Zwei neue Vorschriften für Diabetes-Diagnostik und Augenheilkunde |
Das DAC/NRF-Werk wird mit der Ergänzungslieferung 2020/2 unter anderem um zwei Rezepturvorschriften reicher. / Foto: ABDA
Angesichts von Lieferengpässen bei Fertigarzneimitteln vor, während und wohl auch nach der Corona-Pandemie, Marktrücknahmen von Fertigpräparaten und neuen Therapieansätzen, insbesondere in der Pädiatrie, gewinnt die Eigenherstellung in der Apotheke an Bedeutung. Wo sich längerfristig Bedarf für Rezepturarzneimittel abzeichnet, versucht das DAC/NRF-Werk, diesen mit geprüften Vorschriften zu decken.
Zwei neue Rezepturvorschriften schließen eine solche Lücke. Die Glucose-Lösung 250 mg/ml für oGTT (NRF 13.8.) ersetzt ein Fertigarzneimittel, dessen Produktion erst vor Kurzem eingestellt wurde. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft hatte sich dafür stark gemacht, weiterhin eine anwendungsfertige Lösung für den oralen Glucose-Toleranztest (oGTT) anzubieten. Die NRF-Rezepturvorschrift orientiert sich an der Standardzulassungsmonographie »Glucose-Toleranztest«. Im Unterschied zu dieser verzichtet sie auf Glycerol als Hilfsstoff, um dessen Einfluss auf den Glucose-Stoffwechsel auszuschließen. Anstelle der Benzoesäure ist das leicht wasserlösliche Natriumbenzoat in Kombination mit Citronensäure zur Konservierung enthalten. Befürchtungen im Hinblick auf Risiken für das Ungeborene durch die Benzoesäure beziehungsweise das Natriumbenzoat bei der Einnahme durch Schwangere sind unbegründet. Erwachsene können Benzoesäure rasch metabolisieren, es handelt sich um eine Einmalgabe und auch die gleichartig konservierte Standardzulassung ist für die Anwendung bei Schwangeren ausgewiesen.
Atropinsulfat-Augentropfen werden als Diagnostikum zur Pupillenerweiterung für die Untersuchung des Augenhintergrundes eingesetzt. Anwendung finden sie außerdem zur Ruhigstellung des Auges bei Entzündungen oder zur Prophylaxe und Therapie von Fehlstellungen. Als Fertigarzneimittel stehen dafür Augentropfen mit einer Konzentration von 5 mg/ml Atropinsulfat zur Verfügung. Gemäß der Monographie des Europäischen Arzneibuches handelt es sich beim Atropinsulfat um das Monohydrat. Zur Myopie-Prophylaxe bei Kindern werden seit einigen Jahren niedriger konzentrierte Augentropfen erprobt. Der Langzeiteffekt muss noch belegt werden. Zumindest mit Blick auf konzentrationsabhängige unerwünschte Wirkungen und dem schwächsten Reboundeffekt haben sich 0,01-prozentige Atropinsulfat-Augentropfen aber gegenüber höher konzentrierten Lösungen als geeignet erwiesen. Ein Fertigarzneimittel dieser Konzentrationsstufe gibt es nicht. Der Bedarf kann nun mit den Atropinsulfat-Augentropfen 0,01 % (NRF 15.34.) gedeckt werden. Zur Konservierung enthalten die Augentropfen 0,005 % Benzalkoniumchlorid in Kombination mit 0,05 % Natriumedetat. Das ist jeweils die Hälfte der sonst üblichen Mengen. Durch die Reduzierung des Natriumedetat ist die Lösung nur noch schwach gegen den Neutralbereich gepuffert. So hat das Auge die Möglichkeit, das eigentlich unphysiologische, schwach saure pH-Milieu der Augentropfen annähernd reizfrei zu kompensieren. Die Lösung ist daher gut lokal verträglich.
