Pharmazie
"Nur die
koronare Herzerkrankung wird durch Alkohol günstig
beeinflußt und auch nur dann, wenn nicht mehr als 40g
pro Tag zugeführt werden". Der Marburger Kardiologe
Professor Dr. Bernhard Maisch rückte in Meran die von
Alkoholliebhabern immer wieder gern zitierte
kardioprotektive Wirkung des Alkohols ins rechte Licht.
Richtig sei, so Maisch, daß in mediterranen Ländern die
kardiovaskuläre Mortalität geringer ist als im hohen
Norden. Und Untersuchungen wie unter anderem die
Monica-Studie belegen, daß mit der Menge des
konsumierten Alkohols die Herzinfarktrate sinkt - bei der
empfohlenen Höchstdosis von täglich 40g um etwa die
Hälfte.
Man gehe davon aus, daß die kardioprotektive
Wirkung des Alkohols ein Summeneffekt ist aus der
Erhöhung von gefäßprotektiven HDL (high density
lipoproteins) im Blut und aus fibrinolytischen Effekten,
die durch Abnahme des Plasminogenspiegels, Anstieg des
Plasminogenaktivators und Veränderungen des Fibrinogens
zustande kommen, erklärte Maisch. Beim Rotwein würden
zusätzlich Radikalfängereigenschaften durch die
enthaltenen Phenole diskutiert. Neueren Untersuchungen
zufolge ist die kardioprotektive Wirkung allerdings
unabhängig von der Art der Alkoholzufuhr - Hauptsache 40
g täglich werden nicht überschritten. Um auf der
sicheren Seite zu sein, empfiehlt Maisch maximal 0,5l
Bier oder 0,2l Wein oder 0,04l Spirituosen täglich.
Diese Mengen entsprechen jeweils 20g reinem Alkohol.
Genußmittel, Nahrungsmittel, Rauschmittel oder Noxe? Die
Menge macht's wie Maisch an den negativen
gesundheitlichen Folgen des Alkoholkonsums verdeutlichte.
So stehen der akuten vasodilatierenden Wirkung, die
bereits im Mittelalter bei Angina pectoris therapeutisch
genutzt wurde, die pressorischen Effekte bei chronischem
Mißbrauch gegenüber. Zurückgeführt werden sie unter
anderem auf eine gesteigerte Aktivierung des
sympathoadrenergen Systems und auf Stimulation der
Nebennierenfunktion. Aufgrund der diuretischen Wirkung
kommt es zu einem Vasopressinanstieg. "Würde
durchgängig weniger als 40g Alkohol pro Tag getrunken,
hätten wir in Deutschland rund 10 Prozent weniger
Hochdruckerkrankungen", mutmaßte Maisch. Jede 10g
Alkohol, die über einen Grenzwert von 30g täglich
hinausgehen, kämen einer Blutdrucksteigerung um
mindestens 2mmHg systolisch und 1mmHg diastolisch gleich.
Damit noch nicht genug der negativen Folgen: Gegenüber
der kardioprotektiven Wirkung stehen Myokardzirrhosen,
alkoholische Kardiomyopathien, Herzrhythmusstörungen
oder die Prädisposition für Myokarditis als
Folgeschäden von chronischem Alkoholkonsum von mehr als
30 bis 40 g täglich. Bereits bei regelmäßigem Genuß
von mehr als 50 g Alkohol pro Tag gehe man unter
epidemiologischen Gesichtspunkten von einer
Alkoholabhängigkeit aus, erklärte Maisch. Im Vergleich
zum Nichtalkoholiker leiden die Betroffenen rund neunmal
häufiger unter Leberzirrhose, zwölfmal häufiger unter
Magenkrebs und mindestens 1,5mal häufiger unter
Herzinsuffizienz; ihre Selbstmordrate liegt um den Faktor
70 höher und alkoholassoziierte Unfälle um den Faktor
drei.
In der deutschen Bevölkerung sind diese Zusammenhänge
offenbar nicht bekannt oder aber werden ignoriert. Wie
sonst ließe sich erklären, daß die Bundesrepublik seit
1994 "fragwürdiger Weltmeister" ist, was den
im Genuß alkoholischer Getränke angeht. 143 l Bier, 23
l Wein und 2,2 l reinen Alkohol trinkt der Deutsche pro
Jahr, eingerechnet Säuglinge und Greise. Unter dem
Strich komme man auf einen jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch
von 12 l Weingeist, rechnete Maisch vor.
6 von 100 Bundesdeutschen gehören zu der Gruppe der
Alkoholiker mit >50g Alkohol/d; 10 von 100 sind zwar
nicht selbst Trinker, aber dennoch akoholgeschädigt,
beispielsweise durch Unfälle. Ausgaben für Alkoholika
in Höhe von rund 50 Milliarden DM und 37 Milliarden DM
zur Behandlung von Alkoholfolgekrankheiten stehen
Steuereinnahmen von circa 7,5 Milliarden DM gegenüber.
Die Zahl der Todesfälle durch alkoholbedingte
Gesundheitsschäden liegt, Unfallopfer nicht
eingerechnet, zwischen 35000 und 40000 pro Jahr. Alles in
allem ein wenig erfreuliches Bild, das für Maisch die
bereits 1884 von dem Entdecker des "Münchner
Bierherzens" (Herzverfettung mit Hypertrophie und
bindegewebigem Umbau) gewonnene Erkenntnis bestätigt:
"Während bei mäßigem Genuß vom hygienischen
Standpunkt Bier wohl als Genußmittel unerreichbare
Vorzüge besitzt, ist der Abusus wie auch bei anderen
Spirituosen gesundheitlich von größten Gefahren
begleitet."
PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Meran
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