Krebs: Leber steuert Auszehrung |

Die starke Auszehrung, die bei vielen Krebspatienten auftritt, wird direkt von der Leber gesteuert. Wie Heidelberger Forscher entdeckten, regen Tumoren die Produktion eines zentralen Genschalters in der Leber an. Dessen Aktivität senkt den Blutfettspiegel und führt zur Einlagerung von Fett in der Leber. Dies berichten Professor Dr. Stephan Herzig und seine Kollegen im Fachjournal «EMBO Molecular Medicine».
«Früher glaubten die Ärzte, dass der Krebs den Stoffwechsel so programmiert, dass alle Energie in das Tumorwachstum fließt», sagt Herzig, der eine Brückenabteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), der Universität Heidelberg und des Universitätsklinikums Heidelberg leitet, in einer Mitteilung des DKFZ. Heute gehen Forscher dagegen davon aus, dass die Kachexie, unter der 70 Prozent der Krebspatienten leiden, eine Reaktion des Körpers auf schädliche Stimuli ist, die direkt vom wachsenden Tumor ausgehen. Bei der Suche nach den Ursachen nahmen die Forscher nun die Rolle der Leber ins Visier. Herzig: «Kachexiepatienten haben oft eine entzündliche Fettleber – das war für uns ein starkes Indiz für eine Beteiligung des Organs.»
Krebskranke Mäuse haben einen extrem niedrigen Blutfettspiegel, weil die Leber der Tiere nur noch wenig VLDL (very low density lipoprotein) ausschüttet. In der Leber selbst lagern sie dagegen Fett ein. Darüber hinaus sind in der Leber krebskranker Mäuse die Gene für alle wichtigen Schritte der Fettsynthese blockiert. Dies wies darauf hin, dass ein zentraler Schalter in der Leber die Kachexie antreibt, so Herzig. Die Forscher nahmen daher die entsprechenden Proteine unter die Lupe und stießen auf den Transkriptionsfaktor Transforming growth factor beta 1-stimulated clone (TSC) 22 D4. Dieser kam in der Leber von krebskranken Tieren deutlich häufiger vor als in der von gesunden. Legten die Forscher TSC22D4 lahm, bildeten die Tiere wieder VLDL und auch die an der Fettsynthese beteiligten Gene sprangen wieder an.
«Unsere Ergebnisse belegen zum ersten Mal, dass der dramatische Verlust an Körpermasse zentral von der Leber reguliert sein könnte», so Herzig. TSC22D4 hat in Leberzellen des Menschen genau die gleiche Wirkung. Es gebe Hinweise darauf, dass sich der Genschalter über bestimmte Stoffwechselprodukte steuern lässt und so die fatale Auszehrung möglicherweise gebremst werden könnte. «Dieser Ansatz ist allerdings experimentell noch nicht belegt, das wollen wir im nächste Schritt untersuchen», sagte Herzig. (ch)
doi: 10.1002/emmm.201201869
16.01.2013 l PZ
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