Ophthalmologie: Iod-Allergie ist ein Mythos |
Viele Patienten lehnen Iod-haltige Desinfektionsmittel bei chirurgischen Eingriffen am Auge ab, weil sie vermuten, unter einer sogenannten Iod-Allergie zu leiden. Diese existiert aber nicht: Eine Bildung von Antikörpern gegen Ionen wie Iodid sei nicht möglich, erklärte Dr. Tim Krohne von der Augenklinik der Universität Bonn vergangene Woche auf dem Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Berlin. Der Verzicht auf Iod-haltige Antiseptika sei demnach nicht nötig. Im Gegenteil: Alternative Wirkstoffe wie Polihexanid und Octenidin erforderten eine sehr viel längere Einwirkzeit. Zudem steige das Endophthalmitis-Risiko bei deren Verwendung deutlich an, sagte er.
Grundsätzlich sei eine allergische Reaktion auf Iod-haltige Desinfektionsmittel zwar denkbar, räumt Krohne ein. Diese sei gegebenenfalls auf das enthaltene Polyvinylpyrrolidon (Povidon) zurückzuführen. Da es sich hier meist um Reaktionen vom Spättyp handele, sei ein von Ärzten gefürchteter anaphylaktischer Schock so gut wie ausgeschlossen. Auch bei Allergien gegen Fisch und Meeresfrüchte machten die Betroffenen oft fälschlicherweise das enthaltene Iodid verantwortlich. Hier liefen zwar tatsächlich IgE-vermittelte Prozesse vom Soforttyp ab, so Krohne. Die Antikörper richteten sich dann jedoch gegen das Fischprotein Parvalbumin beziehungsweise Tropomyosin, das vor allem in Krebsen und Muscheln zu finden sei. Diese Reaktionen stünden in keinem Zusammenhang mit dem Iodgehalt.
Trotz aller Erkenntnisse der modernen Medizin würden laut Krohne rund ein Drittel der Radiologen und etwa die Hälfte der Kardiologen keine Iod-haltigen Röntgenkontrastmittel mehr verabreichen, wenn der Patient im Anamnesebogen eine Iodallergie angibt. Dabei seien auch Reaktionen auf Röntgenkontrastmittel völlig unabhängig vom enthaltenen Iod. «Die Lösungen sind hyperosmolar, dadurch können sie bei manchen Personen Unwohlsein auslösen», klärte Krohne auf. Sein Fazit lautete: «Es gibt weder Iod-Allergien noch Kreuzreaktionen». Durch gründliches Ausspülen nach dem Eingriff seien auch Reizungen des Auges durch das Desinfektionsmittel vermeidbar. (cm)
05.10.2015 l PZ
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