Zusatzbeiträge: Migrationswellen bei Krankenkassen |
Hunderttausende Versicherte haben den ersten Krankenkassen mit Zusatzbeiträgen den Rücken gekehrt. Im ersten Halbjahr gab es deutliche Abwanderungen bei den ersten 16 betroffenen gesetzlichen Kassen. Das belegen Informationen aus Branchenkreisen, die der Nachrichtenagentur dpa am Freitag vorlagen. Die DAK verließen bis 1. Juli rund 241 000 Mitglieder, wie ein DAK-Sprecher bestätigte. Inklusive beitragsfrei Mitversicherten gibt es sogar 307 000 weniger Menschen mit dem orangefarbenem DAK-Kärtchen. Rund 60 000 der Mitglieder seien der Kasse nicht durch Kündigungen verloren gegangen, sondern durch Todesfälle oder den Wechsel in die beitragsfreie Familienversicherung, so die DAK.
Die KKH-Allianz verlor 147 000 Versicherte, davon 116 000 Mitglieder. Erstmals hätten auch viele Rentner und Hartz-IV-Empfänger gewechselt, sagte eine KKH-Allianz-Sprecherin. Früher zogen fast nur jüngere Gutverdiener zu Kassen mit niedrigeren Beitragssätzen. Die BKK Gesundheit musste einen Aderlass von 20 Prozent ihrer Mitglieder hinnehmen. «Wir können das eindeutig auf den Zusatzbeitrag zurückführen, mittlerweile geht die Abwanderung zurück», sagte eine Sprecherin. Marktführer Barmer-GEK verzeichnete dagegen ein Plus von 69 000 Versicherten, die Techniker Krankenkasse sogar von 238 000. Mehr als 521 000 Versicherte gewannen die 14 AOKen seit Januar dazu. Diese Kassen brauchen keine Zusatzbeiträge.
Vermehrt Zusatzbeiträge und Sozialausgleich dürften ab 2012 die Kassenlandschaft weiter durcheinanderwirbeln. «Die Unterschiede bei der Liquidität der einzelnen Kassen ist groß», sagte der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem der dpa. Wer also mehr zahlen muss, dürfte dahin wechseln, wo es weniger kostet. Viele Kassen dürften in Druck geraten. Wasem meinte, absehbar werde die Zahl der Kassen von derzeit 163 auf 100 sinken. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte RTL, die Koalition sorge dafür, «dass ein Wettbewerb zwischen den Kassen jetzt wirklich stattfinden kann».
30.07.2010 l dpa
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