1300 Apotheken weniger seit Lauterbachs Amtsantritt |
Melanie Höhn |
21.11.2024 10:48 Uhr |
Zusammen mit ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hatte Christiansen im Mai diesen Jahres an Wirtschaftsminister Robert Habeck geschrieben und ihn darum gebeten, die Folgen des Skontourteils zu korrigieren. / © PZ/Höhn
Für Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, sind die Widerstände und das Scheitern der Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach vor allem ein berufspolitischer Erfolg der Apothekerschaft. Maßgeblich dafür verantwortlich seien die landesweiten Apothekenproteste, »unendlich viele« Besuche von Politikerinnen und Politikern in den Apotheken-vor-Ort und hunderte von Gesprächen sowie zahlreiche Briefe und E-Mails, die die Landtags- und Bundestagsabgeordneten von der Apothekerschaft erhalten haben, wie er gestern bei der Kammerversammlung ausführte. »In welchem Land leben wir inzwischen, in dem man das Nichtzustandekommen eines Gesetzes als Erfolg feiern muss?«, monierte Christiansen.
Damit werde es keine Apotheke ohne Apothekerinnen und Apotheker, keine Abschaffung des Apothekerberufes, keine Umverteilung innerhalb der Apotheken, keine Pseudofilialstrukturen über weite Entfernungen und in der Folge auch keine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes geben.
Dennoch habe dieser berufspolitische Erfolg einen faden Beigeschmack. »Lauterbachs Bilanz nach drei Jahren als Gesundheitsminister: 1300 Apotheken weniger als zu seinem Amtsantritt«, erklärte Christiansen. Mit jeder geschlossenen Apotheke dünne sich das Netz der vollversorgenden Vor-Ort-Apotheken aus. Eine Apotheke die schließe, sei eine Lücke, die bleibe.
Auch wenn die Ampelregierung nicht mehr handlungsfähig sei, würden in diesen Tagen Gespräche mit der Politik stattfinden, bei denen versucht werde, in den wenigen Gesetzesvorhaben, die vielleicht noch vorangetrieben werden, auch das ein oder andere Anliegen der Apothekerschaft unterzubringen, sagte Christiansen. Mit dem Scheitern des Apothekenreformgesetzes sei auch die Korrektur des Skontourteils in weite Ferne gerückt.
Zusammen mit ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hatte Christiansen im Mai diesen Jahres an Wirtschaftsminister Robert Habeck geschrieben und ihn darum gebeten, die Folgen des Skontourteils zu korrigieren und den Status quo ante wieder herzustellen. Im Juli folgte ein zweites Schreiben. Vor einigen Tagen hatte der Kammerpräsident den Minister an diese beiden Schreiben und an dessen staatspolitische Verantwortung erinnert.
»Die Stabilisierung der Apotheken kann nicht darauf warten, dass Deutschland eine neue handlungsfähige Regierung und damit eine neue Gesundheitsministerin oder einen neuen Gesundheitsminister wählt«, so der Kammerpräsident. Allein bis zu den Neuwahlen am 23. Februar 2025 seien es weitere 140-150 Apotheken, die bundesweit schließen würden. »Auf wie viele Apotheken will Deutschland noch verzichten bis es endlich einen neuen Gesetzesentwurf eines Apothekenstabilisierungsgesetzes geben wird? 500?, 600?, 900?«, führte Christiansen aus.
Die Apothekerschaft müsse deshalb jetzt aktiv auf die Politik zu gehen und sich positionieren. »Und dieses Mal ist die Politik gut beraten, mit uns in den Dialog zu kommen«, erklärte er. Dabei verwies er auf die bayerische Gesundheits- und Sozialministerin Judith Gerlach, die auf dem diesjährigen Deutschen Apothekertag erklärte, dass einfache Lösung »nicht auf der Straße« lägen. »Die Stärke der Apothekerschaft war es immer, dass sie mit einer Stimme gesprochen hat. Dieser Stärke sollten wir uns bei der Suche nach Lösungen nicht noch einmal selbst berauben«, so Christiansen weiter. Die Lage in den Apotheken sei weiterhin mehr als angespannt.
