Wie soll das Pharmaziestudium der Zukunft aussehen? |
Daniela Hüttemann |
10.05.2022 12:30 Uhr |
Laborpraktika bleiben ein wichtiger Teil des Pharmaziestudiums. Es wird jedoch weniger Chemiestunden geben, dafür mehr Klinische Pharmazie und Pharmakologie. Neu hinzu kommt die Vermittlung digitaler und kommunikativer Kompetenzen. / Foto: Getty Images/poba
Dass das Pharmaziestudium nach 21 Jahren dringend erneut novelliert werden muss, steht für alle Beteiligten angesichts der aktuellen und zukünftigen Anforderungen außer Frage und wurde bereits im November 2019 von der Apothekerschaft beschlossen. »Die aktuell gültige Approbationsordnung stammt aus dem Jahr 2001 – eine Anpassung ist aufgrund der enormen wissenschaftlichen Fortschritte, insbesondere bei der Entwicklung neuer Arzneimittel, aber auch der modernen Arzneimitteltherapie, dringend nötig«, betont BAK-Präsident Thomas Benkert. Doch gilt es dabei, zahlreiche unterschiedliche Interessen innerhalb der Pharmazie unter einen Hut zu bringen.
Ergebnis ist das Positionspapier eines runden Tischs, das die Mitgliederversammlung der Bundesapothekerkammer (BAK) nach intensiver Diskussion soeben verabschiedet hat. Darin heißt es: Neben dem Arzneimittel stehe mehr denn je die individuelle und persönliche Betreuung der Patienten im Mittelpunkt der Arbeit von Apothekerinnen und Apothekern. Dem soll ein modernes Studium Rechnung tragen, ebenso den immer vielfältigeren pharmazeutischen Aufgaben und Tätigkeitsfeldern.
An der Bearbeitung beteiligt waren neben der BAK auch die Verbände und Fachgruppen der Pharmaziestudierenden (BPhD), Hochschullehrer (KFPharm), Krankenhauspharmazie (ADKA), Wehrpharmazie, Apotheker in Wissenschaft und Industrie (WIV), die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) mit ihren einzelnen Fachgruppen, die ADEXA – die Apothekengewerkschaft sowie das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP). Der Großteil dieser Organisationen hat dem Positionspapier bereits zugestimmt. Der BPhD wird auf seiner Jahrestagung Ende Mai darüber entscheiden. Die Studentenschaft wünscht sich vor allem auch eine Entzerrung bei der wöchentlichen Belastung.
Auf dieser Basis soll dann mit allen beteiligten Organisationen gemeinsam der Antrag auf Novellierung der AAppO beim Bundesgesundheitsministerium (BMG) gestellt werden. »Die Apothekerschaft spricht in dieser Sache mit großer Geschlossenheit«, so Benkert. Damit setze die Apothekerschaft ein starkes Signal. Es bleibt abzuwarten, ob dieses wiederum allen Vorschlägen zustimmen wird und wann genau eine neue Approbationsordnung letztlich in Kraft tritt.
Was ändert sich? »Das Pharmaziestudium muss angesichts des großen Wissenszuwachses um zwei Semester auf insgesamt zehn Semesterverlängert werden«, so Benkert. »Dabei darf allerdings weder die Zahl der Studienplätze verringert noch die Betreuung der Studierenden schlechter werden.« Die zusätzliche Zeit soll vor allem der Klinischen Pharmazie und Pharmakologie zugute kommen. Zudem sollen verstärkt digitale und kommunikative Kompetenzen vermittelt sowie mehr interprofessionelle Lehrveranstaltungen angeboten werden.
Wichtig sei der BAK, dass der Studiengang bundesweit einheitlich bleibt und weiterhin mit einem Staatsexamen endet, sodass jeder approbierte Apotheker seinen Beruf in allen pharmazeutischen Tätigkeitsbereichen ausführen kann. Für eine Anpassung an das Bachelor-Master-System bestehe weder ein Bedarf noch eine Notwendigkeit, heißt es im Positionspapier. In der Pharmazie gebe es kein Tätigkeitsfeld für Absolventen eines dreijährigen Bachelor-Studiengangs. Eine Modularisierung mit Zuweisung sogenannter ECTS-Punkte sei jedoch mit Blick auf die Durchlässigkeit des Studiums anzustreben.
Neu an der Struktur ist außerdem, dass Pharmaziestudierende in Zukunft das selbstständige, wissenschaftliche Arbeiten üben und dies mit einer schriftlichen Arbeit nachweisen sollen, wie es in anderen naturwissenschaftlichen Studiengängen Usus ist. Das Forschen und Schreiben soll auch auf eine Promotion sowie typische Tätigkeitsbereiche in der Industrie und Forschung vorbereiten. Dafür fällt das 2001 eingeführte Wahlpflichtfach weg.
