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Pharmaskandale: Hamburger Apotheker fordern «Security first»

 

Zum politischen Sommerfest von Hamburger Apothekerkammer und -Verein konnten der LAV-Vorsitzende Dr. Jörn Graue (Foto rechts) und Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen (Foto links) am Dienstagabend zahlreiche Repräsentanten befreundeter Institutionen, der Ärzteschaft, der Verwaltung, der Pharmaindustrie und der Krankenkassen begrüßen.


Erst vor kurzem wurde in Hamburg erneut eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden und erfolgreich entschärft. Die stimmungsvolle und idyllische Atmosphäre des Sommerabends an der Außenalster dürfe nicht darüber hinweg täuschen, dass (wie punktuell die Hansestadt) auch das deutsche Apothekenwesen «mit Bomben unterminiert», sprich: von Krisen und Pharmaskandalen geschüttelt sei, konstatierte Siemsen zu Beginn des Empfangs der circa 90 Gäste.  


In Griechenland gestohlene Krebsmedikamente mit Hinweisen auf kriminelle Netzwerke bei gleichzeitigem Versagen der Aufsichtsbehörden, in China hergestellte Valsartan-haltige Blutdrucksenker, die mit potentiell krebserregenden Stoffen verunreinigt sind, Arzneimittel-Lieferengpässe, Reimporte als Einfallstor für gefälschte Medikamente, gepanschte Zytostatika durch kriminelle Arzneimittel-Betrüger, die den gesamten Berufsstand in Verruf bringen: «Wir Apotheker fühlen uns wie Feuerwehrleute und Sprengmeister, die ständig an neuen Einsatzorten kämpfen müssen und – sei es gegebenenfalls auch nur durch Information und Beratung verunsicherter Ärzte und Patienten – auszubaden suchen, was andere verursacht haben», sagte der Kammerpräsident. Er forderte strukturelle und arzneimittelrechtliche Konsequenzen.


Politischer Handlungsbedarf sei auch in weiterer Hinsicht gegeben: «Die Apotheke blutet hinsichtlich Nachwuchs und Fachkräften aus. Noch immer kämpfen wir um eine adäquate und dynamische Honorierung. Noch immer ringen wir auch um den Erhalt der Gleichpreisigkeit von Arzneimitteln gegebenenfalls in Form eines RX-Versandverbotes»,kritisierte Siemsen. Bis heute habe sich die Bundesregierung nicht in der Lage gezeigt, dem «EU-Preis-Terrorismus durch Großkonzerne Einhalt zu gebieten». Mit Spannung, so Siemsen, erwarte er die Ansätze zur Lösung der zahlreichen Probleme, die Bundesgesundheitsminister Spahn beim Apothekertag im Oktober in München präsentieren wird.  


Mit Blick auf die große Verunsicherung der Patienten durch die derzeitigen Pharmaskandale verurteilte auch Vereinsvorsitzender Graue die schwerwiegenden Folgen der zunehmenden grenzüberschreitenden Deregulierung im Arzneimittelmarkt und forderte ein Umdenken seitens der Politik. Unter anderem mit den von ihr auf Veranlassung der Krankenkassen eingeführten Rabattverträgen sei ein «verminter Weg» beschritten worden, dessen Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung schwer unterschätzt worden seien. «Gäb‘s keine Rabattverträge, gäb‘s keine valsartanischen Spiele. Gäb‘s die Importzwänge nicht, gäb‘s kein Lunagate», sagte Graue.


«Das Schlimme ist die Ohnmacht und Verunsicherung der Betroffenen», so der LAV-Vorsitzende weiter. Diese sei besonders fatal angesichts der Tatsache, dass vielen Verantwortlichen die Gefahren und Risiken der derzeitigen Entwicklungen im Gesundheits- und Arzneimittelwesen bereits vorab hinlänglich bekannt gewesen seien und es schon immer Stimmen gegeben habe, die vor einem GAU warnten. «Die Katastrophe kam mit Ansage. Es ist die mentale Blockade des politischen Systems, sehenden Auges tödliche Risiken für die Versicherten einzugehen, die uns als Heilberufler nur schaudern lässt», konstatierte er.


Die entsprechende mediale Berichterstattung und die politische Debatte auch und gerade zum Lunapharm-Skandal, so Graue, laufe wie stets, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, auf ein «unwürdiges und völlig unnützes Schauspiel des Anschwärzens» hinaus. «Denn alle stecken mit drin. Und alle haben es gewusst – seit 2016 auch die Landesbehörden», sagte er.

 

«Die Wahrheit ist niederschmetternd und zeigt mitten in das Herz der politischen Mentalität, die von naiver Sorglosigkeit geprägt ist», so Graue. Einmal mehr erweise sich diese als fahrlässig und lebensgefährlich. Ähnlich wie beim Zusammenbruch der Brücke im italienischen Genua sei das Tragische, «dass der Schlendrian anhält, wenn sich der Rauch verzieht».


In Anlehnung an David Goodharts «The road of Somewhere», so Graue, sehe er zwei Wertewelten, die sich unversöhnlich gegenüberstehen: Die Welt der Heilberufler und Bürger und die der weltfremden politischen Eliten, deren praxis- und realitätsferne Entscheidungen dem Patienten letztlich zum Schaden gereichen. Der dringende Appell des LAV-Vorsitzenden an die Politik lautete: «Security first». So wie jetzt kann es nicht mehr weitergehen, unterstrich auch Siemsen. (cb)

 

29.08.2018 l PZ

Foto: PZ/Christiane Berg

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