Pharmazeutische Hilfe für die Ärmsten |
Laura Rudolph |
21.06.2024 07:00 Uhr |
Die Apotheke in Kolkata hat etwa 500 Arzneimittel vorrätig. »Ein sehr großes Problem in Indien ist die weite Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen«, erklärte die Apothekerin. Das Land weise die weltweit kritischste Situation auf. Häufig erfolge bei Infektionen aus finanziellen Gründen keine Erregerbestimmung und oftmals erhielten Patienten auch ohne Rezept ein Antibiotikum aus der Apotheke, berichtete sie. »Der Einsatz erfolgt häufig unbedacht.«
Auch eine andere Einstellung zu Medikamenten trage ihren Teil zu dieser Entwicklung bei, betonte Erbguth. »Für viele Menschen in Indien ist es gleichbedeutend mit Wohlstand und Fortschritt, wenn man es sich leisten kann, Medikamente einzunehmen«, erläuterte sie. Da die Produktion vieler Medikamente ohnehin in Indien stattfinde, sei der »reine Zugang« zu Arzneimitteln kein Problem – häufig aber der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen. Vor Ort überarbeitete Erbguth zunächst die Antibiotika-Leitlinien und stellte ihre Ergebnisse auf einer Online-Fortbildungsveranstaltung für die Ärztinnen und Ärzte vor.
Etwa 500 verschiedene Medikamente sind in der Apotheke vorrätig. / Foto: Andrea Erbguth
Eine weitere Schwierigkeit ist der korrekte Umgang mit Impfstoffen. »Die ordnungsgemäße Kühllagerung und der Transport der wertvollen Impfstoffe ist bereits bei uns in Deutschland eine Herausforderung. In Kolkata, wo im Sommer mehr als 40 Grad erreicht werden, gilt dies umso mehr«, gibt die Apothekerin zu bedenken. Also erstellte sie Tabellen mit Eigenschaften von Impfstoffen, Arbeitsanweisungen für den Kühltransport und schulte das Team vor Ort. Außerdem wirkte Erbguth zusammen mit einem deutschen Krankenpfleger an einem Projekt zum Wundmanagement mit, um die Versorgung von Patienten mit chronischen Wunden zu verbessern.
In drei der vier zu Calcutta Rescue gehörenden Kliniken, der Talapark-, Nimtala- und Tangra-Klinik, sorgen mittlerweile drei junge indische Apotheker für eine sichere Arzneimittelabgabe. Erbguth unterstützte sie, indem sie Listen mit Einnahmehinweisen, Interaktionen und Nebenwirkungen erstellte. »Entsprechende Datenbanken, wie sie in Deutschland üblich sind, stehen in Indien noch in den Anfängen.«
Arzneimitteltüten mit symbolischen Einnahmehinweisen. / Foto: Andrea Erbguth
Problematisch sei zudem, dass viele Menschen in Kolkata weder lesen noch schreiben könnten – eine immense Herausforderung für die Arzneimitteltherapiesicherheit. Ihre Medikamente erhielten die Patienten üblicherweise als Unit-Dose-Einheit. Einen Beipackzettel gebe es nicht, informierte Erbgut, dafür seien die Behältnisse mit Symbolen für Einnahmehinweise versehen.
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