Wie kann der Personalkollaps in Apotheken verhindert werden? |
Benjamin Rohrer |
14.09.2021 10:50 Uhr |
Diskutierten gemeinsam über die Nachwuchssorgen im Apothekenmarkt: BAK-Präsident Thomas Benkert und Stephanie Schersch, PZ-Ressortleiterin Politik. Zugeschaltet waren Adexa Chef Andreas May, Bianca Partheymüller vom BPhD und die Vorsitzende des Saarländischen Apothekervereins Susanne Koch / Foto: Philipp Külker
Viele Apotheken haben heute schon große Personalsorgen und können frei werdende Stellen nicht sofort wieder neu besetzen. Die Bundesagentur für Arbeit hat den Apothekerberuf in den vergangenen Jahren bei seinen Engpassanalysen stets als »Mangelberuf« eingestuft. Laut einer ABDA-Analyse könnte sich dieses Problem noch zuspitzen, weil der Bedarf an Pharmazeuten weiter wächst, gleichzeitig aber immer mehr Jungapprobierte in Industrie und Kliniken abwandern. Laut ABDA könnten in den kommenden Jahren bis zu 10.000 Fachkräfte im Markt fehlen. Um diese Nachwuchssorgen im Apothekenmarkt ging es am gestrigen Montagabend bei einer »PZ Nachgefragt«-Podiumsdiskussion bei der Expopharm Impuls. PZ-Politik-Ressortleiterin Stephanie Schersch diskutierte mit Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer, Adexa-Chef Andreas May, Bianca Partheymüller vom Bundesverband der Pharmaziestudierenden sowie Susanne Koch, Vorsitzende des Saarländischen Apothekerverbands, über die Zukunft des Apothekerberufs.
BAK-Präsident Benkert hält die ABDA-Analyse für realistisch und merkte an, dass der »Kampf um die Köpf«“ schon jetzt begonnen habe. PZ-Ressortleiterin Schersch erinnerte an eine BAK-Umfrage, nach der »nur« noch 46 Prozent der Studierenden später in der Apotheke arbeiten wollen und jeweils knapp 20 Prozent eine Arbeit in Kliniken oder Pharmaunternehmen anstreben. Die BPhD-Beauftragte Partheymüller bestätigte dies: »Wenige wollen wirklich in die Apotheke. Die Apotheke wird nicht so wahrgenommen, wie sie wahrgenommen werden sollte.« Die Studentin empfahl den Apotheken, in der Öffentlichkeit mehr zu zeigen, dass die Arbeit in der Offizin auch »spannend« sei. Das Gehalt sei aus ihrer Sicht nicht für viele der ausschlaggebende Punkt. Auch BAK-Präsident Benkert appellierte an seine Kollegen die Apothekenarbeit nicht immer so negativ darzustellen.
Adexa-Chef May äußerte sich zu den Angestelltengehältern im Apothekenmarkt. Dass diese im Vergleich zu anderen akademischen Berufen recht niedrig sind, begründet er damit, dass sich die Berufspolitik habe »abhängen« lassen – beispielswiese hätten Ärzte in den vergangenen Jahren größere Gehaltssprünge gemacht. Zudem seien wichtige politische Forderungen der Apothekerschaft nicht durchgesetzt worden, wie etwa das Rx-Versandhandelsverbot. May schlussfolgerte daher: »Wenn nicht viel drin ist im Topf, kann nicht viel rauskommen.«
Was die Attraktivität der Arbeit in der Offizin betrifft, forderte May die Inhaber auf »kleine« Änderungen vorzunehmen, um den Arbeitnehmern entgegenzukommen und nannte als Beispiele den Corona-Bonus, Zuschüsse zum öffentlichen Nahverkehr oder zu Kita-Plätzen. Verbandschefin Susanne Koch hat selbst vier Kinder und betriebt drei Apotheken – auch sie empfahl ihren Inhaber-Kollegen »mehr Rücksicht auf die familiären Gegebenheiten« ihrer Mitarbeitenden zu nehmen. Mit Blick auf ihren eigenen Werdegang erklärte Koch, dass die Angst vor der Apothekengründung oft unberechtigt sei: »Es ist alles machbar und eine Frage der Organisation. Ich wollte die Arbeit für mich machen und habe mich daher selbstständig gemacht.«
Schließlich ging es in der Diskussion auch um die anstehende Novellierung der Approbationsordnung. Einigkeit bestand darin, dass die Studieninhalte mehr auf die tägliche Arbeit in der Apotheke ausgerichtet werden sollten. BAK-Präsident Benkert forderte, dass die Inhalte »praxisbezogener« werden. Partheymüller wünscht sich, dass im Studium auch betriebswirtschaftliche Aspekte wie Mitarbeiterführung und Controlling thematisiert werden.
Diskutiert wurde auch über einen Vorschlag, den der CDU-Politiker Alexander Krauß vor Kurzem auf den Tisch gelegt hat. Demnach sollten PTA Approbierte zumindest stundenweise vertreten können, um die Personalsituation in den Offizinen ein Stück weit zu entzerren. Für Koch wäre eine solche Regelung durchaus denkbar. Schließlich gebe es immer wieder Situationen, in denen der Apotheker schnell und für kurze Zeit weg müsse, so etwa um ein krankes Kind abzuholen. »Wenn es um eine stundenweise Vertretung geht und ein Apotheker im Zweifel immer erreichbar ist, habe ich damit absolut keine Probleme«, so die saarländische Verbandschefin. Völlig anders bewertet der BAK-Präsident den CDU-Vorstoß. »Ich bin absolut und strikt dagegen«, sagte er. Der Apotheker sei ein eigenständiger Hochschulberuf, den man nicht von einer PTA vertreten lassen könne. Zudem bestehe die Gefahr, mit einer solchen Regelung das Tor für weitgehende Umbrüche zu öffnen, an deren Ende Abgabestellen im Supermarkt stehen könnten, die nur telefonisch oder digital mit einem Apotheker verbunden seien. »Das ist ein ganz gefährlicher Weg«, so Benkert.
Adexa-Chef May kann diese strikte Ablehnung nicht nachvollziehen. Für ihn ist eine Vertretungsbefugnis auch mit wichtigen Aufstiegschancen für PTA verbunden. Die gebe es bislang kaum. »Apotheker müssen da vielleicht doch ein bisschen mehr nachgeben«, so May. Hier können Sie die gesamte Diskussion nochmals verfolgen:
Das Video dieser Gesprächsrunde sowie viele weitere Beiträge der Expopharm Impuls sind ab dem 20. September bis Mitte Januar nach Registrierung unter www.expopharm-impuls.de abrufbar.