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«Datenklau»: Verteidiger beantragt Einstellung des Verfahrens

 

Die ursprüngliche Ermittlungsakte sei wohl erst die Spitze des Eisbergs gewesen, betonte Rechtsanwalt Nikolai Venn beim heutigen 20. Verhandlungstag im Prozess um den vermeintlichen Datendiebstahl im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Er verteidigt Systemadministrator Christoph H., dem zusammen mit Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz das Ausspähen von Daten vorgeworfen wird. Venn verlas dazu heute eine 35 Seiten lange Erklärung samt Antrag. Seine Botschaft: In diesem Verfahren sei weder das Gebot zur Aktenvollständigkeit noch zur Aktenwahrheit erfüllt. Demnach handele es sich um kein «faires rechtsstaatliches Verfahren». Er stellt daher dessen Legitimation infrage und beantragt, das Verfahren gänzlich einzustellen.

 

Seit Januar 2018 müssen sich die beiden Angeklagten vor dem Berliner Landgericht dafür verantworten, zwischen 2009 und 2012 gemeinsam Daten aus E-Mail-Postfächern von Mitarbeitern des BMG ausgespäht zu haben. Bellartz soll H. für diese Insider-Informationen bezahlt haben. Während des Verfahrens hatte sich im April bei der Zeugenbefragung des seinerzeit leitenden Ermittlers herausgestellt, dass die Ermittlungsakte nicht vollständig war. Nach Aufforderung des Gerichts hatte das Landeskriminalamt (LKA) in den vergangenen Wochen mehrere Ordner mit E-Mail-Verkehr nachgereicht. Dieser Schriftwechsel zwischen LKA, BMG und Staatsanwaltschaft war bislang weder Richtern noch Verteidigern bekannt. Bereits vor Wochen hatte die Verteidigung beantragt, das Verfahren zu unterbrechen, um die mehr als 1000 Dokumente zu bewerten.

 

Aus einigen der bereits gesichteten E-Mails entnimmt Venn unter anderem, dass etwa polizeiliche Vermerke zu Zeugenaussagen nicht ihren Weg in die Akten fanden. Auch habe der leitende Kriminalbeamte wohl widerrechtlich der Hauptbelastungszeugin, der Exfrau des Mitangeklagten H., übers Telefon rechtlichen Rat gegeben sowie anscheinend auch dem Jugendamt und Familiengericht Auskünfte über den Fall übermittelt. Parallel lief für sie damals ein Sorgerechtstreit um das gemeinsame Kind mit dem Mitangeklagten H. Die Verteidiger vermuten, dass sie sich Vorteile verschaffen wollte. Ihr neuer Lebensgefährte hatte durch einen anonymen Anruf im BMG den Fall 2012 erst ins Rollen gebracht.

 

Venn zufolge hat die IT-Abteilung im BMG lange Zeit kein Ticketsystem gehabt, durch das ein unbefugter Zugriff auf E-Mail-Postfächer von Mitarbeitern schneller aufgefallen wäre. Die Beweislage sei offenbar damals dürftig gewesen. Insgesamt ergibt sich nach Auffassung des Rechtsanwalts aus dem E-Mail-Verkehr auch, dass der zuständige Kriminalbeamte mitentschieden haben muss, welche Ermittlungsergebnisse in der Akte landen. Das sei zum Nachteil seines Mandanten geschehen.

 

Zudem wundert sich Venn, dass laut der neuaufgetauchten Korrespondenzen auf eine «strikte Trennung» zwischen dem Verfahren gegen die ABDA wegen des Führens vermeintlicher schwarzer Kassen und dem aktuellen Verfahren gegen Bellartz und H. geachtet wurde, der LKA-interne Austausch zwischen den Sachverständigen aber erwünscht gewesen sei. 

 

Auch Bellartz‘ Verteidiger, Professor Carsten Wegner, hatte heute eine Erklärung dabei. Er bemängelt, dass die Berliner Staatsanwaltschaft von den Ermittlungen gegen die ABDA hätte wissen müssen. Da der aktuelle Sitzungsvertreter den Fall allerdings erst kurz vor Prozessbeginn übernahm, forderte Wegner nun eine sogenannte dienstliche Erklärung von ihm. Darin soll der Staatsanwalt Auskunft über Aktenbestandteile geben und über seinen möglichen Austausch vor Prozessbeginn mit etwa dem ursprünglichen Verfasser der Anklageschrift, dem Ermittler, der ABDA und dem Verfassungsschutz. Für ebenso unglaubhaft hält Wegner es, dass der bereits befragte Kriminalbeamte nicht von dem Verfahren gegen die ABDA gewusst haben will. Dieses wurde laut Polizeibericht eingestellt, weil es nicht genügend Hinweise auf einen ungewöhnlichen Geldfluss bei der ABDA gab.

 

Die Strafkammer entschied heute noch immer nicht über die Aussetzung der Hauptverhandlung. Am 10. Juli ist der nächste Termin angesetzt. Dann soll sich zunächst der Staatsanwalt zu den Anträgen der Verteidiger äußern. Für die Sitzung am 12. Juli hat der Vorsitzende Richter erneut den leitenden Kriminalbeamten geladen. (je)

 

21.06.2018 l PZ

Foto: PZ/Jennifer Evans

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