Pharmazie
In der
Bundesrepublik Deutschland erkranken jährlich etwa 40
000 Menschen an einem Dickdarmkarzinom. Bei einem großen
Teil der Patienten kann der Tumor chirurgisch entfernt
werden. Bei circa 75 Prozent der Patienten liegen zum
Zeitpunkt der Diagnosestellung noch keine Anhaltspunkte
für Fernmetastasen vor.
Levamisol ist
der arzneilich wirksame Bestandteil des
Fertigarzneimittels Ergamisol® der Firma Janssen-Cilag
GmbH. Eine Filmtablette enthält 59 mg
Levamisolhydrochlorid, entsprechend 50 mg Levamisol.
Um mögliche mikroskopisch
kleine Resttumoren zu bekämpfen, wird nach der
potentiell kurativen operativen Entfernung des
Primärtumors eine adjuvante Therapie eingeleitet. Das
kann eine Radio-, Chemo- oder Immuntherapie oder auch
eine Kombination aus ihnen sein.
Anfang der neunziger Jahre wurde vermutet, daß
das seit über zwanzig Jahren in der Veterinärmedizin
verwendete Anthelminthikum Levamisol aufgrund seiner
immunmodulatorischen Eigenschaften einen Fortschritt in
der Behandlung von Krebserkrankungen bedeuten könnte.
Seit Juni 1995 ist Levamisol zur adjuvanten Therapie mit
dem Pyrimidinantagonisten 5-Fluorouracil (5-FU) bei
Patienten mit Colonkarzinomen TNM Stadium III,
entsprechend Dukes C (T1-4, N1-3, M0) zugelassen. T(umor)
beschreibt dabei die Ausbreitung des Tumors in das
Gewebe, N(ode) den Befall der regionären Lymphknoten und
M(etastasis) die Metastasen, wobei M besagt, daß keine
Evidenz für Fernmetastasen vorliegt.
Chemische Klassifikation
Levamisol ist das linksdrehende Isomer von
Tetramisol. Die chemische Bezeichnung lautet: (-)-2, 3,
5, 6,-Tetrahydro-6-phenylimidazo (2,
1-b)thiazolmonohydrochlorid. Wichtige Strukturmerkmale
für die Wirkungsweise sind der Thiazol- und der
Imidazolring. Die Substanz ist als Hydrochlorid gut
wasserlöslich und stabil in saurer, wäßriger Lösung,
hydrolysiert aber in alkalischen oder neutralen
Lösungen.
Das ursprünglich als Anthelminthikum entwickelte
Levamisol zeigte in seiner Anwendung immunmodulatorische
Eigenschaften, die bis heute nicht vollständig
aufgeklärt sind. Der Einsatz zusammen mit dem
Pyrimidinantagonisten 5-Fluorouracil muß eher als
Zufallsentdeckung angesehen werden, obwohl die
immunmodulierenden Eigenschaften Gegenstand vieler
Untersuchungen bei Krankheiten mit Beteiligung des
Immunsystems waren. Ein Teil der Wirkung kann auf die
Hemmung der alkalischen Phosphatase und eine Förderung
der T-Zellreifung zurückgeführt werden.
Die Dosierung ist aus der Anwendung als Anthelminthikum
beim Menschen abgeleitet. Levamisol wird oral an drei
aufeinanderfolgenden Tagen verabreicht, wobei am ersten
Tag der Einnahme eine 5-Fluorouracil-Infusion verabreicht
wird. Während die Injektion wöchentlich erfolgt,
besteht für die Levamisolgabe eine vierzehntägige
Therapiepause. Die jeweiligen Monotherapien mit Levamisol
oder 5-Fluorouracil brachten keinen signifikanten Vorteil
für den Verlauf der Krankheit, wogegen eine große
Studie für die Kombinationstherapie bei
Dukes-C-Patienten eine Verminderung der Rezidivrate um 40
Prozent und eine Senkung der Gesamtmortalität um 33
Prozent ergab.
Untersuchungen zur Langzeitwirksamkeit und der
Verträglichkeit mit anderen zytostatisch wirkenden
Substanzen fehlen bislang. Zur Bestimmung des
endgültigen Stellenwertes von Levamisol in der Therapie
des Colonkarzinoms sind weitere kontrollierte, möglichst
prospektive klinische Studien erforderlich.
PZ-Artikel von Andrea Klüting, Wenden
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