Schmerzen: Ätiologie entscheidet über Therapie |
Schmerz ist nicht gleich Schmerz. Mediziner unterscheiden zwischen Schmerztypen wie physiologischem und neuropathischem Schmerz sowie Entzündungsschmerz und chronischem Schmerz, sagte Professor Dr. Achim Schmidtko vom Pharmakologischen Institut der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt beim Fortbildungskongress Pharmacon in Meran. Von der Art des Schmerzes hängt es ab, welche Medikamente eingesetzt werden.
Physiologischer Schmerz werde nur von sehr starken Reizen ausgelöst. «Das ist ein sehr hochschwelliges System mit der Aufgabe, Gewebe vor potenziellen Schädigungen zu warnen und schützen», erklärte der Mediziner und Pharmazeut. Anders verhält es sich bei neuropathischen Schmerzen. Hier sei der Schmerz das Resultat einer Veränderung im nozizeptiven System aufgrund einer Gewebeschädigung, von der auch die Schmerzrezeptoren betroffen sind. Die geschädigten Nervenzellen reagieren darauf mit gesteigerter neuronaler Aktivität bis hin zu einer Dauerstimulation, die sich auch auf nicht geschädigte benachbarte Neurone übertragen kann.
Neuropathische Schmerzen seien in der Regel deutlich schwerer zu therapieren als physiologische, sagt Schmidtko. Schmerzen sollten so früh wie möglich behandelt werden. Je länger sie bestehen, desto schwieriger sei die Behandlung. Die Veränderungen im schmerzverarbeitenden Gewebe manifestierten sich mit der Zeit.
Grundsätzlich gebe es erhebliche Unterschiede in der Behandlung von Schmerzen. Bei Entzündungsschmerzen sollten vor allem COX-Hemmer eingesetzt werden. Bei Tumorschmerzen oder postoperativen Schmerzen seien dagegen Opioide Mittel der Wahl, so Schmidtko. Gute Erfolge bei neuropathischen Schmerzen zeigt die systemische Applikation von Gabapentinoiden, selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern und trizyklischen Antidepressiva. Die Wirkung von Opioiden sei dagegen bei neuropathischen Schmerzen begrenzt. Dasselbe gelte für Capsaicin, Lidocain und Botulinumtoxin A.
Schmidtko setzt in der zukünftigen Schmerztherapie auch auf eine Reihe neuer Therapiekonzepte. Dazu gehört die Blockade des Nervenwachstumsfaktors NGF durch monoklonale Antikörper, ein Toxin aus der Kegelschnecke, das bereits in Studien getestet wird, und die Hemmung von TRPV1-Rezeptoren (Transiente Receptor Potential Vanilloid 1). Letztere sind maßgeblich an der Wahrnehmung schmerzhafter Reize beteiligt und daher wichtige Targets bei der Entwicklung neuer Analgetika. (dr)
23.05.2016 l PZ
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