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Weltnierentag: Übergewicht geht an die Nieren

 

Nieren arbeiten in der Regel still und leise vor sich hin. Und doch spürt man die lebenswichtigen Organe im unteren Rücken in der Regel ein Leben lang nicht – auch nicht, wenn sie schon krank sind. Nach einer Studie eines Teams um Nierenspezialisten Matthias Girndt aus Halle-Wittenberg weiß nicht einmal jeder dritte Betroffene in Deutschland, dass seine Nieren nur noch eingeschränkt funktionieren. Zum Weltnierentag am 9. März warnen Mediziner vor dem gefährlichen Wechselspiel von Nierenerkrankungen und Übergewicht. Denn bei dicken und sehr dicken Menschen kommen oft mehrere Risikofaktoren für Nierenversagen zusammen.

 

Einer davon ist Bluthochdruck. Weil die Nieren als Filter für Giftstoffe im Körper über zahlreiche, sehr feine Blutgefäße verfügen, nehmen sie bei zu hohem Druck Schaden. Vergleichbare Schäden entstehen bei dauerhaft erhöhtem Blutzucker bei Diabetes, was ebenfalls bei Übergewichtigen verbreiteter ist. «Diabetes und Bluthochdruck sind je für 20 bis 30 Prozent aller chronischen Nierenerkrankungen verantwortlich», sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), Professor Dr. Mark Dominik Alscher.

 

Zu viel Körperfett wirke sich nach neueren Erkenntnissen auch direkt schädigend auf die Nieren aus: Grund seien Entzündungsreaktionen im Fettgewebe von massiv Übergewichtigen, so Alscher. Dabei litten die Nieren schleichend, ihre Funktion lasse im Schnitt über eine Zeit von 10 bis 15 Jahren immer weiter nach. Rückgängig machen lassen sich Nierenschäden nicht. An Spenderorganen mangelt es. Bislang stürben die Nierenpatienten oft schon, bevor sie überhaupt zur Dialyse geschickt werden. Heute gebe es schon 20- oder 30-Jährige, die Diabetes Typ 2 bekommen. «Diese Menschen erleben die Dialyse dann mit 30 bis 45 Jahren», sagt Alscher.

 

Die Aussichten sind nicht gerade rosig: In Deutschland leben nach einem kürzlich veröffentlichten Bericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) immer mehr Übergewichtige. Betroffen sind demnach vor allem Männer, von denen rund drei Viertel am Ende ihres Berufslebens als übergewichtig gelten. Auch angesichts der heutigen Vielzahl übergewichtiger und adipöser Kinder im Vergleich zu früheren Generationen zeichnen Nierenspezialisten ein düsteres Bild: «Das ist eine ganz große Gefahr. Ich sehe das mit großer Sorge», sagte Matthias Girndt vom Uni-Klinikum der Universität Halle-Wittenberg. «Wer als Jugendlicher adipös ist, wird es selten wieder los.» Schon jetzt seien in den westlichen Industrienationen 8 bis 15 Prozent der Bevölkerung nierenkrank, sagt Alscher. «Aber das wird zunehmen.»

 

Genau Zahlen zur Lage in Deutschland gibt es mangels entsprechender Register nicht. Eine Erfassung wäre laut DGfN dringend nötig. Matthias Girndts Studie auf der Basis von Daten des Robert-Koch-Instituts ist eine der wenigen zum Vorkommen eingeschränkter Nierenfunktion in Deutschland. Darin wird angenommen, dass es mindestens zwei Millionen Betroffene hierzulande gibt. Bei vielen ist die Erkrankung unerkannt, und damit auch unbehandelt.

 

«Wir als Nephrologen machen uns natürlich Gedanken, wie wir das früher entdecken», sagt Alscher. Im Frühstadium würden die Erkrankungen «eigentlich nur durch Zufall» entdeckt. Viele wissen um die Bedeutung von Cholesterin-Werten. Der Kreatinin-Wert aber, der über die Nierenfunktion Aufschluss gibt, ist weithin unbekannt.

 

Weil Diagnosen oft so spät gestellt werden, haben Betroffene in der Regel bereits mannigfaltige Gesundheitsprobleme. Spezialisten beschreiben ihre Patienten als komplexe Fälle mit zahlreichen, häufig zusammen auftretenden Folgeerkrankungen. Betroffen sein können etwa das Herz-Kreislaufsystem, die Lunge und die Knochen. Wird ein Nierenschaden rechtzeitig behandelt, so sehen sich Mediziner heute aber eher in der Lage, das Fortschreiten mit Medikamenten zu bremsen, wie Alscher erläutert.

 

Girndt betont: Bei familiärer Belastung mit Diabetes, bei Übergewicht und Blutdruck-Problemen, gelte es, auch an die Nieren zu denken. «Wir sollten die Krankheitsgruppe deutlich ernster nehmen und auch in der Öffentlichkeit das Bewusstsein schärfen, neben dem Cholesterin auch das Kreatinin zu bestimmen», fordert Alscher. Die günstigste Testmethode, sagt er, koste nur ein paar Cent.

 

Wie häufig chronische Nierenerkrankungen in Deutschland sind, ist bisher wenig erfasst. Das ist bekannt: So gibt es etwa 80.000 Dialysepatienten, Tendenz stabil. Die meisten sind mindestens 65 Jahre alt. Jährlich werden in Deutschland etwa 1500 Nieren transplantiert (ohne Lebendspenden). Etwa 23.000 Patienten sind in der Nachsorge. Bei mindestens zwei Millionen Menschen zwischen 18 und 79 Jahren in Deutschland wird eine deutlich eingeschränkte Nierenfunktion angenommen. Diabetes erhöht das Risiko für eine chronische Nierenkrankheit um den Faktor 2,25; Bluthochdruck um 3,46.

DOI: 10.3238/arztebl.2016.0085

 

08.03.2017 l dpa

Foto: Fotolia/benschonewille

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