44 Prozent kaufen Cannabis in Apotheken |
Lukas Brockfeld |
02.09.2025 15:30 Uhr |
Medizinisches Cannabis wird nicht immer aus medizinischen Gründen konsumiert. / © Imago/Torsten Leukert
Seit April 2024 ist Cannabis unter strengen Auflagen in Deutschland legal. Eines der erklärten Ziele des Gesetzes ist die Zurückdrängung des Schwarzmarktes. Kontrolliert produzierte Cannabisprodukte sollen die Gesundheit der Konsumierenden schützen und gleichzeitig die organisierte Kriminalität eindämmen.
Ob das gelingen kann, war jedoch von Anfang an umstritten. Die Union kritisiert das Gesetz scharf und möchte Genusscannabis am liebsten wieder vollständig verbieten. Im Herbst will die Koalition die Auswirkungen des Cannabisgesetzes evaluieren. Noch ist unklar, wie es dann weitergeht.
Mit dem zeitgleich erlassenen Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) fällt Cannabis nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz. Das machen sich mehrere Online-Plattformen zunutze, die Rezepte für Medizinalcannabis nach dem Ausfüllen eines Fragebogens ausstellen. Die Bundesregierung möchte das mit einem neuen Gesetz unterbinden und die Onlineverordnung und den Versand von Cannabisblüten grundsätzlich verbieten.
Eine neue große Umfrage des Instituts für Suchtforschung (ISFF) der Frankfurt University of Applied Sciences in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Hochschule Freiburg zeigt jetzt, dass die beiden Gesetze der Ampel-Koalition den Markt für Cannabis offenbar deutlich verändert haben.
Das Forschungsteam wertete für die Online-Erhebung Fragebögen von fast 11.500 Konsumierenden aus. 85,9 Prozent der Befragten waren männlich, 13,4 Prozent weiblich. Der Altersmedian lag bei 37 Jahren. 96,5 Prozent hatten die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Stichprobe ist nicht repräsentativ. Das bewusste Ziel der Forschenden war es, vor allem regelmäßig oder häufig Konsumierende zu erreichen. In der Stichprobe konsumierten 81 Prozent mindestens wöchentlich Cannabis, 39 Prozent sogar täglich.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage kaufen immer seltener bei einem Dealer. 88 Prozent der befragten Erwachsenen gaben an, dass sie in den letzten sechs Monaten Cannabis hauptsächlich aus einer grundsätzlich legalen Quelle bezogen hatten. In der Zeit vor dem Gesetz nutzten 24 Prozent eine der jetzt legalisierten Möglichkeiten als Hauptquelle. Insgesamt 36,1 Prozent haben in den letzten 6 Monaten noch eine illegale Quelle verwendet.
62,3 Prozent der Befragten gaben an, selbst Cannabis angebaut zu haben. 43,7 Prozent haben medizinisches Cannabis aus einer (Online-)Apotheke bezogen. Von denjenigen, die angeben, ihr Cannabis aus der Apotheke zu beziehen, erklärten 94 Prozent, kein Rezept mit Kostenübernahme der Krankenkasse für ihren medizinischen Gebrauch zu haben. 6 Prozent haben ein Rezept mit Kostenübernahme. Gleichzeitig sagten 53,7 Prozent aller Befragten, dass sie Cannabis (auch) aus medizinischen Gründen konsumieren.
»Die Befragung zeigt, dass das Cannabisgesetz bereits jetzt ein Erfolg im Hinblick auf die Schwächung des illegalen Marktes ist: Gerade diejenigen, die den Großteil des Cannabis in Deutschland verbrauchen, nutzen weit überwiegend legale Quellen«, erklärt Bernd Werse, Direktor des ISFF und Leiter des Projektes, in einer Pressemitteilung.
Zudem gibt die Auswertung einen Einblick in die Konsumformen der Befragten. Am beliebtesten ist hier der Joint mit Tabak, knapp gefolgt von Vaporizern. Jeder fünfte Befragte nutzt auch synthetische Cannabisprodukte.
Beim Umgang mit Cannabis zeigen sich in der Umfrage Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Zwar ist regelmäßiger Konsum unter Frauen generell deutlich geringer verbreitet, jedoch konsumieren sie laut der Umfrage insgesamt risikoreicher und rauchen häufiger Joints oder synthetische Cannabinoide. Zudem nutzen Frauen weiterhin eher illegale Quellen – das liegt laut dem Forschungsteam vor allem daran, dass sie deutlich häufiger Cannabis von Freunden nutzen, statt sich selbst um die Beschaffung zu kümmern.
Mit dem Cannabisgesetz wurden strenge Regeln für den Konsum in der Öffentlichkeit eingeführt. So ist beispielsweise der Konsum in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr verboten. Doch die meisten Befragten konsumieren ohnehin lieber im privaten Raum. »Es geben fast alle das eigene Grundstück als einen ihrer Konsumorte an. Knapp die Hälfte nennt auch den öffentlichen Raum als Konsumort. Die wenigen befragten Jugendlichen dagegen nennen deutlich häufiger auch den öffentlichen Raum als einen der Orte des Konsums«, erklärt Anke Stallwitz, Professorin für Sozialpsychologie an der Evangelischen Hochschule Freiburg.
Das CanG brachte für viele Konsumierende offenbar auch eine mentale Entlastung. So gaben mehr als drei Viertel der Befragten an, keine Angst mehr vor einer Strafverfolgung zu haben. Mehr als zwei Drittel haben auch weniger Hemmungen, sich bei Problemen mit ihrem Konsum Hilfe zu suchen.
Eigentlich plante die Ampel-Regierung und der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass das legale Cannabis vor allem über Anbauvereinigungen bezogen werden soll. Doch nur 2,5 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, Cannabis von einer Anbauvereinigung erhalten zu haben.
Die sogenannten Cannabis Social Clubs müssen sehr strenge Anforderungen erfüllen und sehen sich von Seiten der Bundesländer oft mit langwierigen Zulassungsverfahren konfrontiert. Im Juli 2025, ein Jahr nach der gesetzlichen Erlaubnis von Cannabis-Clubs, hatten die Behörden insgesamt nur 293 Vereinigungen zugelassen. Die Anbauvereinigungen dürfen nicht mehr als 500 Mitgliederinnen und Mitglieder haben. Die bisher genehmigten Clubs können also maximal 146.500 Menschen versorgen. In Deutschland gibt es nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums etwa 4,5 Millionen Erwachsene zwischen 18 und 59 Jahren, die in den letzten 12 Monaten bei mindestens einer Gelegenheit Cannabis konsumiert haben.