Wie geht es weiter mit der Zweitimpfung? |
Christina Hohmann-Jeddi |
01.04.2021 18:00 Uhr |
Was kommt nach Astra-Zeneca? Ein mRNA-Impfstoff? / Foto: imago images/ZUMA Wire
Eine Grundimmunisierung gegen Covid-19, für die bei allen bislang in Deutschland eingesetzten Impfstoffen zwei Dosen nötig sind, sollte mit ein und demselben Präparat erfolgen. Das gilt bisher. Nach der diese Woche beschlossenen Altersuntersgrenze für den Impfstoff Vaxzevria von Astra-Zeneca wird dies aber nicht durchzuhalten sein. Was sollen Personen unter 60 Jahren, die diesen Impfstoff laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) nicht mehr erhalten sollen, als Zweitdosis bekommen?
Der STIKO-Vorsitzende Professor Dr. Thomas Mertens äußerte sich hierzu am Mittwochabend in der TV-Sendung »ARD Extra«. Bislang gebe es wenige bis gar keine Daten zum Wechsel des Impfstofftyps in der Grundimmunisierung. Derartige Kombinationsstudien seien aber gerade im Gange. »Man versucht herauszufinden, ob bei Wechsel des Impfstoffs eine gleiche Schutzwirkung erzielt werden kann«, sagte Mertens. Er gab an, dass die STIKO »in sehr kurzer Zeit«, die Empfehlung hierzu aktualisieren werde. »Es kann durchaus sein, dass man grundsätzlich für die Zweitimpfung auf einen anderen Impfstoff wechseln wird«, sagte Mertens. Man werde aber auf jeden Fall sicherstellen, dass alle Menschen einen guten Schutz und einen sicheren Impfstoff bekommen können.
Entsprechende Studien laufen bereits. Anfang Februar startete in Großbritannien die sogenannte »Covid-19 Heterologous Prime Boost Study«, kurz Com-Cov, die das britische National Institute for Health Research initiiert hat. Wie die Behörde mitteilte, sollen dabei die beiden Impfstoffe Tozinameran (Comirnaty®, BNT162b2) von Biontech/Pfizer und Vaxzevria (ChAdOx1, AZD1222) von Astra-Zeneca in unterschiedlicher Abfolge als erste und zweite Dosis in Kombination getestet werden. Insgesamt sollen 820 Probanden teilnehmen. Erste Zwischenergebnisse der Studie würden im Sommer erwartet, heißt es von einem Pressesprecher der Universität Oxford auf Anfrage der Pharmazeutischen Zeitung. Das Unternehmen Astra-Zeneca hat zudem eine Kombinationsstudie zusammen mit den Entwicklern des russischen Impfstoffs Sputnik V gestartet. Diese laufe noch, bestätigte Anfang März Sir Mene Pangalos von Astra-Zenenca bei einer Veranstaltung des Science Media Center Germany. Entsprechende Studien in Deutschland finden in Deutschland bislang jedoch noch nicht statt, wie das Paul-Ehrich-Institut (PEI) auf Nachfrage der PZ mitteilte.
Grundsätzlich kann es Vorteile haben, zwei verschiedene Impfstoffe in der Grundimmunisierung gegen einen Erreger einzusetzen. Solche heterologen Prime-Boost-Systeme sind kein neuer Ansatz, sondern wurden zu anderen Krankheitserregern schon erforscht und werden dort auch zum Teil eingesetzt. Auch bei Sputnik V handelt es sich um ein heterologes Prime-Boost-System, bei dem zwei verschiedene Adenovirus-basierte Impfstoffe nacheinander appliziert werden. Es gibt Hinweise darauf, dass diese Impfstoffkombinationen zu einer stärkeren Immunantwort führen könnten. Ob dies zutrifft, wird in den genannten Studien derzeit untersucht.
Die STIKO wird auf diese Studiendaten aus Großbritannien aber kaum warten können und vorher eine Entscheidung treffen müssen. Denn die ersten Zweitimpfungen stehen ab Anfang Mai an. Laut Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sind seit Impfstart mit Astra-Zeneca Anfang Februar rund 2,2 Millionen Unter-60-Jährige geimpft worden.
Im »ARD Extra« betonte STIKO-Chef Mertens, dass die Einführung einer Altersuntergrenze für die Applikation des Astra-Zeneca-Impfstoffs kein deutscher Extraweg sei. »Das ist nicht nur die STIKO, und nicht nur Deutschland«, sagte der Mediziner. Auch andere europäische Länder wie Norwegen und Frankreich, aber auch Kanada hätten ihre Empfehlungen geändert.
Zum Teil wurden in anderen Ländern auch höhere Inzidenzen der Hirnvenenthrombosen ermittelt, die nach Impfung mit Astra-Zeneca in seltenen Fällen beobachtet wurden und der Grund für die Einführung der Altersbeschränkung sind. In Norwegen seien diese Sinusthrombosen mit einer Inzidenz von 1 zu 25.000 aufgetreten, also mit einer höheren Inzidenz als in Deutschland, berichtete Mertens. Insgesamt geht die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) inzwischen von einer Inzidenz von 1 zu 100.000 Geimpften aus, wie die EMA-Chefin Emer Cooke bei einer Pressekonferenz am 31. März berichtete. In dieser bestätige die Agentur ihre Einschätzung, dass der Nutzen des Impfstoffs die Risiken überwiege. Ein Kausalzusammenhang der Impfung zu der Komplikation sei noch nicht bestätigt worden. Es gebe bislang keine Grund, eine Altersbeschränkung einzuführen.
Auf diese abweichende Einschätzung der europäischen Behörde angesprochen sagte Mertens: »Dieses Sicherheitssignal existiert.« Dass dies auf europäischer Ebene nicht erkannt würde, könne auch daran liegen, dass die 27 EU-Mitgliedsstaaten unterschiedliche Meldesysteme für Nebenwirkungen hätten – mit unterschiedlicher Qualität. »Das PEI hat in Deutschland gute Arbeit geleistet und ein Risikosignal frühzeitig erkannt.«
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