Pharmazeutische Zeitung online
Coronavirus-Pandemie

Wo stehen wir bei der Impfstoffentwicklung?

In welchen Phasen der klinischen Prüfung befinden sich die Impfstoffkandidaten gegen das neuartige Coronavirus? Und was weiß man inzwischen über die Verträglichkeit und Wirksamkeit einzelner Vakzinen? Einen Überblick gab Professor Dr. Theo Dingermann, PZ-Chefredakteur, beim Webcast von pharma4u und der Pharmazeutischen Zeitung.  
Brigitte M. Gensthaler
Kerstin A. Gräfe
11.09.2020  12:17 Uhr

Eines ist Dingermann auch angesichts der ergriffenen und erwiesenermaßen effektiven Maßnahmen zufolge ganz klar: »Die Pandemie nimmt erst eine entscheidende Wendung, wenn ein Impfstoff vorliegt«. Hier habe sich eine beispielhafte Entwicklung vollzogen. Weltweit arbeiteten kompetente Gruppen, hauptsächlich auch internationale Arzneimittelhersteller, engagiert an verschiedenen Technologien zur Impfstoffentwicklung. Insgesamt seien 150 verschiedene Projekte registriert, von denen sich viele bereits in Phasen der klinischen Prüfung befänden: 24 in Phase-I, 14 in Phase-II und 9 in Phase-III. Zudem gebe es drei Vakzinen, die bereits eine »gewisse Art von Zulassung« haben: das sind zum einen der Sputnik V-Impfstoff und zum anderen zwei Impfstoffe aus China.

Medial sei die Impfstoffentwicklung bislang durchweg positiv begleitet worden. »Jetzt ist allerdings die Bombe eingeschlagen«, so Dingermann mit Verweis auf die aktuellen Entwicklungen des Impfstoffs von Astra-Zeneca und der Universität Oxford. Deren Phase-III-Studie mit dem Kandidaten AZD1222 musste Anfang der Woche wegen eines schweren unerwünschten Ereignisses bei einem Probanden vorerst gestoppt werden. »Unklar ist bislang, ob ein kausaler Zusammenhang mit der Impfung besteht«, betonte der Referent. Er halte das zumindest nicht für unwahrscheinlich, da es sich bei AZD1222 um einen Vektorimpfstoff handelt, der auf einem Schimpansen-Adenovirus basiert. Generell gelten Adenoviren als harmlos. Allerdings sei nicht ausgeschlossen, dass diese Vektoren – auch wenn sie inaktiviert sind– in seltenen Fällen eine solche Immunreaktion auslösen können.

Potenzieller kausaler Zusammenhang wird überprüft

»Das ist ein unerfreuliches Ereignis, aber nicht ungewöhnlich«, ordnete Dingermann die Situation ein. Dennoch sei dieses Ereignis nicht trivial und insofern sei es normal, dass das sogenannte Data and Safety Monitoring Board den Fall sehr genau betrachtet und bewertet, inwieweit der Zwischenfall tatsächlich mit der Impfung in Zusammenhang gebracht werden kann.

Astra-Zeneca hatte für sich beansprucht, den Impfstoff noch vor Oktober der breiten Bevölkerung zugänglich zu machen. Das sei nicht mehr zu realisieren, weil die klinische Studie »auf hold gestellt wurde«, so Dingermann. Es gebe aber noch zwei weitere Impfstoffe, deren Hersteller es sich zum Ziel gesetzt haben, noch in diesem Jahr auf den Markt kommen zu wollen: der Impfstoff von BioNTech/Pfizer und der Impfstoff von CanSino Biologicals.

Im Kontext der aktuellen Meldung sei womöglich interessant, dass der Impfstoffkandidat von BioNTech/Pfizer im Gegensatz zu dem Kandidaten von Astra-Zeneca und der Universität Oxford keine virale Basis hat, sondern ein RNA-Impfstoff ist. Die RNA sei in Nanopartikel verpackt, die dann von Muskelzellen oder anderen Zellen aufgenommen wird. Dort werde dann die RNA abgelesen und das S-Protein synthetisiert, das dann als Antigen fungiert. An dem Impfstoff werde hoch intensiv gearbeitet. »BioNtech hat hier ein 24/7-Arbeitsschema«, so Dingermann. Die erhobenen Daten würden simultan an die Zulassungsbehörden gemeldet, um hier schnellstmöglich einen Impfstoff bereitstellen zu können. Dennoch komme die Sorgfalt hier nicht zu kurz, betonte er.

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