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USA: Anaphylaxien häufig durch Fleischallergie

 

Was in Deutschland fast unbekannt ist, führt in den USA häufig zu gefährlichen Anaphylaxien: eine Allergie gegen rotes Fleisch. Obwohl erst 2009 erstmals beschrieben, ist sie mittlerweile zu einem der wichtigsten Auslöser der schweren allergischen Reaktionen in den USA geworden, zeigt eine Untersuchung von Forschern des University of Tennessee Health Science Center (UTHSC), die nun im Fachjournal «Annals of Allergy, Asthma and Immunology» erschien.

Zugrunde liegt der Allergie eine Sensibilisierung gegen den Zucker Galactose-alpha-1,3-Galactose (α-Gal), der sich an Proteinen im Fleisch von allen Säugetieren außer Affen und Menschen befindet. Zu der Sensibilisierung kommt es, wenn Menschen von einer bestimmten Zeckenart, der sogenannten «Lone Star»-Zecke (Amblyomma americanum) gebissen werden. Wie genau der Zeckenstich eine Sensibilisierung, also die IgE-Antikörperbildung gegen α-Gal auslöst, ist bislang noch nicht vollständig geklärt. Entweder wird die Immunreaktion durch normale Speichelbestandteile der Zecke ausgelöst oder durch im Speichel enthaltene Säugetier-α-Gal von einer vorherigen Blutmahlzeit oder von einem weiteren in den Zecken vorkommenden Organismus wie etwa Rickettsien oder Borrelien. Da die «Lone Star»-Zecke vor allem in den südöstlichen Staaten der USA und Mexiko vorkommt, sind auch dort vergleichsweise viele Menschen von einer Allergie gegen rotes Fleisch betroffen.

In Tennessee ist die Fleischallergie inzwischen die häufigste Ursache für Anaphylaxien geworden, wie eine Untersuchung von Dr. Debendra Pattanaik und ihren Kollegen zeigt. Sie hatten die Daten von 218 Patienten, die zwischen 2006 und 2016 wegen Anaphylaxie am UTHSC behandelt worden waren, ausgewertet. «33 Prozent der Anaphylaxien waren von α-Gal verursacht», sagt Pattanaik. Andere Nahrungsmittelallergien zusammen genommen waren der zweithäufigste Grund für Anaphylaxien (28 Prozent). Die restlichen Fälle wurden durch Insektengift (18 Prozent), Sport (6 Prozent), systemische Mastozytose (6 Prozent) und Arzneimittel (4 Prozent) ausgelöst.

«Bei einer vergleichbaren Analyse, die wir 1993 und dann noch einmal 2006 durchgeführt hatten, gab es viele Fälle mit unidentifizierbarer Ursache», sagt Pattanaik. Deren Anzahl sank von 59 Prozent im Jahr 2006 auf 35 Prozent in der aktuellen Studie. Der Grund ist vermutlich die deutlich gestiegene Zahl identifizierter α-Gal-Allergien, welche zum Zeitpunkt der vorherigen Untersuchungen noch gar nicht entdeckt war. Inzwischen sei die Fleischallergie allerdings bekannt und es stünden auch gute Testmöglichkeiten zur Verfügung, heißt es in einer Mitteilung des Journals.

Zu Bedenken sei, dass der US-Staat Tennessee eine große Population der Lone-Star-Zecke aufweise, was die hohe Rate an α-Gal-Fällen erklären könne, schreiben die Forscher. In anderen Bundesstaaten könnte die Verteilung der Anaphylaxie-Ursachen anders ausfallen. Aber mittlerweile würden α-Gal-Fälle aus dem gesamten Land gemeldet.

Während in den USA die Lone-Star-Zecke für die Allergieform verantwortlich ist, sind dies in anderen Ländern Ixodes-Arten. Entsprechende Berichte gibt es aus Australien von Ixodes holocyclus und aus Europa (vor allem Schweden) von Ixodes ricinus, dem Gemeinen Holzbock.

 

Auch in Deutschland, vor allem im Süden, kann es zu einem α-Gal-Syndrom kommen. Wie eine Untersuchung von Forschern um Professor Dr. Tilo Biedermann vom Münchener Klinikum rechts der Isar zeigt, ist eine entsprechende Sensibilisierung bei Waldarbeitern und Jägern sogar recht häufig: 35 Prozent der der 300 untersuchten Probanden wiesen IgE-Antikörper gegen α-Gal auf. Das berichteten die Forscher 2017 im Fachjournal «Allergy». Laut Biedermann sind etwa 100 Fälle der Allergie aus Deutschland bekannt. Das Ausmaß der auftretenden Symptome scheinen dem Experten zufolge von der verzehrten Fleischmenge und von der Anzahl der Zeckenstiche abzuhängen – je häufiger man gestochen wurde desto größer ist das Risiko für eine Fleischallergie.

 

Entdeckt wurde die Fleischallergie übrigens, als Forscher der University of North Carolina die Ursache für allergische Reaktionen auf den EGFR-Antikörper Cetuximab (Erbitux®) der Firma Bristol-Myers-Squibb untersuchten. Eine Reihe von Patienten reagierte bereits bei der ersten Applikation des Medikaments allergisch. Die Sensibilisierung musste also schon vorher erfolgt sein. Wie sich zeigte, richtet sich auch diese Reaktion gegen α-Gal, das sich auf dem Antikörper Cetuximab befindet. Die Reaktion tritt allerdings sofort ein, während die Reaktion auf α-Gal in rotem Fleisch verzögert (nach mehreren Stunden) auftritt. (ch)

DOI: 10.1016/j.anai.2018.07.017
DOI: 10.1111/all.13156

 

03.08.2018 l PZ

Foto: Fotolia/itakdalee

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