vfa: Hürden abschaffen, Chancen nutzen |

Den politisch stürmischen Zeiten begegne der Verband forschender Pharmaunternehmen (vfa) mit Wetterfestigkeit, so vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer bei der öffentlichen Mitgliederversammlung gestern Abend in Berlin. Mit diesen Worten gratulierte sie dem Vorstandsvorsitzenden Han Steutel (Foto), den die Mitglieder zuvor für zwei weitere Jahre gewählt hatten. Den von Steutel eingeschlagenen Kurs in Richtung mehr Patientennutzen und einem stärkeren Einsatz für den medizinischen Fortschritt wolle der Verein weiter verfolgen.
«Die Aufgabe, mehr Qualität und Effizienz in der Versorgung zu schaffen, wird von Tag zu Tag größer», so Fischer. Dabei seien die Voraussetzungen so günstig wie nie: Die Finanzierung der GKV sei stabil und sicher, das medizinische Wissen wachse stetig, Therapien entwickelten sich und immer mehr Krankheiten und Patienten seien immer besser behandelbar. «Doch das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft.»
Der Politik gelinge es noch nicht, akademische Forschungserkenntnisse im Versorgungsalltag der Patienten anzuwenden. Bürokratische Hürden und restriktive Bewertungsverfahren erschwerten dies etwa bei Medikamenten, bemängelte Fischer. Die Frage liege auf der Hand, ob mit der frühen Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nicht «unnötige Hürden geschaffen werden statt Chancen in der Versorgung genutzt». Seit Einführung des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) im Jahr 2011 müssen die Hersteller den Zusatznutzen neuer Präparate gegenüber der Standardtherapie beweisen. Der G-BA entscheidet, ob ein Medikament diesen zugesprochen bekommt.
Am Beispiel der Volkskrankheit Diabetes Typ 2 forderte Fischer alle an der Versorgung beteiligten Akteure auf, an einem Strang zu ziehen. «Unser Ziel muss sein, einen ganzheitlichen und gesamtgesellschaftlichen Ansatz im Kampf gegen die Krankheit zu schaffen.» Das gelinge etwa durch gezielte Aufklärung, Prävention, moderne Diagnostikverfahren, bedarfsgerechte Versorgung, Therapievielfalt und -zufriedenheit sowie die Nutzung aller digitalen Möglichkeiten.
Für die forschenden Pharmaunternehmen sei vor allem Planungssicherheit ausschlaggebend, sagte Steutel. Mit Blick auf Diabetes habe dies leider schlecht funktioniert, kritisierte er. Demnach bekamen von den 18 Medikamenten, die den Bewertungsprozess durchlaufen haben, lediglich vier in der Subpopulation einen Zusatznutzen attestiert. Weitere vier erhielten gar keinen Zusatznutzen zugesprochen und zehn seien bereits wieder vom Markt verschwunden.
Der weltweiten Diabetes-Welle will auch Professor Matthias Hans Tschöp, wissenschaftlicher Direktor des Helmholtz Diabetes-Zentrums München, möglichst schnell ein Ende setzen. «Wir haben die Hoffnung, dass wir in wenigen Jahren eine personalisierte Stoffwechselmedizin-Medizin haben.» Für den Forschungserfolg der Zukunft seien in allen Bereichen interdisziplinäre Kooperationen ebenso essenziell wie Optimismus und Risikobereitschaft. 2017 baute Tschöp in München den Helmholtz Pioneer Campus auf. Dort etabliert er derzeit eine effiziente und interdisziplinäre Arbeitskultur, die gleichzeitig offen für Industrie-Interaktionen ist.
Nur die Hälfte der dafür weltweit rekrutierten Nachwuchswissenschaftler hat Tschöp zufolge einen traditionell medizinischen Hintergrund, der Rest sind etwa Ingenieure, Physiker und Chemiker. Außerdem plant er, dass die Wissenschaftler sich dort weder mit Bürokratie, Förderanträgen noch Lehre belasten müssen. Das Interesse an diesem für die akademische Forschungslandschaft ungewöhnlichen Ansatz ist groß. «Mich erreichen hunderte hochqualitativer Bewerbungen», so Tschöp. Das liege auch an der politisch stürmischen Zeit, in der US-amerikanischen Wissenschaftler sich weiterer Forschungsinvestitionen nicht sicher sein könnten, und es außerdem den Brexit gebe. (je)
24.11.2017 l PZ
Foto: PZ/Alois Müller