Die DAC-Monographie »Verdünnte Basiscreme« wurde neu aufgenommen. Hinlänglich bekannt ist die Basiscreme DAC, seit 1985 im DAC beschrieben, eine relativ feste hydrophile offizinelle Grundlage mit hohem Lipidanteil. Für bestimmte Hauttypen und Indikationsgebiete, beispielsweise Akne, kann es jedoch sinnvoll sein, eine Variante mit höherem Wasseranteil zu verwenden. Über die letzten Jahre hat sich dabei die Verdünnung der Basiscreme DAC mit Wasser und Propylenglycol etabliert, die jetzt in einer eigenständigen Monographie beschrieben wird. In der Hydrophilen Methoxsalen-Creme (NRF 11.96.) ist die Verdünnte Basiscreme mit 60 % Wasseranteil bereits bei den Bestandteilen aufgeführt. De facto basieren auch die Hydrophile Erythromycin-Creme (NRF 11.77.), die Hydrophile Erythromycin-Creme mit Metronidazol (NRF 11.138.) und die Hydrophile Prednicarbat-Creme (NRF 11.144.) auf dieser Grundlage, obwohl sie dort bislang noch in ihren Einzelbestandteilen aufgeführt ist.
Mit der aktuellen Ergänzungslieferung hat die Revision der Monographien, der Alternativen Identifizierung und des Farbteils mit dem Buchstaben C begonnen. In bewährter Art und Weise wurde die angestrebte Harmonisierung der Identitätsprüfung für die Apotheken über diese drei Kapitel umgesetzt. Die Auswahlmöglichkeit der DAC-Probe 10 wurde, wo möglich, in der Alternativen Identifizierung ergänzt.
Auch zahlreiche Rezepturvorschriften und allgemeine Texte wurden redaktionell überarbeitet. Einen Überblick über alle revidierten Texte, die Neuaufnahmen und Streichungen bietet wie immer das Vorwort zur Ergänzungslieferung. Einige sollen hier exemplarisch genannt sein. Wegen des Bedarfs für höhere Konzentrationen bei der Öligen Cannabidiol-Lösung (NRF 22.10.) wurden die Konzentrationsstufen 200 mg/ml und 400 mg/ml ergänzt. Cannabidiol ist gut in den mittelkettigen Triglyceriden löslich. In Abhängigkeit von der Wirkstoffkonzentration muss der Ansatz aber unterschiedlich stark erwärmt werden. Die Begriffsdefinitionen zur Wärmeanwendung finden sich in den Allgemeinen Vorschriften 1.1.
Die Öligen Dronabinol-Tropfen 25 mg/ml (NRF 22.8.) und Ölige Cannabisölharz-Lösung 25 mg/ml Dronabinol (NRF 22.11.) enthielten Dosierungshinweise im Zusammenhang mit der Anwendung als Antiemetikum bei Chemotherapie, die dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht mehr entsprechen. Sie wurden aktualisiert. Die Tropfendosierung mithilfe eines Zentraltropfers wird nicht mehr empfohlen, da sie zu fehleranfällig ist. Sie ist aber weiterhin möglich, wenn der Patient damit besser umgehen kann als mit einer Kolbendosierpipette oder einer Dosierpumpe. Wichtige grundsätzliche Informationen zur Tropfendosierung sind den Allgemeinen Hinweisen I.11.3.1. zu entnehmen.
Ausführlich überarbeitet wurden die Allgemeinen Hinweise I.9. Kapseln. Eingeflossen sind dabei Erkenntnisse über die Abhängigkeit der Masse und des Volumens der Hartgelatine-Kapselhüllen von der Luftfeuchtigkeit und zur Verschlussmöglichkeit der pädiatrischen Kapseln ohne den Verriegelungsmechanismus, sowie der einheitliche Hinweis, dass bei Pulvermischungen mit niedriger Wirkstoffmenge zunächst nur so viel Füllmittel zugemischt werden soll, wie dem Zehnfachen der Wirkstoffmenge entspricht, bei Neigung zu Wirkstoffagglomeraten eher noch weniger. Die DAC-Anlage F umfasst sieben neue Verdrängungsfaktoren für die Herstellung der Zäpfchen oder Vaginalzäpfchen, zum Beispiele Arginin und Melatonin.
Die DAC-Monographie Eingestelltes, raffiniertes Cannabisölharz (C-054) entfällt, da die Monographie Eingestellter Cannabisextrakt im Deutschen Arzneibuch 2020 veröffentlicht wurde. DAC/NRF arbeitet daran, eine Alternative Identifizierung anzubieten. Damit in der Übergangszeit auf die Identitätsprüfung der DAC-Monographie im Bedarfsfall zurückgegriffen werden kann, wird diese auf dac-nrf.de zur Verfügung gestellt.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.