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DAV

150 Jahre Einsatz für die Apotheke

Die Gründung des Deutschen Reiches 1871 brachte es mit sich, dass sich auch Interessenverbände und Standesorganisationen, die bisher regional agiert hatten, zu einer reichsweiten Organisation zusammenschlossen. Das galt auch im Bereich des Apothekenwesens und mündete in der Gründung des Deutschen Apotheker-Vereins vor 150 Jahren.
Axel Helmstädter
12.10.2022  10:10 Uhr

Der Verein lässt sich auf mehrere Vorläuferorganisationen zurückführen. Er entstand auf einer Generalversammlung in Frankfurt am Main vom 3. bis 5. September 1872 aus dem 1850 mit einer nord- und einer süddeutschen Sektion konstituierten »Allgemeinen Deutschen Apotheker-Verein«. Dieser wiederum war aus dem »Apothekerverein im nördlichen Teutschland« und dem »Süddeutschen Apotheker-Verein« hervorgegangen.

Übernommen wurde zunächst die alte norddeutsche Satzung. Wie die Geschichtsschreibung betont, war ein solches Vorgehen nicht nur Ausdruck der Reichsgründung, sondern auch Folge der wirtschaftlichen Verhältnisse des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Vielfach, und in der Apothekerschaft eben auch, entstanden »Interessengruppen, die ökonomische und soziale Besitzstände ihrer Mitglieder zu wahren suchten und zur Durchsetzung von Vorteilen, Forderungen und neu auftauchenden Interessenfeldern agierten« (1). Sie übernahmen zugleich Aufgaben der Selbstverwaltung.

Pharmazeutische Interessen

In den ersten Jahrzehnten des DAV standen indes pharmazeutisch-fachliche Aspekte der Vereinsarbeit im Vordergrund. So gab man weiterhin die 1822 gegründete und auch vom norddeutschen Vorläufer übernommene wissenschaftliche Zeitschrift »Archiv der Pharmacie« heraus. Um die Reformation der Apothekerausbildung und die Förderung der akademischen Pharmazie mühte man sich. Akut war eine Überarbeitung der erst 1872 erschienenen, aber als unzureichend empfundenen Pharmacopoea Germanica.

Eine eigens eingerichtete Kommission unter Vorsitz des auch als Großhändler und Fabrikant bekannt gewordenen Apothekers Christian Brunnengräber (1832 bis 1893) erarbeitete inhaltliche Vorschläge und kommunizierte erfolgreich mit der Politik, sodass das neue Arzneibuch 1882, immer noch in lateinischer Sprache, erscheinen konnte.

Brunnengräber führte, insbesondere in seiner Zeit als Präsident des DAV (1879 bis 1891) weitere wegweisende Neuerungen ein, so das Delegiertenprinzip bei den Hauptversammlungen oder 1888 den Betrieb einer hauptamtlichen Geschäftsstelle für die Verbandsarbeit nach britischem Vorbild (2).

Bereits 1883 hatte der Verband damit begonnen, eine Reichs-Arzneitaxe zu entwerfen, die allerdings erst 1905 erschien und 1910 unter Federführung von Dr. Wilhelm Wartenberg (1868 bis 1942) revidiert wurde. Eine Konzentration auf eher wirtschaftliche Belange der deutschen Apothekerschaft, die schon Brunnengräber eingeleitet haben soll (2), setzte sich unter der über 30-jährigen Vorstandschaft des in Münster geborenen Apothekers Heinrich Salzmann (1859 bis 1945) fort (3).

Niederlassungsfragen, Kassenrabatt

Salzmann, der von der Jahrhundertwende bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten den Verein führte, sah sich mit zahlreichen wichtigen Themen konfrontiert, die den Berufsstand im Prinzip bis heute nicht verlassen haben. So wurde um die Niederlassungsbedingungen gerade Anfang des 20. Jahrhunderts erbittert gestritten; die Forderung nach weitgehender Niederlassungsfreiheit konkurrierte mit verschiedenen Ausprägungen des Konzessionssystems.

Weithin als Ärgernis empfunden wurde der sogenannte »Apothekenschacher«, also Erwerb und Wiederverkauf von Apothekenkonzessionen als reine Spekulationsobjekte, möglich durch vererbliche, veräußerbare und an das Grundstück gebundene Rechte.

Letztlich kam es nicht zum Erlass eines Reichsapothekengesetzes, das diese Frage hätte regeln müssen, und es blieb beim »gemischten System«, also einem Nebeneinander von obkjektgebundenen Realrechten und unveräußerlichen persönlichen Betriebserlaubnissen (4). Eine allgemeine Niederlassungsfreiheit mit enormem Vermögensverlust für konzessionierte Apotheken konnte abgewendet werden.

