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HIV: Neue Leitlinie zur Präexpositionsprophylaxe

 

Die Aids-Gesellschaften aus Deutschland und Österreich haben erstmals Empfehlungen zur HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) erarbeitet. Die S2k-Leitlinie spricht sich ausdrücklich für die einmal tägliche Einnahme der Kombination Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil aus.

Ziele der Leitlinie sind die fachliche Anleitung bei der Beratung über eine PrEP und bei der Indikationsstellung, heißt es unter anderem in der Einleitung. Die HIV-Infektion ist eine lebenslange, bislang nicht heilbare und unbehandelt potenziell lebensbedrohliche Erkrankung. Zum Schutz stehen laut Leitlinie verschiedene Methoden zur Verfügung. Dazu zählen Barrieremethoden wie Kondome und eine Verhaltensmodifikation, zum Beispiel die Meidung risikobehafteter Sexualpraktiken, sowie eine medikamentöse Prophylaxe mit topisch angewendeten antiviralen Substanzen. Eine wirksame Schutzimpfung sei nicht in Sicht.

Als weitere neuartige Methode nennt die Leitlinie die orale PrEP. Damit wird „die Einnahme systemisch wirksamer antiviraler Medikamente durch HIV-negative Personen mit erhöhtem Risiko für eine HIV-Infektion zur Reduktion der Wahrscheinlichkeit der HIV-Transmission“ bezeichnet. Diese empfiehlt die Leitlinie als prophylaktische Maßnahme für Menschen mit substanziellem HIV-Infektionsrisiko. Studien hätten eine relative Risikoreduktion von 86 Prozent gezeigt, bei hoher Adhärenz sogar von bis zu 99 Prozent.

 

Die Autoren sprechen sich hier ausschließlich für das orale Kombinationspräparat Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil (Truvada® und Generika) aus, das seit knapp zwei Jahren in Deutschland verfügbar ist.  Eine Monotherapie mit Emtricitabin habe eine schlechtere Protektion gezeigt. Gleiches gelte für die topisch applizierte PrEP. Truvada und Generika sollten kontinuierlich einmal täglich eingenommen werden. Im Einzelfall könne off Label eine intermittierende, anlassbezogene Einnahme erfolgen.

Prinzipiell soll die PrEP nur in Kombination mit einer ausführlichen Beratung zu anderen Schutzmaßnahmen vor einer HIV-Infektion  verordnet werden. Des Weiteren sollten die PrEP-Nutzer darüber aufgeklärt werden, dass die Einnahme vor anderen sexuell übertragbaren Infektionen wie Syphilis, Chlamydien und Gonokokken nicht schützt. Zudem sollen die Anwender  darüber informiert werden, dass die Schutzwirkung einer PrEP verzögert einsetzt. Zwar konnte in Studien bisher keine exakte Aussage zum Beginn der Schutzwirkung eruiert werden. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass für Männer am zweiten Tag nach Beginn der Einnahme und für Frauen am siebten Tag nach der Einnahme maximale Emtricitabin- und Tenofovir-Spiegel im Gewebe  erreicht werden.

Entscheidend  für die Indikationsstellung zur PrEP ist die Einschätzung des HIV-Risikos. Menschen mit substanziellem HIV-Infektionsrisiko sind zum Beispiel Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben oder Drogenabhängige, die keine sterilen Nadeln benutzen. Aber auch außerhalb dieser Gruppen mit dem höchsten Risiko besteht in verschiedenen individuellen Konstellationen ein hohes Risiko für eine HIV-Infektion. Das ist der Fall, wenn Personen Sex ohne Kondom mit Partnern haben, bei denen eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit einer undiagnostizierten HIV-Infektion besteht. Auch für diese Gruppe kann laut Leitlinie durchaus eine PrEP angeboten und verschrieben werden. Im Gegensatz zu den WHO-Empfehlungen erachten die deutschen und österreichischen Autoren  eine allgemeine Empfehlung der PrEP für Prostituierte in Deutschland und Österreich für nicht erforderlich.

Zudem verweisen die Leitlinienautoren auf Studien, die einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Nachfrage nach einer PrEP und einem erhöhtem Risiko für eine HIV-Transmission gezeigt haben.  Sie empfehlen daher, dass aufgrund der hohen Rate einer zutreffenden Selbsteinschätzung bei jedem, der aktiv nach einer PrEP fragt, eine sorgfältige Risikoevaluation durchgeführt werden und gegebenenfalls eine PrEP verschrieben werden sollte.

Neben dem Ausmaß des Infektionsrisikos müssen für eine PrEP-Verordnung mindestens zwei weitere Voraussetzungen überprüft werden: So muss neben dem zuverlässigen und aktuellen Ausschluss einer HIV-Infektion mittels Antigen/HIV-Antikörper-Testung auch eine replikative Hepatitis -B-Virus-Infektion ausgeschlossen werden. Wer bereits HIV-positiv ist, muss anders retroviral behandelt werden. Aufgrund des potenziell nierenschädigenden Effekts von Emtricitabin sollen Truvada und Generika nur bei Nierengesunden eingesetzt werden.

Auch zur PrEP in der Schwangerschaft bezieht die Leitlinie Stellung: «Wenn während der PrEP eine Schwangerschaft auftritt, sollte die PrEP bei weiterbestehendem HIV-Infektionsrisiko unverändert fortgeführt werden, sofern nicht eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung dagegen spricht». Zu dieser Einschätzung gelangen die Autoren  anhand von Daten im Rahmen einer materno-fetalen Transmissionsprophylaxe. Demnach  wurden bei HIV-infizierten Schwangeren unter Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil keine gehäuften Fehlbildungen oder Schwangerschaftskomplikationen beobachtet. Demgegenüber steht ein sehr hohes Übertragungsrisiko auf den Fetus. In diesem Fall empfiehlt die Leitlinie die Fortführung der PrEP.

Keine Empfehlung spricht die Leitlinie zu der Frage aus, ab wann frühestens nach der letzten möglichen HIV-Exposition eine PrEP auf Wunsch des Nutzers beendet werden kann. Gleiches gilt für die Frage, welche Untersuchungen oder Maßnahmen bei Wiederbeginn einer PrEP nach Unterbrechung erforderlich sind. Die Datenlage zur Beantwortung dieser Fragen sei unzureichend, so die Leitlinienautoren. (kg)

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06.07.2018 l PZ

Foto: Fotolia/mbruxelle

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