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Aids in Deutschland

40 Jahre HIV

Im Jahr 1983 wurde das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) erstmals als Erreger der Immunschwächekrankheit Aids erkannt und beschrieben. Trotz erheblicher Fortschritte in Prävention, Diagnostik und Therapie ist die Epidemie noch längst nicht beendet.
AutorKontaktChristina Hohmann-Jeddi
Datum 30.11.2023  18:00 Uhr

1981 wurde die Immunschwächekrankheit Aids erstmals beschrieben. Zwei Jahre später, also vor 40 Jahren, entdeckten Professor Dr. Luc Montagnier und Professor Dr. Françoise Barré-­Sinoussi vom Institut Pasteur in Paris den verantwortlichen Erreger und veröffentlichten ihre Erkenntnisse im Fachjournal »Science« (DOI: 10.1126/science.6189183). Im Jahr 2008 erhielten die beiden den Nobelpreis für Medizin für ihre Entdeckung, die den Weg zu Diagnostik und Therapie der HIV-Infektion ebnete. Heute sind der Erreger, sein Übertragungsweg und die Vermehrung im Detail aufgeklärt und die Infektion ist therapierbar, aber die Epidemie ist noch lange nicht besiegt.

Bei HIV handelt es sich um ein Retrovirus, das in den Wirtszellen sein RNA-Genom in DNA umschreibt und es dann im Wirtsgenom integriert (siehe Kasten). Das Jubiläum der Erstbeschreibung nimmt das Robert-Koch-Institut (RKI) zum Anlass, einen Überblick über die Aids-Epidemie in Deutschland zu geben. Der Erreger sei bereits Ende der 1970er-Jahre nach Deutschland gelangt, wie im Nachhinein festgestellt wurde. Stärker ausbreiten konnte sich das Virus dann Anfang der 1980er-Jahre, berichtet das RKI im »Epidemiologischen Bulletin« (47/2023).

HIV breitet sich aus

Häufig seien Hämophiliepatienten betroffen gewesen, weil diese meist mit Gerinnungsfaktorkonzentraten aus Blutspenden behandelt worden seien, die aus den USA stammten und nicht mit virusinaktivierenden Methoden behandelt worden seien. »Als es Mitte der 1980er-Jahre erstmals möglich wurde, auf das Vorhandensein einer HIV-Infektion zu testen, war die Mehrheit der westdeutschen Hämophiliepatienten bereits mit HIV infiziert«, so das RKI. Zudem breitete sich der Aids-Erreger unter Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), und unter Drogenkonsumenten vor allem in Großstädten aus. Der Gipfel dieser ersten Infektionswelle in Deutschland wurde 1985 mit mehr als 5000 Neuinfektionen erreicht.

Danach gingen die HIV-Neuinfektionszahlen zurück, was das RKI auf einen Sättigungseffekt in den Risikogruppen, aber auch auf erfolgreiche Präventionsmaßnahmen wie die »Safer Sex«-Kampagne und die Bereitstellung von sterilen Injektionsbestecken für Drogenkonsumenten zurückführt. Die Angst vor der unheilbaren, tödlichen Erkrankung habe zu einer massiven Verhaltensänderung in der Bevölkerung geführt: Die Partnerzahlen sanken, auf Analverkehr wurde verzichtet und die Verwendung von Kondomen etablierte sich.

Einen weiteren Einschnitt bedeutete die Entwicklung einer antiretroviralen Therapie (ART), die ab 1996 eine effektive Behandlung der Infektion erlaubte und in Deutschland allen dia­gnostizierten Patienten zur Verfügung gestellt wurde. Dies verringerte die Zahl der HIV-Neuinfektionen zusätzlich, da bei einer niedrigen Viruslast im Blut der Erreger nicht übertragen werden kann.

Zweite Infektionswelle ab dem Jahr 2000

Der Trend kehrte sich aber zu Beginn des neuen Jahrtausends wieder um und ab dem Jahr 2000 wurde ein deutlicher Anstieg der Neuinfektionszahlen verzeichnet. Dies führt das RKI im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurück. Zum einen setzte sich in der Fachwelt wegen der komplizierten Einnahmeschemata der ART und ihren durchaus ernsten unerwünschten Wirkungen die Einstellung durch, dass mit der medikamentösen Behandlung erst möglichst spät begonnen werden sollte. Mit dem ART-Start sollte gewartet werden, bis die Zahl der T-Helferzellen einen bestimmten Schwellenwert unterschreitet, lautete die Empfehlung. Entsprechend war ein Teil der HIV-Infizierten zu dieser Zeit unbehandelt und somit infektiös. Erst ab 2017 wurde wieder ein sofortiger Therapiebeginn empfohlen, da sich gezeigt hatte, dass dieser dem Behandelten nützt und dessen Infektiosität absenkt.

