Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign

Bürgerversicherung: Was würde die Großreform bringen?

 

Für die geschundene Seele der SPD mag die Bürgerversicherung eine wirkungsvolle Therapie sein, aber hilft sie auch gegen die chronischen Leiden des Gesundheitswesens? Die Sozialdemokraten rangen sich gestern Abend auf ihrem Parteitag dazu durch, ergebnisoffene Gespräche mit der Union zu führen. Die Bürgerversicherung könnte dabei ein zentrales Projekt sein, das die Basis von einem GroKo-Kurs überzeugt, ähnlich wie der 2015 eingeführte Mindestlohn. Doch wer würde von einem solchen Modell profitieren, wer hätte das Nachsehen?

 

Zunächst: Die SPD will die Private Krankenversicherung (PKV) nicht auf einen Schlag abschaffen, das geht rechtlich auch gar nicht. Aber Privatversicherte sollen in die Bürgerversicherung wechseln können. Jeder Neuversicherte, etwa Berufseinsteiger, soll automatisch Mitglied sein. Auch immer mehr Gutverdiener, Beamte und Selbstständige würden gesetzlich versichert.

 

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach meint, dass «der allergrößte Teil der Privatversicherten» in die Bürgerversicherung wechseln würde. Heute sind rund 11 Prozent der Bevölkerung privat versichert. Viele, vor allem Ältere, ächzen unter Beitragssteigerungen der PKV. «Regelmäßige Erhöhungen zwischen 3 und 7 Prozent pro Jahr sind mittel- und langfristig nicht ungewöhnlich», so der Bund der Versicherten. Kinder sind, anders als bei gesetzlichen Kassen, nicht beitragsfrei.

 

Die Zeitschrift «Finanztest» hat schon vor Längerem festgestellt, dass die PKV nur für Beamte rundherum empfehlenswert sei. Sind sie gesetzlich versichert, müssen sie den Beitrag allein zahlen, rund 85 Prozent sind privat versichert. Behandlungskosten werden zu 50 bis 70 Prozent vom Staat als Beihilfe übernommen, den Rest zahlt die Versicherung. Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach sieht demnach die «Funktionsfähigkeit unseres Staatswesens» durch eine Bürgerversicherung gefährdet. Laut Bertelsmann-Stiftung aber würden Bund und Länder bis 2030 mit einem Großteil der Beamten in der GKV rund 60 Milliarden Euro sparen. Im Gespräch ist ein bundesweiter Arbeitgeberzuschuss statt Beihilfe.

 

Wer trotz Bürgerversicherung privat versichert bleibt, müsste dann also womöglich mit explodierenden Beiträgen rechnen. Wie diesen Menschen geholfen werden kann, ist auch im SPD-Konzept unklar. Ebenso wenig geklärt ist, was aus den mehr als 230 Milliarden Euro an Altersrückstellungen würde, die die PKV angesammelt hat. Hier käme es wohl auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an, ob die zur Bürgerversicherung Wechselnden ihren Anteil mitnehmen könnten.

 

Wie würde sich die Bürgerversicherung im Medizinbetrieb auswirken? Die SPD verspricht ein «Ende der Zwei-Klassen-Medizin», denn mit höheren Arzthonoraren für Privatversicherte will sie Schluss machen. Das soll auch dem Ärztemangel dort entgegenwirken, wo es wenig Wohlhabende und Privatversicherte gibt. Ärztepräsident Montgomery hält entgegen: «Käme die Bürgerversicherung, gäbe es sofort einen riesigen Markt für zusätzliche Gesundheitsleistungen und zusätzliche Versicherungen.» Das wäre erst recht Zwei-Klassen-Medizin. Vor allem fürchten die Ärzte, dass ihr Honorar sinkt.

 

Doch würde es wohl nicht zuletzt anders verteilt. Aus dem Topf der GKV könnten die Ärzte auch mehr bekommen, wenn sie sich weniger über die Privatversicherten quersubventionieren können.  Der Kieler Gesundheitsökonom Thomas Drabinski rechnet wegen der geänderten Ausgabenstruktur mit einem Anstieg der GKV-Beiträge um rund 1,5 Prozent durch die Bürgerversicherung. Experten der Krankenkassen meinen aber: Für die heute gesetzlich Versicherten würde sich an den Beiträgen zunächst wenig ändern.

 

Lauterbach rechnet sogar mit niedrigeren Beiträgen – der ständige Kostenanstieg im Gesundheitswesen würde durch die vielen Gutverdiener, die neu in der Bürgerversicherung wären, erst einmal ausgeglichen. Geschultert werden sollen die Beiträge – anders als heute –  zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

 

Wie sich eine Bürgerversicherung im Detail auswirken würde, liegt an der Ausgestaltung. Würden entgegen den Erwartungen der SPD zum Beispiel nur Privatversicherte wechseln, die besonders viel zahlen müssen, könnte es für die gesetzlichen Kassen teurer werden. Eine Bürgerversicherung würde über kurz oder lang aber die Sonderstellung Deutschlands in der EU beenden. Für die Gesundheitssysteme in den anderen Mitgliedsländern gelten einheitliche Finanzierungsregeln.

 

08.12.2017 l dpa

Foto: Fotolia/psdesign1

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.