in der Stellungnahme.
Diese »fatalen Folgen« für die Versorgung der Bevölkerung ließen sich auch nicht mit einem »telepharmazeutischen« Angebot kompensieren. Auch werde der Betrieb von Abgabeautomaten nicht verhindert werden können, »da pharmazeutisches Personal bei der Auslieferung eines Arzneimittels verzichtbar gemacht wird, soweit eine Beratung durch pharmazeutisches Personal einer Apotheke in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aushändigung des Arzneimittels per Telepharmazie erfolgen kann«.
Die vorgesehene Option, Rezepturherstellung und Laboranalytik in einer Betriebsstätte eines Verbundes zu zentralisieren, schwäche die Resilienz des Systems erheblich, da bei Ausfall dieser Betriebsstätte durch ein Schadensereignis auch weitere zum Betrieb zählende Betriebsstätten für eine Prüfung von Ausgangsstoffen und die Herstellung von Rezepturen nicht mehr zur Verfügung stünden, heißt es weiter. Unter ungünstigen Bedingungen könnte das zu einer Mangelversorgung führen.
Eine »Abkehr vom Versorgungsgedanken« erkennt die ABDA in den BMG-Plänen zur Dienstbereitschaft mit Befreiungsmöglichkeit zugunsten einer Mindeststundenzahl der Öffnung. Dies werde dazu führen, dass auch während ortsüblicher Geschäftszeiten teilweise nur noch eine Notdienstversorgung stattfindet.
Mit der ApoRG sollen Skonti im Einkauf wieder ermöglicht werden. Das entspricht zwar einer Forderung der ABDA. Allerdings hätte man sich eine kurzfristige Regelung, etwa im Medizinforschungsgesetz, gewünscht.
»Nach alledem fordern wir dazu auf, den die Probleme in der qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung verschärfenden Referentenentwurf zurückzuziehen und für eine angemessene Finanzierung des bewährten Systems Sorge zu tragen«, heißt es abschließend in der Stellungnahme, die dem BMG heute zugesandt wurde.
Bei der mündlichen Anhörung am 25. Juni im Bundesgesundheitsministerium will die ABDA ihre
Position erläutern. Weitere politische Maßnahmen würden gemeinsam mit den Kammern, Verbänden und der gesamten Apothekerschaft diskutiert. Am 17. Juli wird sich das Kabinett mit dem Entwurf befassen. Die erste Lesung im Bundesrat könnte am 27. September erfolgen, die erste Lesung im Bundestag dann im Oktober.