Für die wissenschaftliche Arbeit werden die Studierenden sechs Monate Zeit haben, davon sechs Wochen für die Verschriftlichung. Das Ganze kann auch außerhalb der Universität sowie im Ausland erfolgen. Die Bewertung dieser Arbeit soll gleichwertig zu den mündlichen Prüfungen der einzelnen Fächer mit in die Abschlussnote des Zweiten Staatsexamens fließen.
Die Famulatur, die im Grundstudium abgeleistet werden muss, wird von acht auf vier Wochen verkürzt, davon weiterhin die Hälfte in einer öffentlichen Apotheke. Dies sei ausreichend, um einen Einblick in den Apothekenbetrieb zu bekommen. Die Liste anderer Einrichtungen soll erweitert werden. Zudem wird empfohlen, einen Famulatur-Leitfaden zu erarbeiten und anzuwenden.
Die Lehre soll vor allem auch fächerübergreifender und interprofessioneller werden. Pharmakologie und Klinische Pharmazie sollen deutlich stärker ausgebaut und verzahnt werden, auch durch gemeinsame Lehrveranstaltungen mit den Medizinern. Die Studierenden werden zu Medikationsanalysen befähigt und sollen die Patienten- und Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) erhöhen. Dazu gehört auch fallbezogenes Lernen. Die Pharmazeutische Betreuung bekommt im Hauptstudium ein Praktikum mit acht Semesterwochenstunden und auch in der Pharmakologie wird es Praktika geben.
Dafür wird die Stundenzahl in der pharmazeutisch-medizinischen Chemie und Analytik reduziert. Ihr Anteil soll von derzeit 44,5 Prozent auf 34,4 Prozent sinken. So sollen jeweils qualitative und quantitative Analytik sowie Arzneibuch- und Arzneimittel-Analytik zusammengelegt werden. Dagegen wird die Biochemie ausgebaut und die computergestützten Verfahren in der Wirkstoffforschung bekommen ein eigenes Modul. Insgesamt soll die naturwissenschaftliche Basis weiter gestärkt werden.
Die Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie sollen zum einen mehr auf die individualisierte Arzneimittelherstellung, also die Rezeptur eingehen. Zum anderen soll aber auch im Blick auf Tätigkeiten in der Industrie die Qualitätssicherung mehr im Fokus stehen. Das Fach soll noch stärker mit der Physik und Mathematik verzahnt werden.
In der Pharmazeutischen Biologie sollen Pflanzenbestimmungen und Arzneipflanzen-Exkursionen gestrichen werden. Der Fokus soll nur noch auf den wichtigsten Arzneipflanzen liegen. Dagegen werden neue Schwerpunkte bei den Biologicals, Immuntherapeutika und anderen Arzneimitteln für neuartige Therapien gesetzt – plus mehr Pathobiochemie mit Bezug zur Pharmakologie. Zur Geschichte der Pharmazie und Terminologie kommen noch rechtliche, ethische und gesellschaftliche Aspekte hinzu.
Das praktische Jahr bleibt, aber auch hier sollen die Lehrinhalte des praxisbegleitenden Unterrichts aktualisiert werden. Neu ist, dass die Ausbildung im praktischen Jahr auch in Teilzeit mit einem Mindestumfang von 50 Prozent der tariflichen Arbeitszeit absolviert werden kann. Dies soll zum Beispiel jungen Eltern gerecht werden. Dementsprechend verlängert sich dann jedoch die praktische Ausbildungszeit.
Ein halbes Jahr in der öffentlichen Apotheke bleibt verpflichtend. Für die anderen sechs Monate soll es mehr anerkannte Auswahlmöglichkeiten geben als bisher. Die Ausbildung soll künftig in allen Einrichtungen möglich sein, in denen pharmazeutische Tätigkeiten nach §2 Absatz 3 Bundesapothekerordnung ausgeübt werden und die Aufsicht vor Ort durch einen Apotheker oder eine Apothekerin erfolgt.
An der Art der Prüfungen soll sich nichts ändern: Die Prüfung zum ersten Staatsexamen soll weiterhin schriftlich erfolgen, die zum zweiten und dritten Staatsexamen mündlich (wobei wie zuvor beschrieben in die Note zum zweiten Examen die schriftliche Arbeit mit einfließt). Im ersten Abschnitt soll weiterhin ein alternatives Prüfungsverfahren möglich sein. Die Übermittlung der Leistungsnachweise für die einzelnen Module, die sogenannten Scheine, soll auch digital ans Landesprüfungsamt erfolgen können.
Neu ist, dass die erbrachten Studienleistungen in den einzelnen Modulen in die Einzelnoten der entsprechenden Prüfungsfächer im ersten und zweiten Prüfungsabschnitt einfließen sollen. So soll die Studienleistung über die gesamt Studienzeit berücksichtigt werden und die Endnote gerechter werden. Zudem erleichtert dies die Bewerbung für Stipendien.
Die Zeugnisse werden detaillierter: Bislang war in den Zeugnissen des zweiten und dritten Prüfungsabschnitts nur die Durchschnittsnote aller Fächer aufgeführt. Demnächst sollen die Noten aller Fächer (und der wissenschaftlichen Arbeit) auch einzeln gelistet werden.