Zudem erforderten die Einführung des E-Rezeptes sowie die Umstellung und das Einüben neuer Abläufe zum Jahresanfang nach wie vor hohen Mitarbeitereinsatz. Trotz »vollmundiger Ankündigungen« von Karl Lauterbach müssten die Apothekenteams täglich weiterhin unter großem bürokratischem Aufwand dafür sorgen, dass aus Lieferengpässen keine Versorgungsengpässe werden, während sie gleichzeitig Retaxationen fürchten müssten.
Darüber hinaus erklärte Christiansen, dass es mit der Erbringung pharmazeutischer Dienstleistungen gelinge, apothekerliche Leistungen sichtbar zu machen. »Die Patienten erleben mit großer Dankbarkeit, wie die Apotheke vor Ort sich um sie kümmert«, so Christiansen. »Noch muss sich eine Apotheke die Erbringung dieser Dienstleistungen leisten können, das muss sich ändern«. Die Betonung des Heilberuflers sei der richtige Weg in die Zukunft. Pharmazeutische Dienstleistungen seien nicht nur ein Aushängeschild gegenüber den Patientinnen und Patienten, sondern steigerten auch die Attraktivität der Vor-Ort-Apotheke als Arbeitsplatz für die nachkommende Generation an Apothekerinnen und Apothekern.
Ein großes Thema auf der Kammerversammlung war die wirtschaftliche Entwicklung der Kammer. Ende Oktober wurde bekannt, dass die die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein durch nicht börsengehandelte sogenannte Mezzanin-Anlagen mehr als 50 Millionen Euro verloren hatte. Diesbezüglich gab es einige Nachfragen seitens der Mitglieder und die Forderung nach konkreten aktuellen Zahlen. Versorgungswerk-Geschäftsführer Stefan Zerres bekräftigte, dass es keine Rentenkürzungen geben werde und für das Jahr 2024 kein negatives Jahresergebnis erwartet werde.
Herwig Kinzler, Geschäftsführer der Investment-Beratung Risk-Management-Consulting (RMC) und RMC-Berater Daniel Sommerer erklärten bei der Kammerversammlung, dass derzeit eine Bilanz erstellt werde, jedoch bisher keine genaue Bewertung erfolgen könne. Diese Bewertung könne nur durch einen Wirtschaftsprüfer durchgeführt werden. Diese Ergebnisse würden erst Ende April 2025 zur Verfügung stehen. Die Details dazu sollen im Juni 2025 in der Kammerversammlung bekannt gegeben werden.
Ein weiteres großes Thema der Versammlung waren die Mitgliedsbeiträge. Im Jahr 2023 hatte die Kammerversammlung zum ersten Mal nach sieben Jahren die Kammerbeiträge deutlich erhöht. Beschlossen wurde damals auch eine zukünftige Beitragsdynamisierung. Nun wurde der Vorschlag dieser künftigen Dynamisierung einstimmig angenommen. Demnach sollen die Beiträge um den Mittelwert aus den Änderungen der Grundlohnsumme und des Verbraucherpreisindex angepasst werden. Für das Jahr 2025 wurden ein Betriebsstättenbeitrag von 3.042 Euro pro Apotheke und ein Grundbeitrag von 247,20 Euro pro Mitglied mit einer Vollzeittätigkeit festgelegt. Zudem wurde ein einmaliger Zusatzbeitrag von 277 Euro pro Apotheke und 22 Euro pro Mitglied beschlossen – dieser soll für die Sanierung des Gebäudes des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL) verwendet werden.
Nach einer knappen Mitgliederabstimmung zog die Kammer seinen Austritt aus dem Deutschen Arzneiprüfungsinstitut (DAPI) zurück.
Als Vorsitzender des Verwaltungsausschusses wurde Holger Helmholz aus der Uhlen-Apotheke aus Tarp gewählt. Sein Stellvertreter wurde Momme Imbusch aus der Friesen-Apotheke in Trappenkamp, eine weitere Stellvertreterin ist nun Klara Brandt.
In den Aufsichtsausschuss wurden die folgenden Apothekerinnen und Apotheker gewählt: Harald Erdmann, Stefanie Rust, Andrea Glänzer und Kai Christiansen. Neu in den PKA-Prüfungsausschuss wurden Gerrit Köster und Henrike Ketelsen gewählt.