Der Verband unter Salzmann stand indes vor weiteren großen Herausforderungen, darunter die Hyperinflation der frühen 1920er-Jahre. Dauerthema schon damals: das Verhältnis zu den Krankenkassen und die zu gewährenden Rabatte oder deren Ansinnen, eigene Apotheken zu eröffnen.

Zudem explodierte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Zahl industriell hergestellter Fertigarzneimittel, ein Phänomen, das den Charakter und das Aufgabenspektrum der deutschen Apotheke nachhaltig verändern sollte. Die Herausforderungen für den Verband dadurch waren vielfach, von Taxanpassungen über Möglichkeiten zur Einkaufsoptimierung bis hin zur Marktteilnahme in Eigenregie.

In diesen Zusammenhang gehören die Gründung einer Einkaufsvereinigung der Apotheker Berlins, aus der 1904 die Handelsgesellschaft Deutscher Apotheker (HAGEDA) hervorging. 1903 initiierte Salzmann das »Spezialitätenunternehmen des Deutschen Apotheker-Vereins«, die spätere STADA, das Arzneimittel nach DAV-eigenen Vorschriften herstellte und über die Apotheken vertrieb.

Er war auch verantwortlich für das 1909 bezogene erste »Vereinshaus Deutscher Apotheker« in der Levetzowstraße 16 b in Berlin. Es wurde am Silvestertag 1944 vollständig zerstört. Zu klären war auch das Verhältnis zu den angestellten Apothekern: Ihre Verbände integrierte man, allerdings ohne Stimmrecht in den Hauptversammlungen.

NS-Zeit und der Neubeginn

Unausweichlich war die Integration des Verbandes in nationalsozialistische Strukturen; sie wurde endgültig vollzogen am 22. April 1933: Salzmann und der gesamte Vorstand legten ihr Amt nieder. Letztlich wurden alle Strukturen überführt in die sogenannte Standesgemeinschaft Deutscher Apotheker; das Führerprinzip wurde auch auf die Pharmazie angewandt, als Reichsapothekerführer fungierte der Freudenstädter Apotheker Albert Schmierer (1899 bis 1974). 1937 kam es zur Gründung der Reichsapothekerkammer mit Pflichtmitgliedschaft aller Berufsangehörigen.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges manifestierte sich die Zweiteilung in Kammern und Vereine mit Zuständigkeiten für Fortbildung, Standesfragen, Berufsordnung und Ähnliches auf der einen, für wirtschaftliche und organisatorische Fragen auf der anderen Seite.

1953 wurde der Deutsche Apothekerverein vor diesem Hintergrund als Verband der Apothekenleiter neu gegründet, Mitglieder sind seither aber nicht mehr einzelne Apotheker, sondern deren Landesorganisationen. 1956 wurde der DAV in die ABDA integriert; seither besteht die bekannte und bewährte Aufgabentrennung.

Dem Trend folgend, dass Vereinigungen, deren Zweck es ist, wirtschaftliche oder sozialpolitische Interessen ihrer Mitglieder in der Öffentlichkeit zu vertreten, als Verbände bezeichnet werden sollten (2), und sicher auch, um sich nicht weiter mit Sport-, Musik- und Gesellschaftsvereinen gemein zu machen, benannte sich der DAV 1992 in »Deutscher Apothekerverband« um. Die meisten Landesverbände schlossen sich an, weiterhin als Vereine bezeichnen sich die Organisationen in Bremen, Hamburg und dem Saarland. Die Berliner Organisation nennt sich »Berliner Apotheker-Verein Apotheker-Verband Berlin (BAV) e. V.«.

»Hora ruit«

Der frühe DAV hatte von einem seiner Vorläuferverbände, dem »Apothekerverein im nördlichen Teutschland«, nicht nur Satzung und Zeitschrift übernommen, sondern auch das lateinische Motto »hora ruit« (deutsch: »die Stunde enteilt«).

Das zur Vereinsgründung unterlegte Pathos (»dass die Zeit nicht verlorengehen solle, damit die Zukunft die Frucht ernte, dessen Samen die Hoffnung pflanzte, im Vertrauen auf den Segen des Himmels«) (4), scheint reichlich aus der Zeit gefallen.

Heute würde man sicher moderner, im Tenor aber ähnlich formulieren, dass ein Berufsverband stets wachsam sein und alle Entwicklungen im Blick haben muss, um die Zukunft im Sinne seiner Mitglieder gestalten und nicht nur darauf reagieren zu können.

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