»2D-Druck könnte die Herstellung revolutionieren« |
Carolin Lang |
14.05.2021 18:00 Uhr |
Der Pharma-Drucker bringt die Lösung mit dem Arzneimittel in exakter Dosierung auf briefmarkendünne Plättchen auf. / Foto: Universitätsklinikum Heidelberg
Die individualisierte Arzneimittelherstellung für Kinder ist in Kliniken und Apotheken häufig mit großem Aufwand verbunden. Handelsübliche Präparate müssen dazu meist kindgerecht herunterdosiert werden – ein fehleranfälliger und zeitintensiver Prozess. Eine automatisierte Methode könnte diesen künftig vereinfachen: »Der 2D-Druck von Arzneimitteln ist bei Weitem genauer und schneller als eine manuelle Kapsel- oder Suspensionsherstellung«, berichtet Hoppe-Tichy, Leiter der Klinikapotheke am UKHD. »Die Methode könnte die präzise Arzneimittelherstellung für Kinder revolutionieren.«
Das Prinzip ist folgendes: Vergleichbar mit einem herkömmlichen Tintenstrahldrucker trägt ein 2D-Drucker eine wirkstoffhaltige Lösung auf ein Gelplättchen auf. »Über die Tröpfchenmenge wird dosiert«, erklärt Hoppe-Tichy. »Vorab muss man natürlich eine Rezeptur entwickeln und den Arzneistoff in Lösung bringen. Diese muss kompatibel mit dem Film sein.« Das Produkt des Druckvorgangs ist dann ein wirkstoffhaltiger orodispersibler Film auf einem briefmarkendünnen Plättchen, der sich später im Mund des Patienten auflöst und buccal resorbiert wird. »Die Herstellung von 15 Einzeldosen dauert höchstens zehn Minuten«, führt der Fachapotheker für klinische Pharmazie und pharmazeutische Analytik aus.
Neben der Schnelligkeit und Präzision sieht Hoppe-Tichy einen Vorteil in der Darreichungsform. Im Vergleich zu Kapseln und Suspensionen sei die Anwendung bei Kindern einfacher und genauer. »Der Film wird in die Backentasche gelegt und bleibt dort zunächst haften. Man kann also recht sicher sein, dass die volle Dosis im Kind ankommt«, sagt er.
Von einer Anwendung in der Praxis ist man bislang jedoch noch weit entfernt. In einer klinischen Machbarkeitsstudie untersucht die Arbeitsgruppe derzeit an insgesamt 24 Probanden die grundsätzliche Eignung der neuen Technik. Neben Hoppe-Tichy sind unter anderem die Apothekerinnen Dr. Stephanie Sauer und Dr. Lenka Taylor an der Studie beteiligt. Sie steht unter der Leitung von Professor Dr. Walter Haefeli, dem ärztlichen Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie am UKHD. Das Startup »DiHeSys Digital Health Systems GmbH« stellt dem Team den eigens entwickelten 2D-Arzneimitteldrucker zur Verfügung.
Die Studie soll unter anderem klären, wie gut das gedruckte Medikament über die Mundschleimhaut aufgenommen wird und wieviel Arzneistoff im Blut ankommt. Für die Untersuchungen verwendet die Arbeitsgruppe den Arzneistoff Midazolam in geringen Mengen, aber in einem 100-fachen Dosierungsbereich, also von 30 µg bis 3 mg.
Dr. Torsten Hoppe-Tichy ist Leiter der Apotheke des Universitätsklinikums Heidelberg. / Foto: Universitätsklinikum Heidelberg
»Ich sehe den Arzneimitteldruck generell eher im Rahmen der personalisierten Medizin«, so Hoppe-Tichy. Der 2D-Druck eigne sich dabei vor allem für Kinder. Beim 3D-Druck hingegen sei auch die Geriatrie ein möglicher Einsatzbereich. »Dabei könnte man rein theoretisch zehn Wirkstoffe in eine einzelne Tablette drucken. Unser Drucker kann das allerdings nicht.«
»Wir müssen an allen Stellen automatisieren, wo wir automatisieren können. Denn ich bin der Überzeugung, dass sich das Problem der Personalgewinnung in Kliniken künftig weiter verschärft. Große Krankenhäuser stellen jährlich Unmengen an Rezepturen in kindgerechten Dosierungen her. Und es besteht ein Mangel an PTA. Insofern ist jede Automatisierung auch ein Schritt in die Zukunft«, so Hoppe-Tichy. Ziel sei es daher, die Technik so schnell wie möglich in die klinische Routine zu überführen.