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PEI-Präsident

»Wir haben sichere Covid-19-Impfstoffe«

Sie sollen der Game Changer in der Covid-19-Pandemie sein, werden aber von vielen Bürgern noch mit Argwohn betrachtet: mRNA-Impfstoffe. Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts informierte gestern beim digitalen Fortbildungskongress Pharmacon@home über die Präparate und ihre Produktion.
Christina Hohmann-Jeddi
19.01.2021  15:14 Uhr

»Die zwei in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffe sind sicher und ausgesprochen wirksam«, sagte der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Professor Dr. Klaus Cichutek, bei der Online-Fortbildung. Die beiden mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna wiesen ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis auf. Anders als herkömmliche Impfstoffe enthalten sie kein Antigen, sondern den Bauplan für ein Antigen in Form von Boten-RNA. Diese gelangt in einzelne Körperzellen des Geimpften, wird dort abgelesen und in ein Protein übersetzt, das eine Immunantwort induziert. Anschließend wird die RNA abgebaut. Sie lagert sich nicht in das Genom ein.

Im Falle der Covid-19-Impfstoffe enthält der Impfstoff mRNA, die für das Spike-Protein von SARS-CoV-2 in einer stabilisierten Präfusionskonformation kodiert. Das Oberflächenprotein des Erregers könne nämlich zwei Konformationen einnehmen, von denen die vor der Fusion mit der Zellmembran besser geeignet sei, die Bildung von neutralisierenden Antikörpern zu induzieren, erklärte Cichutek. Durch die Stabilisierung in dieser Konformation, die durch Austausch von zwei Aminosäuren erreicht wurde, lasse sich das Risiko für eine immunverstärkte Erkrankung senken. Diese war bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen das MERS- und das erste SARS-Coronavirus beobachtet worden. Bei den Covid-19-Impfstoffen ist dieses Phänomen nicht aufgetreten.

Da es sich bei mRNA-Vakzinen um eine neue Impfstoffart handelt, stellte Cichutek auch kurz deren Produktion vor. Als Template wird das Spike-Gen in der veränderten Form in einen Kessel gegeben, wo es in vitro durch das Enzym RNA-Polymerase in RNA translatiert wird. »Dabei entstehen RNA-Moleküle in der richtigen Länge« so der Biochemiker.

Anschließend werde die DNA entfernt und die gewonnene RNA an den Enden noch so modifiziert, dass die Ribosomen der Zellen sie als mRNA erkennen und den Translationsprozess starten können. Hierfür erhält das 5‘-Ende ein Capping und das 3‘-Ende jedes RNA-Strangs einen Poly-A-Schwanz. Beim Hersteller und auch bei der Chargenfreigabe im PEI werde überprüft, ob die mRNA-Moleküle die richtige Länge und Sequenz haben, die korrekten Enden besitzen und außerdem noch funktional sind. Die hoch aufgereinigte mRNA wird schließlich in Lipidnanopartikel verpackt, die den Eintritt in die Zelle erleichtern und die mRNA stabil halten sollen.

Ein ganz labiler Stoff

»RNA ist ein ganz labiler Stoff«, betonte Cichutek. Deshalb würden die Impfstoffe derzeit auch so stark tiefgekühlt gelagert und transportiert. Neu sei, dass der Biontech/Pfizer-Impfstoff Comirnaty® (BNT162b2) jetzt auch als fertig aufgezogene Spritze transportiert werden dürfe und etwa im Impfzentrum aufbereitet und dann in Pflegeheime gebracht werden könne. Die Haltbarkeit betrage in der verdünnten Form sechs Stunden bei 2 bis 30 °C. Erschütterungen sollten beim Transport vermieden werden. Ob der Impfstoff zu stark erschüttert wurde, sei durch eine einfache visuelle Prüfung etwa auf Trübung oder Ausfälle nicht festzustellen, sagte der PEI-Präsident auf Nachfrage. Man müsse sehr vorsichtig mit dem Impfstoff umgehen und sich an die Vorgaben zur Handhabung halten.

»Insgesamt haben die beiden mRNA-Impfstoffe in den klinischen Phase-III-Studien eine hohe Wirksamkeit von bis zu 95 Prozent gezeigt«, berichtete Cichutek. Für Personen über 65 Jahren beträgt die Wirksamkeit 94,7 Prozent für das Biontech/Pfizer-Produkt Comirnaty® und 86,4 Prozent für die Moderna-Vakzine. In den Studien wurden vorübergehende milde bis moderate Nebenwirkungen beobachtet, vor allem Schmerzen und Rötungen an der Einstichstelle, Fieber, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Verglichen mit saisonalen Grippeimpfstoffen seien die Covid-19-Vakzinen insgesamt reaktogener, riefen also häufiger akute Nebenwirkungen hervor. Diese seien vor allem bei Jüngeren (unter 65 Jahren) und bei der zweiten Dosis stärker ausgeprägt. Eine genaue Analyse lesen Sie hier.

Inzwischen lägen neben den Daten aus den Studien mit jeweils mehr als 14.000 Geimpften auch Real-Life-Daten von den begonnenen Impfungen vor. Die Erkenntnisse zur Sicherheit aus den USA, aus Großbritannien und jetzt auch aus Deutschland stimmen in etwa mit den Beobachtungen aus den Studien überein, betonte Cichutek. Sehr seltene Nebenwirkungen seien in Studien nicht zu erfassen gewesen und müssten nach der Zulassung identifiziert werden. Cichutek appellierte daher an die Apothekerinnen und Apothker als wichtige Multiplikatoren, mitgeteilte Verdachtsfälle von Nebenwirkungen der Impfstoffe über die bekannten Pharmakovigilanz-Wege zu melden und auch die Geimpften zu ermuntern, die Beschwerden selbst an das PEI zu melden – entweder über die App SafeVac 2.0 oder das Online-Formular unter nebenwirkungen.bund.de.

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