Umstrittener Pipamperon-Einsatz bei Kindern |
Pipamperon darf nur bei Kindern bei Zuständen schwerer Aufregung und Unruhe zum Einsatz kommen. / © Getty Images/Kseniya Ovchinnikova
Viele Kinder fühlten sich laut Anklage »wie Roboter«, als er sie mit dem Medikament behandelte: Gegen den Kinderpsychiater und Sachbuchautor Michael Winterhoff hat am Mittwoch vor dem Bonner Landgericht ein Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung begonnen. Er soll 36 Kindern und Jugendlichen ein ruhigstellendes Psychopharmakon verordnet haben, obwohl dafür »keine Indikation im Rahmen der Zulassung des Medikaments bestanden« habe. Der 70-Jährige bestreitet die Vorwürfe.
Der Angeklagte habe junge Patienten teils jahrelang mit dem Neuroleptikum Pipamperon behandelt, ohne zugrunde liegende Erkrankungen zuvor leitliniengerecht untersucht zu haben, schilderte die Staatsanwältin. So habe er sie »körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt«. Die Sorgeberechtigten habe er über mögliche Nebenwirkungen nicht umfassend aufgeklärt.
Winterhoff soll den Eltern »die irreführende Diagnose "frühkindlicher Narzissmus"« mitgeteilt und die Behandlung als alternativlos dargestellt haben: Demnach hätten die Kinder mit dem Medikament »emotional erreichbar« gemacht werden sollen. »Dieser angebliche Wirkmechanismus ist wissenschaftlich nicht nachvollziehbar«, sagte die Staatsanwältin. Der sedierende Effekt des Mittels habe die Kinder gefügig machen sollen. Bei vielen Patientinnen und Patienten sollen Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Bewegungssteifheit und erhebliche Gewichtszunahmen aufgetreten sein.
Pipamperon wird zur Behandlung von Schlafstörungen und Unruhezuständen eingesetzt. An unter 18-Jährige sollte es nach Herstellerangaben nur unter besonderer Berücksichtigung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses verordnet werden.
In der Datenbank »Kinderformularium« heißt es: »Pipamperon sollte von einem Spezialisten für Kinder- und Jugendpsychiatrie verordnet werden. Die Dosis sollte individuell festgelegt und die niedrigstmögliche Dosis angewendet werden.« Demnach ist es für 2- bis 18-jährige in oraler Form bei Zuständen schwerer Aufregung und Unruhe zugelassen.