| Ev Tebroke |
| 04.12.2025 14:50 Uhr |
Mit dem geplanten Notfallreformgesetz greift die Bundesregierung viele Pläne der Vorgängerregierung auf: unter anderem das Konzept der sogenannten Versorgungsapotheken. / © imago images/Steinach
Die Notfallreform ist ein zentrales Anliegen der Bundesregierung mit dem Ziel, die Überbelastung des Notfallsystems zu beheben. Die Notfallambulanzen der Kliniken sind zunehmend überfüllt, da Menschen dort Arztkontakt suchen, die eigentlich kein Notfall sind. Grund ist vor allem eine fehlende Patientensteuerung. Laut Statistikamt wurden im vergangenen Jahr mit 13 Millionen Menschen in Notaufnahmen versorgt – 5 Prozent mehr als 2023 und so viele wie noch nie seit Beginn der Erfassung in 2018.
Mit der Reform greift das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ein Vorhaben auf, das bereits die Ampelkoalition auf den Weg gebracht hatte, das wegen des Koalitionsbruchs aber nicht mehr abgeschlossen wurde. Geplant sind ein zentrales Steuerungssystem und eine Vernetzung der Versorgungsbereiche. So soll es flächendeckend sogenannte Integrierte Notfallzentren (INZ) geben, die die Notfallversorgung sektorenübergreifend sicherstellen sollen. Auch die Arzneimittelversorgung soll dort vor Ort erfolgen. Die ABDA kritisiert in ihrer Stellungnahme nun erneut die Schaffung von Parallelstrukturen und befürchtet eine Schwächung des Apothekennotdienstes.
»Wir begrüßen es, dass die Verzahnung des ambulanten und des stationären Notdienstes verbessert werden soll, insbesondere um Fehl- oder Doppelinanspruchnahmen zu vermeiden«, so Armin Hoffmann, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK). Der vorgelegte Referentenentwurf sei allerdings nur bedingt geeignet, den Besonderheiten der Arzneimittelversorgung in Notfällen angemessen Rechnung zu tragen. Aus Sicht der ABDA berücksichtigt der Entwurf insbesondere das funktionierende System der Dienstbereitschaft durch öffentliche Apotheken nicht.
Geplant sind sogenannte Versorgungsapotheken, die die Notdienstpraxen mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten beliefern sollen. Dazu sollen Kassenärztliche Vereinigung und der Krankenhausträger einen Versorgungsvertrag mit einer Apotheke schließen. Bis zum Abschluss eines solchen Versorgungsvertrages sollten die Notfallpraxen ursprünglich auch Medikamente abgeben dürfen. Dieses Dispensierrecht ist im aktuellen Referentenentwurf nicht mehr enthalten. Damit wurde einem wesentlichen Anliegen der ABDA Rechnung getragen.
Eine Versorgungsapotheke muss entweder in unmittelbarer Nähe des INZ liegen oder eine zweite Offizin mit Lagerräumen auf dem Gelände betreiben. Eine solche Zweitoffizin soll unter vereinfachten Regelungen betrieben werden können. Dieses Konzept war bereits im Ampel-Notfallreformgesetz vorgesehen. Neben dem Konstrukt solcher »Lightapotheken« auf dem Klinikgelände, das die ABDA schon früher bemängelt hatte, kritisiert die Bundesvereinigung nun vor allem auch die Finanzierung dieser neuen Apothekenstruktur über den Nacht- und Notdienstfonds (NNF).
»Der Referentenentwurf sieht vor, Parallelstrukturen zu schaffen und diese über den Nacht- und Notdienstfonds der Apotheken zu finanzieren. Das lehnen wir ab, denn es vermindert die Mittel für den flächendeckenden Notdienst der Apotheken«, so BAK-Präsident Hoffmann.
Aus Sicht der ABDA würden Parallelstrukturen in der Nähe von Notfallzentren zudem dafür sorgen, dass weniger Patientinnen und Patienten in die anderen Notdienstapotheken kämen. Das würde das funktionierende Nacht- und Notdienstsystem schwächen und bestehende Versorgungsstrukturen zerstören, so die Befürchtung. »Wir versorgen pro Notdienst mit rund 1.000 Apotheken insgesamt etwa 20.000 Menschen«, unterstreicht Hoffmann. »Unser Notdienst darf durch die Schaffung neuer Parallelstrukturen nicht geschwächt werden.«
Im Jahr 2024 leisteten die Apotheken vor Ort nach ABDA-Angaben insgesamt etwa 380.000 Notdienste. Alle Apotheken sind zur Notdienstbereitschaft verpflichtet. Für die Einteilung der Dienste ist die jeweilige Apothekerkammer zuständig. Die Mehrheit der Patientinnen und Patienten kommt laut ABDA ohne vorherigen Arztkontakt in die Notdienstapotheke.