Obstipation: Zuerst nach der Ursache fahnden |
«Wie oft in der Woche haben Sie Stuhlgang?» Mit dieser Einstiegsfrage kann das Apothekenteam die Selbstdiagnose eines Kunden mit Obstipation hinterfragen, riet Privatdozent Dr. Ralf-Marco Liehr, Direktor der Klinik für Innere Medizin am Vivantes Humboldt-Klinikum, Berlin, in Meran. Mit wenigen weiteren Fragen könne die Apotheke ermitteln, ob eine behandelbare Grunderkrankung vorliegt und eine Selbstmedikation vertretbar ist.
Die Stuhlfrequenz ist individuell sehr verschieden: Von mehr als zweimal täglich bis zweimal wöchentlich reiche die «normale» Bandbreite, informierte Liehr. Der Apotheker solle auch die Pathophysiologie klären. So klagen viele Frauen in der Schwangerschaft oder in der zweiten Zyklushälfte über Verstopfung. Aber auch Grunderkrankungen wie Hypothyreose, Hyperparathyreoidismus, Diabetes, Morbus Parkinson, Multiple Sklerose oder Myopathien können die Ausscheidung erschweren. ´
Gleiches gilt für Arzneimittel wie Opioide, Calciumantagonisten, Antazida, Antidepressiva, Anticholinergika, Antikonvulsiva, Eisenpräparate, Diuretika und Laxantien (cave: Hypokaliämie). Liegt weder eine behandelbare Grunderkrankung noch eine Arzneimittelnebenwirkung vor, spricht man von einer funktionellen Obstipation, bei der Colontransit und/oder anorektale Funktionen gestört sein können.
Bei bestimmten Alarmsymptomen muss die Apotheke den Kunden zum Arzt schicken: akut oder neu aufgetretene Obstipation, Blut im Stuhl sowie begleitendes Fieber, Übelkeit und Erbrechen. Auch Personen mit Kolonkrebs oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in der Vorgeschichte müssen zum Arzt. «Hier ist eine Koloskopie obligat», so Liehr.
Erste Maßnahme in der Selbstmedikation: alle Laxanzien absetzen und den Ballaststoffanteil der Nahrung auf 30 g/Tag erhöhen. Geeignet sind zum Beispiel Lignin aus Weizenkleie oder Psyllium aus Indischem Flohsamen. Den größten Nutzen davon haben Menschen mit normaler Colontransitzeit, sagte Liehr. Bei verzögerter Transitzeit kommen osmotische oder hydragoge Laxanzien zum Zug.
Menschen mit anorektalen Funktionsstörungen hilft es, die Bauchpresse zu vermeiden oder rektale Entleerungshilfen wie Glycerin, Bisacodyl oder CO2-Bildner als Suppositorien zu verwenden. Bei Beckenbodenstörungen sei auch die Wirkung von Biofeedback-Training belegt. Bei Rektozelen oder dem inneren Prolaps könne eine Operation das Problem lösen. (bmg)
Lesen Sie mehr vom Pharmacon in Meran:
Vor/nach dem Essen: Medikamenteneinnahme präzisieren
Lebertoxizität: Auf Morbus Meulengracht achten
30.05.2011 l PZ
Foto: Fotolia/PictureP