3D-Bioprinting soll Zahl der Tierversuche senken |
Ein großer Teil aktueller Studien befasst sich mit der Herstellung spezifischer Gewebe wie Knochen, Knorpel, Haut oder anderer Organe (Symbolbild). / © Getty Images/andresr
In das sogenannte 3D-Bioprinting werden große Hoffnungen gesetzt. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) könnte es helfen, um Herausforderungen wie die Reparatur oder den Ersatz menschlicher Organe und Gewebe zu bewältigen. Bioprinting ist als Forschungsfeld vor rund 20 Jahren entstanden. Mit 3D-Druckverfahren werden lebende Zellen mit Hilfsstoffen, die ein Gerüst bilden, zu größeren Gewebestrukturen »gedruckt«. Dafür gibt es verschiedene Technologien. Beim Inkjet-Verfahren etwa werden sogenannte Biotinten als winzige Tröpfchen über mehrere Druckköpfe schichtweise auf ein Substrat aufgetragen.
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) forscht man unter anderem an künstlichen Baby-Herzklappen und zur Hornhaut des Auges (Cornea). Am Ende sollen für Menschen mit Cornea-Erkrankungen maßgeschneiderte und funktionsfähige Hornhäute entstehen, die nur ein minimales Risiko von Abstoßungsreaktionen haben. Das liegt laut Professor Dr. Ute Schepers vom Institut für Funktionelle Grenzflächen am KIT daran, dass die verwendeten Zellen vom betroffenen Patienten stammen. Aus einem Hautstück könnten in etwa vier Wochen sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen erstellt werden. Daraus könnten sich verschiedene Zelltypen entwickeln – etwa für die Hornhaut.
Auch wenn 3D-gedruckte Organteile wie Haut oder Knorpel teilweise schon erfolgreich eingesetzt werden, reichen die derzeit zur Verfügung stehenden Materialien und Methoden noch bei weitem nicht aus, wie es in einer Publikation von Oktober 2023 des damaligen Bundesforschungsministeriums (BMBF) heißt. »Zu komplex und im Detail noch zu wenig verstanden sind der Aufbau und die Funktion menschlicher Organe.«
Was ist das Problem? Im Labor herrschen sterile Bedingungen, Zellen können mit Nährlösungen gewissermaßen gedüngt werden, wie Professor Dr. Niels Grabow erklärt. »Aber nach einer Transplantation muss das Konstrukt in Wechselwirkung mit dem Organismus funktionieren«, sagt der Sprecher des Fachausschusses Biomaterialien und medizinische Implantate der Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Technik. »Auf der einen Seite ist das Transplantat im Körper möglicherweise mit Blut in Kontakt, während es auf der anderen mit Gewebszellen in Kontakt steht.«
Die Cornea sei mehr oder weniger zweidimensional, sagt Grabow, der am Institut für Biomedizinische Technik der Universitätsmedizin Rostock ebenfalls zur Hornhaut forscht. »Da hat man hohe Chancen, dass man die Versorgung vergleichsweise gut hinbekommt.« Je weiter man aber in den Körper hineingehe und je größer die Organe würden, desto schwerer werde etwa die Anbindung an Blutgefäße, erklärt er und nennt die Leber als Beispiel. »Da sprechen wir von einem Kilogramm-schweren Organ und nicht von einer dünnen Zellschicht.«
Das neue Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) betont, die verwendeten Materialien und Prozesse müssten standardisiert und reproduzierbar sein, damit jeder Druckvorgang immer ein vergleichbares Ergebnis erziele. Im Mai sei dazu nach zwei Pilotprojekten eine Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) veröffentlicht worden. »Auf diese Weise wurde ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur standardisierten Anwendung des Bioprintings erreicht.«
Bislang beschränkt sich das laut Grabow auf Einzelstudien zum Beispiel zur Hornhaut. »Hier sind die Hürden vergleichsweise niedrig, um an Patienten zu gehen, da das Transplantat von außen zugänglich bleibt.« Meist umfassen die Studien demzufolge nur wenige Betroffene. »Ein großer Teil aktueller Studien befasst sich mit der Herstellung spezifischer Gewebe wie Knochen, Knorpel, Haut oder anderer Organe«, heißt es in der BMBF-Broschüre. Erste Anwendungsfälle wie die Transplantation einer 3D-gedruckten Ohrmuschel aus Zellen des Patienten seien schon umgesetzt.
Das Bundesgesundheitsministerium nennt die Untersuchung von Krankheiten wie Krebs im Labor als Beispiel. für weitere Vorteile des Bioprintings. »Hierbei werden geeignete Gewebemodelle gedruckt, um spezifische Wirkstoffe und neue Behandlungsmethoden beispielsweise zur Krebstherapie zu testen.« Forscherin Schepers sieht in dem sogenannten veganen Kollagen, mit dem das KIT arbeitet, auch eine wichtige Alternative zu Tierversuchen. Am KIT sei die Zahl der eingesetzten Mäuse auch wegen der neuen technischen Möglichkeiten schon deutlich verringert worden.
Von 250 in Tierversuchen getesteten Molekülen komme im Schnitt am Ende eines auf den Markt, erklärte die Abteilungsleiterin Chemische Biologie. Diese Zahl solle deutlich reduziert werden. Mit 3D-Bioprinting könnten rasch Gewebestrukturen mit Zellen gedruckt werden. Am KIT arbeitet ein sogenanntes 3R-Zentrum an Ersatzmethoden für Tierversuche. Bei 3R geht es darum, Tierversuche zu reduzieren (Reduce), zu ersetzen (Replace) oder zu verbessern (Refine).
Das Bundesgesundheitsministerium sieht Potenzial zur Untersuchung von Krankheiten wie Krebs im Labor. »Hierbei werden geeignete Gewebemodelle gedruckt, um spezifische Wirkstoffe und neue Behandlungsmethoden beispielsweise zur Krebstherapie zu testen«, erläuterte ein Sprecher des Ministeriums. Der Druck Patienten-eigener Zellgewebe könnte demnach Potenziale für eine Vorauswahl erfolgversprechender individueller Therapieformen bieten.
Viele Fragen sind Grabow zufolge offen. Dabei gehe es unter anderem darum, woher die Zellen kommen: Müssen sie vom Patienten selbst stammen, kommen Spenderzellen infrage, können Stammzellen genutzt werden? Die EU sei eher dabei, dies stärker zu regulieren. »Hier muss man schauen, welche Brücken man gehen kann«, sagt er. Gibt es zum Beispiel Ausnahmen etwa für Heilversuche bei Schwerstkranken, bei denen etablierte Therapien nicht mehr wirken?
Die WHO schreibt in einem Bericht, die Regulierung sei eine Herausforderung wegen der neuartigen Kombinationen und Formen medizinischer Eingriffe, die die Technologie ermöglicht. Das Bundesgesundheitsministerium erklärt: »In Anbetracht des frühen Entwicklungsstadiums von Bioprinting-Produkten ist ein Bedarf für regulatorische Anpassungen derzeit nicht erkennbar.«
Das Forschungsfeld hat zumindest deutlich an Fahrt aufgenommen. »Die Anzahl der jährlichen wissenschaftlichen Publikationen zum Thema hat sich weltweit in den letzten zehn Jahren auf derzeit rund 1000 verdreißigfacht«, heißt es im BMBF-Bericht.