ADHS-Mittel: Sicher für Herz und Kreislauf oder nicht? |
ADHS-Medikamente erhöhen zwar den Herzschlag und den Blutdruck, sie führen bei Erwachsenen aber zumindest kurzfristig nicht zu einem erhöhten Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall und plötzlichem Herztod. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler in einer US-amerikanischen Studie, die sie jetzt im Fachjournal «JAMA» veröffentlicht haben. Darin verglichen sie retrospektiv die Risikorate von erwachsenen Patienten mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) mit gesunden, vergleichbaren Probanden.
Alle Teilnehmer waren zwischen 25 und 64 Jahren alt. Rund ein Drittel der knapp 450 000 Teilnehmer nahm Methylphenidat, Amphetamin oder Atomoxetin ein. Die Dosis wurde nicht erfasst. Im Schnitt verglichen die Wissenschaftler die Patienten über 1,3 Jahre. Danach lag das Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Ereignisse bei den ADHS-Patienten unter entsprechender Medikation insgesamt sogar niedriger als in der Vergleichsgruppe (relatives Risiko 0,83 versus 1,0). Begannen die ADHS-Patienten eine Therapie erst während des Untersuchungszeitraums, lag das Risiko sogar noch niedriger.
Demnach scheinen ADHS-Medikamente das kardiovaskuläre Risiko wie bislang angenommen nicht zu steigern. Allerdings sei eingeschränkt, dass es sich um einen verhältnismäßig kurzen Beobachtungszeitraum handelt. Die scheinbar schützende Wirkung der Medikamente erklären die Studienautoren mit einem Healthy-User-Bias, also dass die Patienten ansonsten relativ gesund waren. Weniger schwerwiegende Nebenwirkungen wie Herz-Rhythmus-Störungen und Atemnot wurden nicht erfasst. «Wie bei jeder Studie sind die Daten beschränkt», sagte Studienleiterin Dr. Laurel Habel. Aufgrund dieser Unsicherheiten wollen die Studienautoren nicht ausschließen, dass ADHS-Medikamente das Herz-Kreislauf-Risiko doch leicht erhöhen können. Der Arzt sollte eine sorgfältige Anamnese erstellen und die Patienten weiterhin engmaschig überwachen.
Just heute verschickte Hersteller Lilly einen Rote-Hand-Brief zu Atomoxetin (Strattera®). Eine Analyse hat gezeigt, dass 6 bis 12 Prozent der Kinder und Erwachsenen eine klinisch bedeutsame Veränderung der Herzfrequenz (20 Schläge pro Minute oder mehr) und des Blutdrucks (15 bis 20 mmHg oder mehr) erfährt. Bei etwa 15 bis 32 Prozent der Patienten, die klinisch relevante Blutdruck- oder Pulsänderungen während der Atomoxetin-Behandlung zeigten, war der Anstieg persistierend oder zunehmend. (db)
doi: 10.1001/jama.2011.1830
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13.12.2011 l PZ
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