Künstliche Intelligenz: Chancen für die Pharmabranche |
Künstliche Intelligenz (KI) wird die Arzneimittelentwicklung revolutionieren. Das geht aus einer Mitteilung des biopharmazeutischen Dienstleisters Parexel hervor. Demnach erhofft sich fast jeder zweite Deutsche (43 Prozent), dass KI zur Entwicklung innovativer Medikamente beitragen wird. Die Teilnehmer einer Umfrage des Beratungsunternehmens PwC gaben zudem an, sich von der neuen Technologie bessere Therapien zum Schutz vor Krankheiten wie etwa Krebs zu versprechen.
Nach Angaben von Parexel lassen sich künftig vor allem die Kosten im Pharmamarkt erheblich senken und die Entwicklungszeit neuer Arzneimittel verkürzen. Das liege daran, dass KI und Robotic Process Automation viele Prozesse automatisierten und auch Prognosen präziser träfen. Ein weiterer Vorteil für Pharmaunternehmen liegt demnach außerdem darin, mithilfe von Cloud- und Big-Data-Technologien Zugriff auf immer mehr Daten zu haben, die die Arzneimittelentwicklung optimieren können. Diese Daten ermöglichen nämlich maschinelles Lernen. So können Zusammenhänge schneller erkannt, Muster definiert und Prognosen aufgestellt werden, um daraus effektivere und intelligentere Entscheidungen abzuleiten.
Isabelle de Zegher, Vize-Präsidentin Engineering bei Parexel, hebt einige Bereiche hervor, in denen die Pharmaindustrie von der digitalen Transformation profitieren kann. Das betrifft etwa die schnelle Identifikation einer geeigneten Wirkstoffdosis nach pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Kriterien. Forscher könnten humanbasierte Studien durch computerbasierte Tests ersetzen und dadurch das potenzielle Risiko für Freiwillige mit Blick auf die Arzneimitteldosierung während einer Phase-1-Studien erheblich minimieren.
Außerdem wird es durch KI möglich, das Risiko vorherzusagen, wie treu die Probanden ihrer Therapie bleiben und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie die Studie abbrechen. Steigern ließen sich Patientenzufriedenheit und die Therapietreue beispielsweise mithilfe von Sprachassistenten, die Studienteilnehmer jederzeit Fragen beantworten.
Nach de Zeghers Angaben können die neuen technischen Möglichkeiten ebenfalls dabei helfen, ein optimales Studiendesign auszuwählen, indem vorab verschiedene klinische Studien simuliert werden können. Entsprechende KI-basierte Simulationsmechanismen können außerdem das Versorgungsmanagement an Forschungsstandorten effizienter gestalten. Erkenntnisse aus vorherigen Studien optimierten etwa den Arzneimittelbedarf bei besonders kostspieligen Präparaten, so de Zegher. Auch ist es mit der neuen Technologie möglich, Daten aus verschiedenartigen Quellen schneller zu erfassen und zu standardisieren. Das bedeutet, dass unstrukturierter Text mithilfe der sogenannten Natural-Language-Processing-Technik in analysefähige Datensätze umgewandelt wird. Das ist laut Parexel besonders für Hybridstudien relevant, bei denen die Integration realer Daten beispielsweise aus der elektronischen Patientenakte eine Rolle spielt.
Auch die Bundesregierung setzt auf künstliche Intelligenz. Beim Digitalgipfel 2018 im Dezember will sie eine entsprechende Strategie vorstellen. Ziel dieser ist es, Deutschland in Entwicklung, Forschung und Anwendung in diesem Bereich auf ein weltweit führendes Niveau zu bringen und dort zu halten. Das teilte die Bundesregierung kürzlich mit. «Artificial Intelligenz made in Germany» soll demnach künftig ein internationales Gütesiegel sein. Die rasanten Fortschritte in der KI sind vor allem der größeren Leistungsfähigkeit der Hardware zu verdanken. Gleichwohl sieht sich die Bundesregierung in der Pflicht, «eine verantwortungsbewusste und gemeinwohlorientierte Nutzung von KI in Zusammenarbeit mit Wissenschaft, Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft» anzustreben.
Die Entwicklung bewerten jedoch nicht alle positiv. Das Fachblatt «Nature» veröffentlichte erst kürzlich einen Beitrag der noch ein anderes Problem nennt, dass auf die Pharmaindustrie zukommen könnte. Der Autor Lutz Heuer warnt vor den Folgen der KI mit Blick auf das Patentrecht. Bislang greift dies, wenn etwas sowohl neu als auch von einer Person selbst erfundenen ist. Heuer fürchtet nun, KI-Algorithmen oder deren Programmierer könnten womöglich beanspruchen, technisch ausgewertete Muster entdeckt zu haben und damit selbst die Erfinder zu sein. Stelle ein Programm Zusammenhänge her und sage diese eventuell sogar noch voraus, handele sich womöglich nicht mehr um geistiges Eigentum und demzufolge auch nicht um eine Erfindung im eigentlichen Sinne. (je)
DOI: 10.1038/d41586-018-05555-6
02.08.2018 l PZ
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