Zum anderen führte die Etablierung des Internets und später auch die zunehmende Verbreitung von Smartphones zu einer vereinfachten Partnersuche gerade in der MSM-Szene außerhalb von Großstädten. »Die Möglichkeit, potenzielle Sexualpartner online auf Datingseiten im Internet und später mit dem Smartphone über Apps zu finden, ›revolutionierte‹ die Partnersuche«, so das RKI.

Ab 2007 begann die Zahl der Neuinfektionen aufgrund der verstärkten HIV-Testung und dem sofortigen Therapiebeginn wieder zu sinken. Ein besonders starker Rückgang im Jahr 2020 ging vermutlich auf die Kontaktbeschränkungen zu Beginn der Coronapandemie zurück. Seitdem ist die jährliche Zahl der HIV-Neuinfektionen in etwa konstant. Für das Jahr 2022 wird eine Gesamtzahl von 1900 HIV-Neuinfektionen geschätzt. Hiervon sind etwa 1000 MSM; 520 Personen haben sich auf heterosexuellem Weg angesteckt und 370 durch intravenösen Drogengebrauch.

PrEP bekannter machen

Dass die Zahl der Neuinfektionen nach Ende der Kontaktbeschränkungen nicht wieder stark angestiegen ist, liege vermutlich an der vermehrten Nutzung der medikamentösen Präexpo­sitionsprophylaxe (PrEP) für HIV. Bei dieser nehmen HIV-negative Menschen ein antiretrovirales Medikament ein, um sich vor einer Ansteckung zu schützen. Zugelassen ist hierfür in der EU seit 2016 die Wirkstoffkombination Emtri­citabin und Tenofovirdisoproxil (Tru­vada® und Generika). In Kürze könnte auch eine Langzeit-PrEP mit dem Wirkstoff Cabotegravir (Apretude®) die Zulassung erhalten. Dieses Präparat soll sechsmal pro Jahr injiziert werden.

Derzeit wird die PrEP zu mehr als 98 Prozent von MSM angewendet. Andere Risikogruppen würden bislang nicht erreicht, weshalb eine verstärkte Information von Laien, aber auch von Facharztgruppen nötig sei, um die Infektionszahlen in Deutschland weiter zu senken, so das RKI. Letztere steigen nämlich in manchen Risikogruppen, etwa bei Heterosexuellen mit riskantem Sexualverhalten und Drogen­abhängigen, noch an, während sie bei MSM stagnieren.

Ein von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgegebenes Ziel ist es, dass HIV/Aids bis 2030 kein Gesundheitsproblem mehr darstellt. Dieses Ziel sei trotz aller Fortschritte nicht zu erreichen – in Deutschland und auch weltweit nicht. Zwei Teilziele seien hierzulande aber schon erreicht worden: 95 Prozent der Diagnostizierten erhalten eine ART und 95 Prozent der Therapierten weisen eine Viruslast ­unter der Nachweisgrenze auf. Für das letzte verbleibende Teilziel, die Neu­infektionszahl um 90 Prozent des Ausgangswertes (von 2700 auf unter 300 pro Jahr) zu senken, sei noch einige Anstrengung nötig. Mit den bisherigen Ansätzen sei das nicht zu schaffen. Ebenso hält das RKI es für unrealistisch, das HI-Virus aus der menschlichen Population weltweit zu eliminieren. Das sei nur mit einem effektiven Impfstoff zu erreichen, der aber nicht in Sicht sei.

Kein Ende der Epidemie absehbar

Ähnlich äußert sich Dr. Linda-Gail Bekker, HIV-Expertin an der University of Cape Town in Südafrika, im Fachjournal »Nature Reviews Microbiology« (DOI: 10.1038/s41579-023-00979-y). 40 Jahre nach der Entdeckung von HIV sei die Epidemie noch lange nicht vorbei, schreibt sie. Während in einigen der am stärksten betroffenen Regionen Afrikas und Ostasiens die HIV-Inzidenz gesunken sei, stiegen die Inzidenz und die Todesraten in Regionen wie dem Nahen Osten, Teilen Nord- und Westafrikas, Zentralasien und Osteuropa weiter an.

Zudem sei es noch nicht gelungen, die Infektionen unter jungen Menschen einzudämmen, insbesondere in den marginalisierten Bevölkerungsgruppen der sexuellen Minderheiten und im südlichen Afrika. Um die schätzungsweise 15 Millionen Menschen zu erreichen, die immer noch eine ART benötigen, um eine optimale Prävention für alle zu gewährleisten und die wichtige Suche nach einem sicheren und wirksamen Impfstoff fortzusetzen, seien weitere große Anstrengungen erforderlich – und zwar weltweit und auf vielen Ebenen.

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